Ben Becker im Interview: „Ich schäme mich für die Verdummung im TV“

Klartext beim KURIER

Ben Becker im Interview: „Ich schäme mich für die Verdummung im TV“

Ben Becker spricht im Interview mit dem Berliner KURIER über Verlustängste, den Glauben an Gott und seine Hassliebe für Trash-TV-Formate.

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Ben Becker ist dafür bekannt, dass er sagt, was er denkt.
Ben Becker ist dafür bekannt, dass er sagt, was er denkt.Sven Simon/Imago

Es ist mal wieder kein leichter Stoff, den sich Ben Becker (59) da für sein neues Bühnenprogramm ausgesucht hat. Seit fast zehn Jahren tritt der Schauspieler immer mal wieder mit seinem Ein-Mann-Stück „Ich, Judas“ in Deutschland auf – der Erfolg will es so, dass Becker diese Rolle einfach nicht loslassen kann und will. Jetzt bringt Ben Becker das „Todesduell“ auf die Bühne, eine Predigt des englischen Schriftstellers John Donne aus dem 17. Jahrhundert. Und wieder ist es Becker alleine, der vorne steht und mit tiefer Stimme die Predigt liest, während er nur von Organist Andreas Sieling begleitet wird. Mehr braucht es aber auch gar nicht, um die Zuschauer für einen Abend in seinen Bann zu ziehen. Premiere feiert Ben Beckers „Todesduell“ am 1. November 2024 im Berliner Dom.

So schwer die Thematik seines neuen Stückes auf den ersten Blick auch ist – als wir Ben Becker zum Interview treffen, nimmt das Gespräch plötzlich eine unerwartet lustige Wendung.

Ben Becker: Mehr Angst vor dem Verlust als vor dem Tod

Herr Becker, warum haben Sie sich für Ihr neues Bühnenprogramm die Predigt von John Donne ausgesucht?

Mich hat zum einen dieser Text interessiert, weil er von einer unfassbaren Schönheit ist und auf eine zarte Art und Weise gewaltig daherkommt. Außerdem wollte ich etwas machen, das uns alle angeht: die Angst vor dem Tod. Der Tod ist ja nun mal allgegenwärtig. Heute habe ich mit dem Thema mehr Berührung als mit Anfang 20. John Donne schafft es, mit dieser Predigt mir die Angst vor dem Übergang in diese große Unbekannte zu nehmen.

Ben Becker beim Presseevent für „Todesduell“ im Berliner Dom
Ben Becker beim Presseevent für „Todesduell“ im Berliner DomFunke Foto Services/Imago

Haben Sie keine Angst vor dem Tod?

Doch, sicher. Aber man hat eher Angst, etwas zu verpassen. Mir würde es jetzt nicht gefallen, wenn ich plötzlich vom Bus überfahren werde. Ich habe noch viel vor im Leben und möchte noch eine Menge Geschichten erzählen. Aber ich genieße auch das Leben und habe es bis hierher bereits in vollen Zügen genossen. Es war alles sehr schön und davon möchte ich noch ein bisschen was mitnehmen. Wir wissen ja nicht, wie es sein wird, aber sich ohne Angst hinzugeben und loszulassen, das kann nicht so schlimm sein, denke ich.

Was ich mehr habe als die Angst vor dem Tod, sind Verlustängste. In erster Linie denke ich da immer an meinen verstorbenen Ziehpapa (Anm. d. Red.: Schauspieler Otto Sander), der mir sehr fehlt, aber der auch immer bei mir ist.

Wie macht sich das bemerkbar?

Ich merke, dass ich ihm immer ähnlicher werde und ertappe mich dabei, dass ich viel von ihm übernommen habe.

Ben Becker mit seinem Ziehvater Otto Sander im Jahr 2006 – Ben Beckers Mutter <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Monika_Hansen">Monika Hansen</a>&nbsp;war mit Otto Sander verheiratet.
Ben Becker mit seinem Ziehvater Otto Sander im Jahr 2006 – Ben Beckers Mutter Monika Hansen war mit Otto Sander verheiratet.Sven Simon/Imago

Hilft Ihnen Ihr Glaube, mit der Angst vor dem Tod und dem Verlust umzugehen?

Die Beschäftigung und die Auseinandersetzung mit etwas, das wir nicht kennen, hilft mir. Ich glaube daran, dass es diese große Unbekannte gibt. Ich glaube aber nicht zwingend, dass da oben jemand sitzt, der auf uns runterguckt und alles leitet. Das ist nicht meine Auffassung von Gott. Für mich ist Gott etwas Unbegreifliches, wie das All. Unsere Vorstellungskraft endet mit der Unendlichkeit. Der Glaube ist für mich nicht greifbar. In dem Moment, in dem ich mich dem Glauben hingeben würde, gebe ich alles Weltliche aus der Hand – und das kann und möchte ich nicht. Im Theater muss man wissen, wo der Feuerlöscher steht. Wenn ich aber in die Kirche gehe, hängt da ein Mensch, den man auf brutalste Weise geschlachtet und ans Kreuz gehängt hat – Jesus. Ihm sage ich Guten Tag und mit ihm rede ich.

Trash-TV gucken, aber bitte nicht machen!

Zu Ostern hat RTL „Die Passion“ ausgestrahlt, haben Sie die Show gesehen?

Um Gottes willen! Ich finde, das geht nicht, und ich halte es nahezu für blasphemisch. Ich glaube nicht, dass man damit die jungen Leute anspricht. Das ist eine Art von Verdummung, die da herrscht, für die ich mich schäme und die mich traurig macht. Ich frage mich, warum läuft auf RTL nur so ein Trash? Ich weiß nicht, wie ein intelligenter Programmdirektor so etwas verantworten kann. Warum macht der nicht was Vernünftiges? Ich setze mich ja auch mit ernsthaften Themen auseinander und freue mich, wenn Leute das hören wollen.

Das heißt, Sie gucken solche Formate gar nicht?

Ich gebe zu, ich selbst gucke auch gerne Trash. Ich schäme mich gerne fremd. Wenn ich nicht ernsthaft beschäftigt bin, darf ich keinen Fernseher bei mir haben. Ich gucke dann nur Schrott-Formate und bin fassungslos darüber. Ich erfreue mich daran, wie auch alle anderen Zuschauer, aber ich lebe nicht danach.

Wurden Sie mal für ein Trash-Format angefragt?

Ja, fürs Dschungelcamp. Wir haben auch verhandelt. Ich habe aus Spaß gesagt, ich will eine Million. Da haben sie gesagt: „Ja, ist okay.“ So eine hohe Gage gab es bisher noch nicht. Ich hatte auch einen Plan. Ich wollte mir wie Tarzan einen Lendenschurz anlegen, mich mit einer Stange Marlboro auf einen Baum legen und nicht mit den anderen Kandidaten reden, sondern sie nur angrunzen. Und wenn die mich zur Dschungelprüfung wählen, hätte ich Sonja Zietlow gefragt: „Habt ihr ’ne Macke? Ihr könnt mich mal am Ar... lecken, so einen Scheiß mache ich nicht.“ Dann hätte ich mich wieder umgedreht. Ich halte die Zuschauer für so intelligent, dass sie meinen Plan gecheckt hätten. Dann hätten sie mich immer wieder in die Prüfung gewählt, damit alle anderen nichts zu essen kriegen und mich hassen. Ich rede mit keinem, rauche meine Zigaretten und werde mit der Nummer auch noch Dschungelkönig. Das war mein Plan. Aber dann kam meine Agentur und meinte, sie arbeiten nicht mehr mit mir zusammen, wenn ich das unterschreibe, also habe ich mich dagegen entschieden. (lacht)

Schade, das hätten sicherlich gerne viele gesehen.

Das glaube ich auch. Aber ich mache das nicht. Ich lache gerne und bin jemand, der in solch ein Format geht, um ein Kuckucksei zu legen. Aber ich werde bald 60. Für diesen Blödsinn ist mir meine Zeit zu wertvoll. Mit 25 hätte ich tierisch gelacht, dass ich die ganze Nation an der Nase herumgeführt habe. Heute lese ich lieber gute Literatur.

Große Party zum 60. Geburtstag in Berlin?

Freuen Sie sich auf Ihren 60. Geburtstag?

Mittlerweile schon. Ich war gerade bei meiner Mutter, die ist 82 geworden. Die Leute, die zu Gast waren, kenne ich, seitdem ich ein Knirps bin. Und plötzlich sitze ich auch da und jammere über mein Knie, das ist schon merkwürdig. Aber irgendwann habe ich begriffen, dass ich nicht mehr wie meine Tochter 24 bin. Das muss man realistisch sehen. Von daher sage ich: „60, jawohl, weiter geht’s!“

Werden Sie groß feiern?

Ich weiß es noch nicht. Es war immer mein Plan, groß zu feiern. Aber vielleicht gehe ich auch an mein Hochbeet und ernte ein paar Radieschen. Also, ich habe mich noch nicht entschieden. (lacht)

Sie wohnen nach wie vor in Berlin?

Ich war lange aus Berlin raus, war in Stuttgart, in Hamburg und bin 1993 zurück nach Berlin gekommen. Ich habe lange in Mitte gewohnt, jetzt bin ich wieder in Charlottenburg. Ich merke langsam, dass mich das Hochbeet mehr interessiert und es mich raus aus der Stadt zieht, wo es etwas gemütlicher ist. Aber ich werde Berlin natürlich immer treu bleiben.

Hat sich Berlin für Sie stark verändert?

Ja, sehr. Die Stadt hat so ein Tempo bekommen, da komme ich nicht mehr mit. Das ist mir manchmal zu viel.

Ben Becker mit seiner Tochter Lilith Becker im Jahr 2020
Ben Becker mit seiner Tochter Lilith Becker im Jahr 2020T. Bartilla/Future Image/Imago

Sie haben eben Ihre Tochter Lilith erwähnt. Sie wohnt nicht wie ihre Eltern in Berlin, richtig?

Ich bin sehr stolz auf meine Tochter. Sie lebt in Mailand und studiert Mode. Sie ist Klassenbeste und wird in diesem Jahr fertig. Ich hoffe, wenn ich in Rente gehe, wird sie mich dann aushalten. Es sieht ganz danach aus. (lacht)

Ben Becker und das „Todesduell“ können Sie nach der Berlin-Premiere auch hier sehen:

22. und 23. November 2024: Düsseldorf, Johanneskirche

4. Dezember 2024: München, Prinzregententheater

14. Dezember 2024: Bremen, Die Glocke

31. Januar und 1. Februar 2025: Bochum, Christuskirche

7. und 8. Februar 2025: Hamburg, St.-Michaelis-Kirche

12. Februar 2025: Potsdam, Nikolaisaal ■