Der Soldat von Oranien - Die Filmstarts-Kritik auf FILMSTARTS.de
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    Der Soldat von Oranien
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Der Soldat von Oranien
    Von René Malgo

    Deutschlands internationale Prestigewerke sind Das Boot und Der Untergang. Jeweils Kriegsfilme. Aus selbem Genre kommt auch der Vorzeigefilm eines kleinen Nachbarlandes unter dem Meeresspiegel. Es ist „Der Soldat von Oranien“, Paul Verhoevens erfolgreiches, niederländisches Kriegsepos.

    „Der Soldat von Oranien“ schildert das Leben während des Zweiten Weltkriegs am Beispiel einiger befreundeten Studenten in den Niederlanden. Im Mittelpunkt stehen die beiden Freunde Eric (Rutger Hauer) und Guus (Jeroen Krabbé). Sie schließen sich dem Widerstand an. Doch nicht jeder kämpft dort mit. Einige versuchen sich raus zu halten, andere verbrüdern sich mit den Nazis und wieder andere kommen gewaltsam unter die Räder. Nach einer Razzia verlieren sich Eric und Guus aus den Augen. Als der Boden für Eric zu heiß wird, schickt ihn die Widerstandsbewegung nach England. Dort trifft er auf Königin Wilhelmina (Andrea Domburg) und bekommt den Auftrag, noch einmal in das besetzte Königreich zurückzukehren…

    Mit „Der Soldat von Oranien“ wurde Regisseur Paul Verhoeven (Basic Instinct, Starship Troopers) international bekannt und konnte so auch sein Ticket nach Hollywood lösen. Gleiches gilt für die beiden Hauptdarsteller Rutger Hauer (Batman Begins, Blade Runner) und Jeroen Krabbé (Auf der Flucht, "Ocean´s Twelve"). „Der Soldat von Oranien“ kam zwar nicht in die engere Auswahl der oscarnominierten, besten ausländischen Filme, erhielt stattdessen 1980 aber eine Nominierung bei den Golden Globes in jener Kategorie. Wie auch immer, hierzulande taucht das Werk gelegentlich stark gekürzt im Fernsehen auf. Dabei zählt das Werk zu den besten Antikriegsepen überhaupt.

    Die niederländische Filmindustrie besteht hauptsächlich aus der Produktion von mehr oder weniger unsäglichen Komödien und Kriegsfilmchen. Sie unterscheidet sich – abgesehen von größerer Erfolglosigkeit – also nicht so grundlegend von der deutschen. Kein Wunder also, dass der niederländische Paradevertreter aus der Sparte der Kriegsfilme kommt. Noch vor Das Boot kreierte Paul Verhoeven ein einmaliges Epos über den Zweiten Weltkrieg, das bis heute neben seinem Melodram „Türkische Früchte“ weitgehend als bester niederländischer Film gilt. Bislang ist „Der Soldat von Oranien“ auch die teuerste, niederländische Produktion und kostete seinerzeit rund fünf Millionen Gulden. Sie entstand unter der Schirmherrschaft des in den Niederlanden bekannten und erfolgreichen Filmproduzenten Rob Houwer, zu vergleichen mit Bernd Eichinger in Deutschland.

    „Der Soldat von Oranien“ beruht auf dem autobiographischen Roman von Erik Hazelhoff Roelfzema, „Soldaat van Oranje 1940 - 1945“. Die Eröffnungssequenz setzt bei der Rückkehr Königin Wilhelminas aus dem englischen Exil an und besteht aus Archivbildern und nachgestellten Szenen, wo einmal die reale Königin Wilhelmina und ihr Adjutant Erik Hazelhoff Roelfzema und einmal Andrea Domburg als Königin Wilhelmina und Rutger Hauer als Eric, inspiriert durch die Person des Roelfzema, zu sehen sind. Realität und Fiktion lassen sich nicht unterscheiden. So verhält es sich mit dem gesamten Film. Obgleich in Teilen Fiktion wirkt das epische Drama über den Zweiten Weltkrieg aus niederländischer Sicht stets glaubwürdig und authentisch.

    Eigentlich sollte Derek de Lint die Hauptfigur Eric Lanshof mimen. Doch Paul Verhoeven war nie ganz zufrieden mit den Versuchen von de Lint. Also sprach Rutger Hauer vor, mit dem Verhoeven schon in der Fernsehserie „Floris“ und dem Film „Türkische Früchte“ erfolgreich zusammengearbeitet hatte. Hauer gelang bei Vorsprechen eine überraschend starke Interpretation der Rolle, sodass er den Part bekam. Eigentlich meinte Verhoeven, dass Hauer nicht der Richtige wäre, den Film als Hauptdarsteller zu tragen. Die Rollen wechselten und Derek de Lint wurde Alex, einer der Studentenfreunde von Eric, welcher der deutschen Wehrmacht beitritt. Der Rollentausch erweist sich als gute Entscheidung, denn Hauer vermag es sehr wohl, das Epos zu tragen und überzeugt auf ganzer Linie.

    Der Cast von „Der Soldat von Oranien“ kann sich sehen lassen. Neben dem überzeugenden Rutger Hauer kommt Jeroen Krabbé die zweite tragende Rolle als selbstgefälliger, aber integerer Altstudent aus gutem Hause zu. Seine Performance ist genauso eindrücklich wie die von Hauer. Der Rest des Ensembles fällt nicht ab, wobei Edward Fox („Was vom Tage übrig blieb“, Stage Beauty) der einzige international bekannte Akteur sein dürfte und einen britischen Offizier darstellt. Jede weitere Rolle wurde adäquat mit den richtigen Akteuren besetzt. Die Deutschen sind wirklich Deutsche und die Briten wirklich Briten. Einprägsame Gesichter und überhaupt starke Leistungen eines jeden Nebendarstellers machen es dem Betrachter nicht schwer, die vielen verschiedenen Figuranten in den Kriegswirren auseinander zu halten.

    Auch in anderen Belangen kann „Der Soldat von Oranien“ internationales Format vorweisen. Die Klasse von Paul Verhoeven steht trotz einiger beispielloser Flops („Showgirls“, „Hollow Man“) noch immer außer Frage und bei „Der Soldat von Oranien“ stellt er sie eindrucksvoll unter Beweis. Kameramann Jost Vacano (Starship Troopers) zeichnet sich für die außergewöhnliche, atmosphärische Fotografie verantwortlich und hinterließ genügend Eindruck, um später die Kamera bei dem deutschen Filmepos zu führen: Das Boot, bezeichnender Weise auch ein Werk über den Zweiten Weltkrieg. Wie von Verhoeven gewohnt, gibt es einige – wenn auch verhältnismäßig wenige – drastische Bilder zu bestaunen und dazu besticht das Kriegsepos durch sein hohes Tempo. Dieses schließt inhaltliche Tiefe und epische Breite aber keineswegs aus. Im Gegenteil. Da Verhoeven sein Fach versteht, weiß er, wie in wenig Zeit viele Facetten abgedeckt und inhaltlicher Tiefe genüge getan werden können.

    Die epische Breite und der Anspruch von „Der Soldat von Oranien“ sind aber auch ein Verdienst der Drehbuchautoren, unter ihnen Paul Verhoeven selbst. Tiefsinnige, teils humorvolle Dialoge und ein erstaunlich gut funktionierender Spannungsbogen zeichnen das Epos aus. Zuweilen funktioniert das Kriegsdrama gar als richtiger Thriller. „Der Soldat von Oranien“ deckt nahezu alle Punkte ab, die einem im Zusammenhang mit den Niederlanden und Zweiter Weltkrieg einfallen. Der Blick, den das Werk auf die eigene Vergangenheit zulässt, ist ungeschönt und differenziert. Genauso unverblümt wird thematisiert, wie viele Holländer mit den Deutschen zusammengearbeitet haben, wie leger die Stimmung vor dem Krieg war und wie schnell er für die Niederlande überhaupt verloren ging.

    „Der Soldat von Oranien“ endet mit dem Anfang: die Rückkehr der Königin in die Niederlande. Es ist ein Happy End. Das Volk feiert, überall wehen orangefarbene und niederländische Fahnen. Doch ein bitterer Nachgeschmack bleibt. Eric ist einer der Überlebenden. Vor dem Krieg lebten er und seine Studentenfreunde in fröhlicher Gemeinsamkeit, dies wurde in einem Foto festgehalten. Als er nach dem Krieg einen Blick auf jenes Foto wirft, sind viele gestorben und einige zu „Vaterlandsverrätern“ geworden. Letzteres ist ein sehr heikles Thema in den Niederlanden, doch auch damit geht der Film kritisch um. Es wird aufgezeigt, dass manch einer keine andere Wahl hatte, wobei aber „Der Soldat von Oranien“ niemals versucht, irgendwelche Taten zu rechtfertigen. Überhaupt bezieht das Werk erstaunlich wenig Stellung. Das Bild bleibt fast dokumentarisch, der patriotische Ansatz klingt nur leise und wenn, dann auch angebracht durch. Natürlich ist klar, wem und welcher „Seite“ die Sympathien gehören, alles andere wäre auch verwunderlich und unvertretbar. Aber auf Schwarz-Weiß-Malerei wird verzichtet und der Holländer, der der Wehrmacht betritt, ist genauso sympathisch charakterisiert, wie der (also der Held), welcher sich dem Widerstand anschließt.

    Weitere Pluspunkte verbucht „Der Soldat von Oranien“ – fast ausschließlich an originalen Schauplätzen gedreht – in der international konkurrenzfähigen Ausstattung. Kostümdesign und die diversen Bauten lassen keine Wünsche übrig. Auch da genügt das Antikriegsepos höchsten Standards und erreicht locker Hollywoodniveau. Gleiches gilt für die Musik von Rogier van Otterloo, der den damals typischen Soundtrack für Kriegsepen liefert, allerdings mit eigenen Variationen und einem eingängigen, sehr passenden Titelthema.

    „Der Soldat von Oranien“, wenngleich kein Produkt aus der Traumfabrik, darf sich getrost zu den Meisterwerken und Klassikern des Genres zählen. Er erfüllt alle Genrekriterien und jegliche Ansprüche, die gestellt werden könnten. Starke Darsteller füllen profilierte Charaktere aus und die epische Breite ist genauso gewährleistet wie inhaltliche Tiefe. Obendrein ist das Ganze überaus spannend, gelegentlich humorvoll, auch ziemlich tragisch und trotz der Länge von 153 Minuten äußerst kurzweilig. Was also will der Cineast mehr?

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