Volkskammer-Chef Horst Sindermann: Mein Vater, der DDR-Funktionär

Volkskammer-Chef Horst Sindermann

Mein Vater, der DDR-Funktionär

Die geheime Biografie von Volkskammer-Chef Horst Sindermann. Sein Sohn Michael hat sie jetzt veröffentlicht

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Michael Sindermann mit der Biografie seines Vaters Horst.
Michael Sindermann mit der Biografie seines Vaters Horst.cam.cop media Lizenz

Berlin-Er war die Nummer 3 im DDR-Staat – Volkskammer-Präsident Horst Sindermann († 1990). Trotzdem kannte kaum jemand das Leben dieses Mannes. Sogar engste Genossen wussten nicht, dass Sindermann im KZ saß. Der SED-Funktionär wollte nie darüber reden. Ein Geheimnis war auch, dass er 1988/89 seine Biografie schrieb. Jetzt veröffentlicht sein Sohn, Michael Sindermann (70), das geheime Dokument zum 100. Geburtstag seines Vaters (5. September).

Ein Ordner mit auf Maschine geschriebenen Seiten. Auf der ersten steht: „Vor Tageslicht – Jugenderinnerungen von Horst Sindermann“. Jahrelang hat sein Sohn dieses historische Dokument in einem Karton mit Fotos seines Vaters aufbewahrt. Nicht einmal er wusste anfangs, dass es die Biografie gab. „Mutter gab sie mir erst nach Vaters Tod“, sagt Michael Sindermann. „Ich denke, es ist an der Zeit, sie nun zu veröffentlichen.“

„Vor Tageslicht“ erscheint jetzt im Verlag Edition Ost (17,99 Euro). Erstmals erfährt man, dass Horst Sindermann zwölf Jahre in Gefängnissen und in Konzentrationslagern saß (1933-1945), weil er gegen die Nazis kämpfte. „Er kam zum ersten Mal mit 18 ins Zuchthaus. Vater war bei dem Thema zu uns immer sehr zurückhaltend. Kein Wunder, wenn man die vermeintlich besten Jahre eines Menschen hinter Gittern verbringen musste“, sagt Sohn Michael. So erzählte sein Vater noch nicht einmal unter guten Freunden, dass er im KZ Sachsenhausen als Schreiber in der SS-Kommandantur Aufzeichnungen fälschte, Lebensmittel ins Krankenrevier schmuggelte, um Häftlingen das Leben zu retten, was nun in der Biografie zu lesen ist .

„Mein Vater war für mich ein Vorbild“, sagt Sohn Michael. „Er konnte mit Menschen umgehen. Mit Leib und Seele arbeitete er anfangs in der DDR in Halle als Chefredakteur. Ab und zu durfte ich ihn begleiten. Vielleicht wurde ich darum später auch Journalist.“

Michael Sindermann erinnert sich, wie sein Vater in einer Kritik den weltberühmten DDR-Maler Willi Sitte verriss. „Der war sauer. Monate später feierten er mit uns Silvester.“ Die Geschichte spielte sogar im Film „Spur der Steine“ eine Rolle, der verboten wurde. Sindermann sorgte dafür, dass der Film in Halle noch etwas länger im Kino lief.

„Mein Vater schrieb auch unter Pseudonym ein Theaterstück. Da war er schon SED-Chef von Halle. Er hat dort die besten Zeiten seines Lebens verbracht. In Berlin fühlte er sich unter den Parteioberen nie wohl. Besonders schmerzlich war es für ihn, als er während der DDR-Wende in Untersuchungshaft kam. Ein Mann, der im KZ saß – das hat er nie überwunden.