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Philosophie

An dem 1966 erschienenen Buch hatte Adorno seit 1959 gearbeitet. In einer untrennbaren Einheit von methodischer Reflexion und inhaltlicher Analyse versucht er, eine Rechtfertigung des Verfahrens zu geben, dessen er sich bei seinem Philosophieren bedient, allerdings nicht im Sinne einer nachträglichen Grundlegung seiner vorangegangenen „materialen Arbeiten“, sondern im Sinn einer eigenständigen Methodologie. Die Wahrheit seiner Einsichten soll sich dabei in begrifflicher, aber in dieser Begrifflichkeit immer sachbezogener, „materialistischer“ Arbeit als Evidenz herstellen. Adornos Absicht ist es, „mit der Kraft des Subjekts den Trug konstitutiver Subjektivität zu durchbrechen“, d. h. vom denkenden Subjekt ausgehend, aber antisystematisch darzulegen, dass die Kraft des denkenden Subjekts sich nur in der Kritik erhält, die, Negativ des Positiven, des „Systems“, dieses als mit Gedanken nicht oder nicht mehr Herstellbares zeigt. Diese Ohnmacht des Denkens deutet auf die falsche Macht des Bestehenden und überführt die Gesellschaft ihrer Unfähigkeit, Vernunft zu verwirklichen. Damit erweist sich Adornos Denken als der großen Tradition der Philosophie der Subjektivität, wie sie im deutschen Idealismus auftrat, zugehörig, und zwar als deren bestimmte Negation.

Grundeinsicht Adornos ist die Einsicht in die Differenz zwischen dem Denken und seinem Gegenstand. Gerade das, was vom Gegenstand nicht eingeht in den identifizierenden Gedanken, was der Gedanke als allgemeiner von der Besonderheit weglässt, wäre auf den Begriff zu bringen, um das konkrete Einzelne nicht durch generalisierende Begriffe zu verdecken. Zentral ist daher allen Versuchen eines inhaltlichen, materialistischen Denkens das Aufweisen dieses Widerspruchs; dies geschieht mittels der Dialektik. „Negativ“ heißt sie, weil sie ihre Negation nicht wieder in Affirmation und damit in Setzung eines scheinversöhnten Positiven verwandelt. Aber gerade im Festhalten der Negativität überlebt die Sehnsucht nach realer Versöhnung. Der Ausarbeitung dieses Gedankens dient die Einleitung des Buchs, die sich mit dem Begriff und den Methoden philosophischer Erfahrung beschäftigt.

Im darauf folgenden ersten Teil des Werks, „Verhältnis zur Ontologie“, setzt sich Adorno mit dem Hauptgegner dialektischen Denkens, der Ontologie und insbesondere der Philosophie Martin Heideggers, auseinander, deren Kritik schon das Thema von Adornos philosophisch-sprachkritischem Pamphlet Jargon der Eigentlichkeit. Zur deutschen Ideologie (1964) war. Die ontologische Philosophie wird aus dem geistig-gesellschaftlichen Bedürfnis verstanden, dem sie antwortet, und wird wegen der Gleichsetzung ihrer Gedanken mit vorgeblichen Grundbestimmungen des Seins selbst kritisiert; solch scheinbare Identität erreicht sie – laut Adorno – nur um den Preis totaler Entleerung von konkreter gesellschaftlicher Erfahrung. Damit rechtfertigt sie das schlechte Bestehende noch und gerade da, wo sie mit Verachtung sich darüber zu erheben vermeint: „Von der ewigen Idee, an der das Seiende teilhaben oder durch die es bedingt sein sollte, ist nichts übrig als die nackte Affirmation dessen, was ohnehin ist: Bejahung der Macht.“

Der zweite Teil, „Negative Dialektik. Begriff und Kategorien“, exponiert die Idee der negativen Dialektik selbst. Gezeigt wird, dass sie möglich und notwendig ist, wenn das Denken seinen Gegenstand, das zu Denkende, „auch dort“ respektieren will, „wo er den Denkregeln nicht willfahrt“.

Im dritten Teil werden Modelle negativer Dialektik gegeben. Freiheit ist nur im Aufweis konkreter Unfreiheit, also negativ bestimmbar („Freiheit. Zur Metakritik der praktischen Vernunft“). Der Gegensatz von Natur und Geschichte ist nicht zu ontologisieren; beiden wäre zu ihrem Recht zu verhelfen, indem man Natur als Geschichte, Geschichte als Natur denkt und ihre von Menschen gemachte Entfremdung zeigt („Weltgeist und Naturgeschichte. Exkurs zu Hegel“). Das letzte Modell, „Meditationen zur Metaphysik“, durchdenkt Fragen der Metaphysik in einer Selbstreflexion dessen, dem die Erfahrung des Grauens hemdsärmelig-naives Fragen nach dem „Sinn“ verbietet. Im Schrecken erfährt das Denken wie nie seine reale Ohnmacht. Doch nur wenn es bleibt, kann es diese Erfahrung dem Weltlauf entgegensetzen; Philosophie darf „nicht abdanken, wenn nicht Stumpfsinn in verwirklichter Widervernunft triumphieren soll“. Adorno erweist sich als Schüler der großen Philosophie, insbesondere Kants und Hegels, wenn er die Philosophie mit dem in ihr angelegten Wahrheitsanspruch konfrontiert.

Adornos Sprache, nicht frei von Manierismen, aber präzis, erfüllt in der Negativen Dialektik eine doppelte Funktion: Ihre subjektive Seite hält den Gedanken an das Subjekt aufrecht, das da spricht. Sie gibt sich nicht den Anstrich einer das Individuum übersteigenden Pseudo-Allgemeinheit, wie die Fachsprache sie beansprucht. Auf der objektiven Seite ist ihre zu Unrecht beklagte Abstraktheit Ausdruck eines Konkreten: Sie lässt die Bewegung des Gedankens als Gedanke erscheinen und bildet damit ab, was Zentrum dieser Philosophie ist; die Differenz zwischen dem Denken und seinem Gegenstand drückt sich konkret in der Sprachform aus.