Nicht von dieser Welt: Stockhausens Opernzyklus »Licht« - Elbphilharmonie Mediathek
Sirius A und B / artwork

Nicht von dieser Welt: Stockhausens Opernzyklus »Licht«

Der große Wurf eines Neudenkers – der längste Opernzyklus der Musikgeschichte

Karlheinz Stockhausen (1928-2007), dem beim Musikfest Hamburg 2018 ein besonderer Schwerpunkt gewidmet wurde, war nicht nur einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts, sondern auch ein Exzentriker der besonderen Art. Unter anderem war er der Überzeugung, er stamme vom Planeten Sirius ...

Karlheinz Stockhausen in der Laeiszhalle Karlheinz Stockhausen in der Laeiszhalle © Sören Stache

»Ich bin auf Sirius ausgebildet worden und will dort auch wieder hin, obwohl ich derzeit noch in Kürten bei Köln wohne. Auf Sirius ist es sehr geistig. Zwischen Konzeption und Realisation vergeht fast keine Zeit. Was man hier als Publikum kennt, passive Beisitzer, gibt es dort gar nicht. Da ist jeder kreativ.«

Karlheinz Stockhausen

Licht – Die sieben Tage der Woche

Ebenso wenig von dieser Welt ist sein epischer Opernzyklus »Licht«, an dem er von 1977 bis 2005 arbeitete. Mit einer Gesamtdauer von 29 Stunden ist das Werk der längste Opernzyklus der Musikgeschichte und ist bisher noch nie als komplettes Werk aufgeführt worden.

Wie auch schon in anderen aufwändigen Werken strebte Stockhausen mit »Licht« die Verbindung von szenischen, visuellen, raumakustischen und musikalischen Ideen zu einer Einheit an. Der siebenteilige Zyklus trägt den Untertitel »Die sieben Tage der Woche«, für jeden Wochentag gibt es eine Oper. Die sieben Tage sollen das menschliche Leben und dessen Aufteilung der Zeit durch den Menschen darstellen. Mit dem Titel »Licht« wiederum bezieht Stockhausen sich auf das Göttliche, Religiöse und Mystische, das in dem Zyklus eine bedeutende Rolle spielt. Ebenso arbeitete er aber auch autobiografische Themen mit ein.

Sirius A und B / artwork
Sirius A und B / artwork

Ein Gesamtkunstwerk

Mit diesem Zyklus setzt Stockhausen die Idee des Gesamtkunstwerks fort und stellt wie Richard Wagner mehrere Opern in einen mythologischen Zusammenhang. Den handelnden Personen ist dabei eigenes musikalisches Material zugeordnet. Bei Wagner heißen diese Melodien »Leitmotive«; Stockhausen nannte sie »Formeln«.

Von ihm stammt nicht nur die Musik, sondern auch die Texte sowie alle Vorgaben zu Mimik, Gestik und Choreographie der Protagonisten. Da jedem der Wochentage eine bestimmte Farbe zugeordnet ist, legte er außerdem die Kostüme, die zu verwendenden Symbole und die Farbskala der Lichtregie fest.

Das Urantia-Buch
Das Urantia-Buch

Die Hauptfiguren: Michael, Eva und Luzifer

Besonders inspirieren ließ sich Stockhausen für seinen Opernzyklus durch das  Urantia Buch – einer Kosmologie der Urantia Brüderschaft Chicago/USA (1955). Hierin ist Urantia der eigentliche Name des Planeten Erde und ist Teil des lokalen Universums, Nebadon, das aus 10 Millionen bewohnten Welten besteht.

Für die drei Hauptfiguren von »Licht«, dienten die Figuren des Urantia-Buchs als Grundlage. Hier ist Michael Schöpfer und Herrscher Nebadons (lokales Universum), Sohn des Erschaffers, der schließlich zu Jesus Christus wird, um die Rebellion des Antagonisten Luzifers zu überwinden. Eva steht für die Erneuerung und Rekreation der menschlichen Rasse.  

Michael

Symbolisiert das Gute, Schöpferische, Kraft der Entwicklung (Stimmlage: Tenor, Instrument: Trompete)

Eva

Symbolisiert die Geburt (Stimmlage: Sopran, Instrument: Bassetthorn)

Luzifer

Symbolisiert das Böse, Zerstörerische (Stimmlage: Bass, Instrument: Posaune)

Donnerstag aus »Licht«

Die Oper Donnerstag besteht insgesamt aus drei Akten, einem Gruß und einem Abschied. Sie entstand zwischen 1978 und 1980 und dauert insgesamt ca. 6 Stunden. Die Uraufführung fand am 15. März und 3. April 1981 in Mailand statt und zuletzt war sie 2016 am Theater Basel zu erleben. Beim Hamburger Musikfest wird nun der Dritte Akt (Michaels Heimkehr), der Gruß und der Abschied aufgeführt.

Donnerstag aus Licht / Theater Basel
Donnerstag aus Licht / Theater Basel © Sandra Then

Im Mittelpunkt der Oper »Donnerstag« steht Michael (=das Gute, Schöpferische, Kraft der Entwicklung). In der Handlung sind Parallelen zu Stockhausens eigener Biographie erkennbar: Michael lernt die handwerkliche Arbeit von seinem Vater, während seine Mutter ihm die Liebe zur Musik vermittelt. Der Vater wird im Krieg erschossen und die Mutter kommt in eine Nervenheilanstalt (Stockhausens Mutter hingegegen wurde als vermeintlich Depressive von den Nazis ermordet). Michael muss drei Prüfungen bestehen und findet schließlich die Erfüllung in der Musik.

Im dritten Akt geht es um Michaels Erfahrungen als Mensch auf der Erde und das Fest anlässlich seiner Rückkehr in den Himmel. Der Akt beginnt mit der Szene Festival, in der Michael zum Planeten Sirius zurückkehrt und von Eva begrüßt wird, die ihm drei Geschenke überreicht. Allerdings hat Luzifer einen Teufelsdrachen in einem der Geschenke versteckt und so wird Michael in einen Drachenkampf verwickelt.

In der zweiten Szene, Vision, beschreibt Michael Luzifers Geschichte und spricht über seine Erfahrungen und seine Bestimmung auf der Erde.

Donnerstag aus Licht / Theater Basel
Donnerstag aus Licht / Theater Basel © Sandra Then

Auf Kampnagel in Hamburg wurde Michaels Heimkehr als halbszenische Produktion unter anderem mit dem Symphonieorchester der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, der Europa Chor Akademie Görlitz, den Solisten Anu Komsi (Sopran), Rolf Romei (Tenor) und Michael Leibundgut (Bass) Merve Kazokoğlu (Bassetthorn), Paul Hübner (Trompete), Kevin Austin (Posaune) und drei Tänzern als Solisten aufgeführt. Die Leitung übernahmen Dirigent Peter Eötvös und Stockhausens langjährige Vertraute, Flötistin und Klangregisseurin Kathinka Pasveer.

Text: Julia Mahns, Stand: 23.04.2018

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