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„Der Wald entwickelt sich zum Dauerpatienten“

Luftaufnahme zeigt abgestorbene Bäume in einem Waldstück bei Rottweil, Baden-Württemberg Luftaufnahme zeigt abgestorbene Bäume in einem Waldstück bei Rottweil, Baden-Württemberg
Quelle: dpa/Silas Stein
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Die Bäume in Deutschland leiden unter Dürre, hohen Temperaturen und Parasiten. Laut einem aktuellen Bericht zum Zustand des Waldes 2023 sind 36 Prozent deutlich geschädigt. Dabei werde gesunder Wald dringend gebraucht – auch als „Klimaanlage“, sagte Bundesminister Cem Özdemir.

Trockenheit, Hitze, Schäden durch Käfer: Die deutschen Wälder stehen weiter unter hohem Klimastress. Bei den häufigsten Arten Fichte, Kiefer, Buche und Eiche sind vier von fünf Bäumen krank, wie eine am Montag vorgestellte Erhebung des Bundesagrarministeriums für 2023 ergab. „Der Wald entwickelt sich zum Dauerpatienten“, sagte Ressortchef Cem Özdemir (Grüne) in Berlin. Nötig sei „eine Langzeitkur“, um zu mehr Mischwäldern zu kommen. Auch Umweltverbände und Waldeigentümer dringen auf einen Umbau zu widerstandsfähigeren Forsten.

Die Wälder seien „massiv von der Klimakrise getroffen“, sagte Özdemir. Auch wenn es zuletzt mehr Regen über den Winter gegeben habe, bleibe die Tendenz: „Es geht unserem deutschen Wald nicht gut.“ Noch immer sind viele Bäume demnach auch von trockenen Jahren seit 2018 geschwächt.

Dabei werde gesunder Wald dringend gebraucht – auch als „Klimaanlage“, wenn Bäume Kohlenstoff im Holz binden, sagte der Bundesminister. Daneben seien Wälder mit ihren Tieren, Farnen und Moosen Horte der Artenvielfalt, Orte zum Spazierengehen und der Ruhe – und Arbeitsplatz für viele Menschen. Wald bedeckt rund ein Drittel der gesamten Fläche Deutschlands.

„Insgesamt befinden sich die Schäden weiterhin auf einem sehr hohen Niveau“, heißt es in der neuen Erhebung für 2023. Im Vergleich zu 2022 hätten sich „keine deutlichen Verbesserungen des Waldzustands eingestellt, aber auch keine deutlichen Verschlechterungen“.

Die jährliche Untersuchung wird seit 1984 von den Ländern über ein Netz von Stichproben vorgenommen. Dabei wird jeweils von Mitte Juli bis Mitte August die Blattmasse der Kronen taxiert und vier „Schadstufen“ zugeordnet. Diesmal waren es 9688 Bäume an 402 Punkten. Das bundeseigene Thünen-Institut rechnet die Daten dann zu einem deutschlandweiten Ergebnis hoch.

36 Prozent deutlich geschädigt

Wie dicht Laub oder Nadeln sind, gilt als ein Indikator für den Gesundheitszustand. Und die neuen Befunde zeigten nur geringe Änderungen. „Deutliche“ Schäden zeigten sich demnach im vergangenen Jahr über alle Arten hinweg 36 Prozent der Bäume – nach 35 Prozent im Jahr 2022. Bei ihnen war verglichen mit gesunden Bäumen schon mehr als ein Viertel der Krone kahl. Zur „Warnstufe“ mit einer schwachen Kronenverlichtung von 11 bis 25 Prozent gehörten weiterhin 44 Prozent der Bäume. Volle Kronen hatten noch 20 Prozent, nach zuvor 21 Prozent.

Vor allem ältere Bäume über 60 Jahre seien von Schaderscheinungen betroffen, doch auch bei den jüngeren Bäumen zeige sich ein negativer Trend, heißt es in der Erhebung. Besonders im Blick stehen vier Hauptarten, die zusammen drei Viertel aller Bäume ausmachen. Nur bei Kiefern wurden nun leichte Verbesserungen festgestellt – der Anteil mit deutlichen Schäden sank von 28 Prozent auf 24 Prozent. Bei Fichten stieg er um drei Prozentpunkte auf 43 Prozent, bei Buchen um einen Punkt auf 46 Prozent und bei Eichen um vier Prozentpunkte auf 44 Prozent.

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Den Wald besser für den Klimawandel zu wappnen, sei ein Generationenprojekt, machte Özdemir klar – und Waldbesitzer sollten bei dieser „Mammutaufgabe“ nicht allein gelassen werden. In diesem Jahr seien daher 250 Millionen Euro an Förderung vorgesehen.

Generell geht es vor allem darum, Monokulturen in gemischte Wälder zu verwandeln und so Risiken zu verringern. Sie seien stabiler und weniger anfällig, erläuterte Expertin Nicole Wellbrock vom Thünen-Institut. Unter anderem könne das Nährstoffangebot im Boden durch verschiedene Wurzeltiefen besser genutzt werden. Bei Monokulturen könnten sich etwa Borkenkäfer schnell hindurchfressen.

Nadel- und Laubbäume in einem Waldstück bei Rottweil, Baden-Württemberg
Die Schäden sind in diesem Waldstück bei Rottweil, Baden-Württemberg, nicht zu übersehen
Quelle: dpa/Silas Stein
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Özdemir bereitet eine Reform des fast 50 Jahre alten Bundeswaldgesetzes vor, die mehr Klimaschutz mit wirtschaftlichen Perspektiven für Waldbesitzer vereinen soll. FDP-Fraktionsvize Carina Konrad sagte, der Wald sei ein Patient, der dringend Hilfe benötige: „Ihn sich selbst zu überlassen, wäre eine unterlassene Hilfeleistung.“ Dafür gelte es, Waldbauern mehr Freiraum zu geben. Ein resilienter Wald müsse auch nichtheimische Baumarten integrieren, denn nicht alle einheimischen könnten zunehmenden Extremwetterlagen standhalten.

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Die Umweltschutzorganisation WWF monierte hingegen, zentraler Grund der Misere sei, dass der Wald jahrzehntelang vor allem als schneller Holzlieferant gesehen worden sei. Greenpeace erklärte, Özdemir habe die historische Chance, das bestehende „Abholz-Gesetz“ in ein „Waldschutz-Gesetz“ umzuwandeln.

Der Naturschutzbund forderte „zeitgemäße Vorgaben“ etwa für ein Kahlschlagverbot und ein Entwässerungsverbot. Der Verband der Waldeigentümer erklärte, dass nicht die rechtlichen Bedingungen Ursache der Schäden seien, sondern der Klimawandel. Es brauche keine zusätzliche Regulierung, die den notwendigen Waldumbau lähme.

Die Temperatur in Deutschland ist nach Berechnungen des Deutschen Wetterdienstes seit der vorindustriellen Zeit um 1880 statistisch gesichert um 1,6 Grad gestiegen. Die fünf wärmsten Jahre seitdem waren nach dem Jahr 2000. Die Temperaturen hierzulande sind damit deutlich stärker gestiegen als im weltweiten Durchschnitt (etwa 1,2 Grad).

dpa, sk

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