„Istanbul wird Ziel des nächsten Erdbebens“ – 15 Millionen Menschen in Gefahr
  1. Startseite
  2. Wissen

„Istanbul wird Ziel des nächsten Erdbebens“ – 15 Millionen Menschen in Gefahr

KommentareDrucken

Erst in diesem Jahr wurde die Türkei von schweren Erdbeben erschüttert, Tausende Menschen starben. In naher Zukunft droht ein ähnlich schweres Beben in Istanbul.

Istanbul – In den vergangenen Jahren wurde die Türkei immer wieder von teils schweren Erdbeben heimgesucht. Zuletzt sorgten Erdbeben in der Südosttürkei für enorme Verwüstung – Tausende Menschen kamen ums Leben. Über mehrere Wochen hinweg waren Nachbeben zu spüren. Doch dabei soll es nicht bleiben: Expert:innen warnen bereits vor den nächsten Beben, die noch stärker werden könnten.

IstanbulStadt am Bosporus
Bevölkerung15,46 Millionen (31. Dez. 2020)
Fläche5.461 km²

Naturkatastrophe in Istanbul droht: „Marmarameer ist Ziel des nächsten Erdbebens“

Die Türkei ist ein seismisch sehr aktives Gebiet. In der sogenannten Ostanatolischen Störungszone, in der die anatolische und die arabische Platte aneinander stoßen, entstehen Spannungen in der Erdkruste, welche die vergangenen Beben in der Südosttürkei ausgelöst haben. Obwohl auch Istanbul als besonders gefährdet gilt, blieb die Stadt in den vergangenen Jahren jedoch verschont. In Zukunft könnte sich das allerdings ändern.

Wie Professor Naci Görür, Geologe an der Technischen Universität in Istanbul, im Gespräch mit der ARD erklärt, wirkt die arabische Platte vom Süden aus auf die anatolische Platte ein und schiebt sie nach Westen. Während die Auswirkungen bislang nur im Südosten der Türkei zu spüren waren, wandern sie nun jedoch immer weiter in westliche Richtung. „Das Marmarameer vor Istanbul wird deshalb das Ziel des nächsten Erdbebens sein“, warnt Görür.

Zeitpunkt des Erdbebens in Istanbul kann noch nicht genau vorhergesagt werden

Auch Professor Marco Bohnhoff vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) betont im Interview mit der Wissensplattform Erde und Umwelt (Earth System Knowledge Plattform, ESKP) der Helmholtz-Gemeinschaft, dass sich die Fachleute einig seien, dass in naher Zukunft mit einem schweren Erdbeben in der Region Istanbul zu rechnen sei. Die Frage sei also nicht, ob es zu der Katastrophe komme, sondern wann.

Einen genauen Zeitpunkt können die Experten noch nicht vorhersagen. Es sei jedoch in den nächsten zehn Jahren damit zu rechnen, spekuliert der Geologe Sükrü Ersoy von der Technischen Universtität Istanbul gegenüber dem Nahost-Thinktank Mena-Watch. Eine Stärke von 7 bis 7,5 sei möglich. Das letzte schwere Beben in der Türkei im Februar 2023 erreichte einen Wert von 7,8 und kostete 56.697 Menschen das Leben.

Im Februar wurde der Südosten der Türkei von schweren Beben erschüttert.
Im Februar wurde der Südosten der Türkei von schweren Beben erschüttert. © Boris Roessler/dpa

Sichere Bauweise sei wichtig, um Bewohner vor dem Erdbeben in Istanbul zu schützen

Obwohl Istanbul in den vergangenen Jahren verschont blieb, zeigen historische Aufzeichnungen, dass es auch hier bereits zu tödlichen Beben kam. So wurde die Stadt laut Mena-Watch in den Jahren 1509 und 1766 von schweren Erdbeben verwüstet. Inzwischen leben mehr als 15 Millionen Menschen leben in der türkischen Metropole. Um die Bewohner zu schützen, sei vor allem eine sichere Bauweise der Wohnhäuser entscheidend, so Bohnhoff vom GeoForschungsZentrum.

  • Erdbeben der letzten Jahre in der Türkei
  • 6. Februar 2023 in Elbistan mit einer Stärke von 7,5
  • 6. Februar 2023 in Gaziantep mit einer Stärke von 7,8
  • 30. Oktober 2020 im Ägäischen Meer mit einer Stärke von 7,0
  • 14. Juni 2020 in Yedisu mit einer Stärke von 5,9
  • 23. Februar 2020 im iranisch-türkischen Grenzgebiet mit einer Stärke von 5,8
  • 24. Januar 2020 in Elazığ mit einer Stärke von 6,8

„In Bezug auf die zu erwartenden Schäden macht es generell zunächst einen großen Unterschied, auf welchem Untergrund Gebäude errichtet werden. Je fester, desto besser“, erklärt der Geologe. Laut der Immobilien-Plattform immobilien-in-istanbul.de wurde bereits 2012 ein Bauprojekt beschlossen, mit dem etwa 6,5 Millionen Häuser und Wohnungen, deren Zustand als riskant eingeschätzt wurde, saniert und erdbebensicher gemacht werden sollen. Gebäude, bei denen eine Sanierung nicht möglich ist, sollen abgerissen und durch neue Bauten ersetzt werden.

Viele Häuser würden bei einem Erdbeben in Istanbul zerstört werden: „Wir sollten das ernst nehmen“

Nach Einschätzung des Geologen Ersoy seien aktuell noch rund 150.000 Gebäude nicht ausreichend gesichert und würden bei einem schweren Erdbeben zerstört werden. „Wir sollten das ernst nehmen, die Zerstörung wäre enorm“, appelliert er. Bei den schweren Beben im Februar bestand etwa der Verdacht, dass Baumängel mitunter Schuld an der massiven Verwüstung waren. Trotz der bevorstehenden Katastrophe planen jedoch die wenigsten, Istanbul zu verlassen – das ging zumindest aus einer Befragung von Mena-Watch hervor. Finanzielle und soziale Gründe würden die Bewohner an die Stadt binden.

Um den Wiederaufbau nach den jüngsten Erdbeben in der Türkei zu unterstützen, hat die EU im März ein Hilfspaket beschlossen. Deutschland steuerte nach Angaben des Auswärtigen Amts 238 Millionen Euro bei. Das stärkste Erdbeben im Jahr 2022 hat sich mit einer Stärke von 7,6 in Mexiko ereignet. (tt)

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.

Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!