What The Bleep Do We Know - Die Filmstarts-Kritik auf FILMSTARTS.de
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    What The Bleep Do We Know
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    What The Bleep Do We Know
    Von Carsten Baumgardt

    Wie funktioniert die Realität? Wer erschafft sie? Was sind Gedanken? Wo kommen sie her? Diesen spannenden Fragen widmet sich der Dokumentarfilm „What The Bleep Do We Know“. Doch nach einem faszinierenden Auftakt steigert sich der Film in eine hochmanipulative, undifferenzierte New-Age-Meditation, in der das Regietrio William Arntz, Betsy Chasse und Mark Vicente versucht, das Publikum mit fragwürdigem Gedankengut einzuseifen.

    Die Erfolgsgeschichte von „What The #$*! Do We Know?!“ ist bemerkenswert. In den USA mauserte sich der Film trotz überwiegend schlechter Kritiken mit einem Einspiel von 11 Millionen Dollar zu einem der erfolgreichsten Dokumentarfilme. Durch Mundpropaganda in gewissen Kreisen entwickelte sich das Werk zum Sleeperhit. Doch was ist dran an „What The Bleep Do We Know”? Warum ist der Film so erfolgreich? Die Frage ist relativ einfach zu beantworten. Sicherlich nicht, weil die Qualität herausragend ist, denn das ist sie nicht. Die Doku transportiert Werte und Weltansichten der New-Age-Anhänger, verbreitet deren Theorien und rekrutiert somit sein Publikum aus dieser Schicht. Daran wäre auch nichts verwerflich, wenn die Regisseure mit offenen Karten spielen würden. Doch das tun sie nicht.

    14 zunächst nicht näher definierte oder benannte Experten aus den Gebieten der Quanten-Physik, Philosophie, Neurowissenschaft und Biologie berichten von ihren Theorien zum Sinn des Lebens und stellen einige interessante und verblüffende Thesen auf. Was ist Realität? Das, was wir durch unsere Augen sehen oder das, was in unserem Gedächtnis abläuft? These: Es gibt mehrere mögliche Realitäten und wir wählen schließlich eine aus. Beispiel im Film: Eine Frau steht auf einem Basketballfeld mit dem Rücken zu einem Jungen gewandt, der einen Ball auf die Erde prallen lässt. In ihrer Vorstellung kann sich das Kind hinter ihr auf vielen verschiedenen Positionen tatsächlich befinden – mehrere mögliche Realitäten also. Doch erst als sie sich umdreht, manifestiert sie eine Position und somit die Realität des Jungen. Zweite interessante These: Ein Gegenstand kann an zwei verschiedenen Orten gleichzeitig sein, was wissenschaftliche Studien bewiesen hätten. Doch genau an dieser Stelle setzt das Übel von „What The Bleep Do We Know“ ein.

    Das Ergebnis dieser bahnbrechenden, faszinierenden These sei - auch wenn die Objekte in dem Versuch mikroskopisch klein waren - selbst für das menschliche Auge erkennbar. Nur: Warum zeigen Arntz, Chasse und Vicente dies dem Publikum nicht? Ein Beweis wäre theoretisch erbringbar, aber er wird vorenthalten. Stattdessen mischen die Filmemacher nun unter die Statements der Wissenschaftler eine äußerst unsinnige, spannungsfreie und dilettantisch vorgetragene Spielfilmhandlung um eine depressive, gehörlose Fotografin, gespielt von Marlee Matlin („Gottes vergessene Kinder“). Kurios ist dabei, dass sich die hochtalentierte Matlin auf das Niveau einer Laiendarstellerin begibt und nicht schauspielert, sondern eher tumbe symbolische Akte vollzieht. Dazu ist das Regietrio schlecht beraten, den Film mit Animationen auf Kinderfernsehniveau anzureichern. Da wabern lustig anzuschauende Zellstrukturen zu Robert Palmers „Addicted to love“ über die Leinwand. Bei der ZDF-Kindernachrichtensendung „Logo“ hätte dies sicherlich seine Berechtigung, aber in einem Film, der ernsthaft herausragende wissenschaftliche Thesen vermitteln will, ist diese Form völlig deplatziert und kontraproduktiv. Die Filmemacher ruinieren sich ihren ernsthaften Anspruch, den sie sich zu Beginn der Dokumentation erworben haben.

    Was aber noch wesentlich schwerer wiegt, ist die Tatsache, dass die wissenschaftlichen Theorien immer mehr in den Hintergrund gedrängt werden und sich nach und nach New-Age-Weisheiten ans Licht schleichen, bis sie schließlich den kompletten Film dominieren und das Geschehen zu einem unappetitlichen Esoterikbrei verkommt. Bei einem genaueren Blick auf die Hintergründe wird klar, was hier passiert. Nach Ende des Werks werden die interviewten Personen namentlich und in ihrer Funktion vorgestellt. Dort taucht auch das selbsternannte Medium JZ Knight auf. Die Frau rühmt sich damit, ein 35.000 Jahre altes Wesen namens Ramtha „gechannelt“, sprich Kontakt zu ihm aufgenommen zu haben. Dieser Krieger hat zwar, wie sich herausgestellt hat, nichts mit der Ramtha-Sekte zu tun, was den Produzenten in den USA vorgeworfen wurde, aber der unangenehme Stallgeruch bleibt trotzdem haften, obwohl sich Knight von der Ramtha-Sekte distanziert. Dazu haben auch alle drei Regisseure JZ Knights „Schule der Erleuchtung“ durchlaufen. Ebenso fragwürdig ist die Person des Wissenschaftlers Jeffrey Satinovers, der in einem seiner Bücher („Homosexuality and the politics of truth“) Homosexualität als eine von vielen Formen seelischer Krankheit definiert. Dabei gilt Homosexualität selbst in den USA seit 1973 nicht mehr als Krankheit. Das gibt „What The Bleep Do We Know“ einen weiteren äußerst bitteren Beigeschmack, an dem viele Zuschauer zu würgen haben werden. Auch der Rest der Wissenschaftlercrew weist Querverweise zu Themen wie Spiritualität und Religion auf, was die Seriosität und Glaubwürdigkeit des Personals in einem merkwürdigen Licht stehen lässt.

    Ganz abgesehen von den fragwürdigen Hintergründen funktioniert „What The Bleep Do We Know“ als Film einfach nicht richtig. Die Rahmenhandlung entwickelt keine Energie, bremst den wissenschaftlichen Unterbau aus und sorgt für viel Leerlauf. Was am Ende bleibt, sind weniger Antworten auf die anfangs angerissenen spannenden Fragen, sondern lediglich simple New-Age-Phrasen, die aber kaum mehr wissenschaftlich belegt werden können - was das eigentliche Anliegen nach der Exposition war. Somit ist „What The Bleep Do We Know“ einem breiteren Publikum in letzter Konsequenz nicht zu empfehlen. Wer sich für die New-Age-Lehre [1] interessiert, ist hier sehr gut aufgehoben und wird an dem Film seine Freude haben. Die proklamierte Allgemeingültigkeit kann die Dokumentation allerdings nicht nachweisen. Dennoch: Der Film gibt zwar keine befriedigenden Antworten, aber wenigstens hat das Werk erreicht, dass die Besucher über die Fragen der Realität und den Sinn des Lebens nachdenken. Denn die Frage „What The Fuck Do We Know?“ ist natürlich berechtigt... Nur leider bedarf es für ein Publikum abseits der New-Age-Jüngerschaft neutralerer Lösungsansätze.

    Glossar:

    [1] New Age (engl. "Neues Zeitalter") ist eine breite weltanschauliche Bewegung innerhalb der westlichen Kultur, die sich als Alternative zur aus der Aufklärung gewachsenen Moderne und zur christlichen Religion versteht. Vor dem Hintergrund angeblich fortschreitender Ausbeutung von Natur und Mensch wird ein Paradigmenwechsel angekündigt (Wassermannzeitalter): die Überwindung der Subjekt-Objekt-Spaltung und eine neue Ganzheitlichkeit von Leben und Wahrnehmung.

    Quelle: www.wikipedia.de

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