In der Mittagspause schiebt Melanie Leupolz (29) gern den Kinderwagen durch die australische Sonne. Spaziergang mit ihrem Sohn rund um das WM-Hotel der deutschen Frauenfußball-Nationalelf. Im Herbst 2022 wurden sie und ihr Freund, Weltmeister Sami Khedira, Eltern. Über ihre Partnerschaft mit dem 36 Jahre alten Ex-Fußballstar will das Traumpaar nicht sprechen. Viel lieber verrät Leupolz, wie groß ihr Babyglück ist – und was sie von der seit Donnerstag laufenden WM erwartet.
Frage: Frau Leupolz, Sie sind vor neun Monaten Mutter geworden. Nun haben Sie den Sprung in den WM-Kader geschafft. Wie war es zurückzukehren?
Melanie Leupolz: Ich habe das Gefühl, dass ich nie weg war. Ich habe bei der EM im letzten Sommer so mitgefiebert, dass ich mich als Teil der Mannschaft gefühlt habe. Ich kenne alle Mädels, war sofort wieder drin und hatte nie das Gefühl, den Anschluss verpasst zu haben.
Frage: Haben Sie immer dran geglaubt?
Leupolz: Die WM war immer präsent. Aber ich bin sehr entspannt durch die Schwangerschaft gegangen. Für mich war die WM immer ein realistisches Ziel. Dass alles so reibungslos geklappt hat, war nicht zu erwarten, ist aber umso schöner.
Frage: Wie machen Sie das mit Ihrem Sohn während der WM?
Leupolz: Ich habe meine Nanny dabei, die ich auch bei Chelsea habe. Sie ist bei mir fest angestellt. Für die Reise und die Unterkunft kommt der DFB auf. Ohne sie wäre es nicht möglich. Ich möchte Fußballerin sein und mich konzentrieren können. Da sind Gedanken schwierig, wie: „Ist der Kleine ordentlich mit Sonnencreme eingerieben?“ Wenn ich ein paar freie Minuten habe, verbringe ich sie mit ihm. Wir spielen viel und gehen spazieren.
Frage: Lenkt der Kleine Sie nicht ab?
Leupolz: Nein, er ist keine Ablenkung, weder für mich noch für meine Mitspielerinnen. Natürlich brauchen wir den vollen Fokus auf Fußball. Aber wir sind alle Frauen, da zaubert er jeder ein Lächeln ins Gesicht. Jede will mal mit ihm spielen oder ihn knuddeln. Er ist sehr willkommen.
Frage: Gibt es Extrawürste für die einzige Mutter im Kader?
Leupolz: Ich habe ein größeres Zimmer bekommen, damit Platz für ein Kinderbett ist. Aber ich mache es wie auch bei Chelsea: Ab zwei Tage vor dem Spiel verbringt er die Nächte nicht mehr bei mir, sondern bei der Nanny, damit ich genügend Schlaf bekomme. Nach dem Spiel schlafe ich sowieso nicht gut, da kann er bei mir bleiben.
Frage: Hat es Sie verändert, dass Sie nun Mutter sind?
Leupolz: Meine Trainerin bei Chelsea hat immer gesagt, dass ich stärker aus der Schwangerschaft wiederkommen würde. Und tatsächlich habe ich mehr Lockerheit, eine gewisse Leichtigkeit. Und ich weiß noch mehr, wofür ich Fußball spiele. Von der Fitness fühle ich mich sehr gut, besser als zuvor. Ich kann unendlich laufen. Wahrscheinlich, weil ich so viele Strapazen erlebt habe. Da wird der Körper resistenter gegen Stress und Anstrengungen. Die Hormone und das Kinderlächeln geben mir zudem Energie.
Frage: Ein mutiger Schritt, während der Karriere Mutter zu werden ...
Leupolz: Ich habe es auf keinen Fall bereut. Ich wollte immer früh Mutter werden. Ich wusste, dass es ein Risiko ist, während der Karriere schwanger zu werden. Damit habe ich alles aufs Spiel gesetzt. Aber ich war immer zuversichtlich, es zu schaffen. Ich war sehr ehrgeizig, aber auch locker. Denn wenn es mit dem Sport nicht mehr geklappt hätte, dann hätte ich immer noch das schönste auf der Welt: mein Kind. Beides zu haben, ist das Beste. Wichtig dabei ist nur: Er ist immer die erste Priorität. Wenn ich einem der beiden Bereiche nicht mehr gerecht werden würde, dann würde ich mich natürlich für ihn entscheiden.
Frage: Wie verhielt es sich mit der Fitness?
Leupolz: Ich konnte bis zwei Wochen vor der Geburt noch Sport machen und auch zwei Wochen später wieder anfangen. Ich habe im Kraftraum fast doppelt so viele Gewichte gestemmt wie vor der Schwangerschaft. Chelsea hat mir auch eine Beckenboden-Trainerin zur Verfügung gestellt. Ich wusste nicht, wie wichtig das ist. Aber tatsächlich war das entscheidend, wieder Grundlagen zu haben.#
Frage: Wie war die Resonanz im Klub, als klar war, dass sie schwanger sind?
Leupolz: Meine Trainerin bei Chelsea hat mir nie Druck gemacht, wann ich wieder da sein muss. Das hat geholfen. Ich hatte beim Verein absolutes Verständnis. Ich habe es der Trainerin und dem Manager gesagt. Sie haben sich einfach nur gefreut. Da kam nie die Frage, warum ich nicht bis nach der Karriere warte. Als ich Martina (Bundestrainerin Voss-Tecklenburg; d. Red.) gesagt habe, dass ich die EM verpasse, meinte sie, dass das der schönste Grund dafür ist.
Frage: Prima!
Leupolz: Leider ist das in Europa nicht überall so positiv. Ohne Unterstützung geht es nicht. Ich finde es schade, wenn Vereine Druck ausüben und sich Spielerinnen entscheiden müssen. Meine Trainerin bietet mir immer an, den Kleinen mit zum Training zu bringen, weil er eine Bereicherung sei. Aber ich nehme ihn selten zu Spielen mit, weil ich den Fokus dann auf Fußball möchte
Frage: Was wäre Ihr Wunsch?
Leupolz: Ich hoffe auf mehr Offenheit der Vereine. Man kann stärker zurückkommen. Man sieht es auch bei Alex Morgan, die nach der Geburt wieder eine der besten Spielerinnen der Welt ist. Um zu helfen, muss man viel und offen darüber sprechen. Als ich in meiner Schwangerschaft nach Informationen gesucht hatte, habe ich kaum etwas gefunden, weil es eben doch selten vorkommt. Ich habe mich dann viel mit anderen Müttern ausgetauscht. Almuth Schult war die erste, aber ich bin auch nach Turin zu Sara Gunnarsdottir gefahren. Sie hatte große Probleme mit Lyon wegen der Auszahlung ihres Gehalts. Sie hat mir sehr geholfen, welche Hilfe man braucht.
Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in BILD AM SONNTAG veröffentlicht.