Bernard Heuvelmans: 100. Geburtstag: Bernard Heuvelmans: Begründer der Kryptozoologie
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Bernard Heuvelmans100. Geburtstag: Bernard Heuvelmans: Begründer der Kryptozoologie

Von Christian Satorius 08.10.2016, 12:00
Bernard Heuvelmans mit dem Homo pongoides, einem Yeti und dem Gigantopithekus auf einem Gemälde von Alika Lindbergh
Bernard Heuvelmans mit dem Homo pongoides, einem Yeti und dem Gigantopithekus auf einem Gemälde von Alika Lindbergh dpa

Manche Tiere gibt es wohl nur in den Köpfen der Menschen, wie etwa das Monster von Loch Ness. Dennoch wächst bis heute die Zahl derjenigen, die Stein und Bein schwören, Nessi mit eigenen Augen gesehen zu haben. Mit den Beweisen für die Existenz des sagenhaften Seemonsters ist das allerdings so eine Sache.

Kein Wissenschaftler hat je einen seriösen Beleg dafür in Händen gehalten, dass im schottischen Hochland Meeressaurier überlebt haben könnten oder gar eine andere bis heute völlig unbekannte Spezies dort lebt.

Der belgisch-französische Zoologe Bernard Heuvelmans war sich allerdings sicher: Die Wissenschaft ignoriert die Existenz dieser Tiere einfach, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Es gebe derart viele Hinweise in Sagen, Legenden, Mythen und Augenzeugenberichten, dass es die Mühe durchaus wert sei, die Suche nach diesen Tieren aufzunehmen.

Begründer der Kryptozoologie

Also begründete Heuvelmans in den 50er Jahren eine neue Forschungsrichtung, die sich dieser Aufgabe stellt: die Kryptozoologie (von griech. „kryptos“ für „verborgen“, „zoon“ für „Tier“, „logos“ für „Lehre“), die Lehre von den verborgenen Tieren.

Heuvelmans und seine Mitstreiter suchen seitdem weltweit nach den Tieren der Sagen, Mythen und Legenden, analysieren Augenzeugenberichte, werten Fußspuren aus, Zahnfunde und andere Hinweise.

Da sie aber auch Einhörnern, Drachen, Schneemenschen und Tatzelwürmern gegenüber aufgeschlossen sind, winken viele etablierte Wissenschafter schnell dankend ab. Schon 1819 meinte der große französische Naturforscher Georges Cuvier, es bestehe nur „sehr wenig Hoffnung“, künftig noch „neue große Säugetierarten zu entdecken“.

Doch die geringe Chance bescherte uns sehr wohl Tiere, die bis dato völlig unbekannt waren - wenn auch keine feuerspeienden Drachen. Dafür aber die „Waldgiraffe“ Okapi (entdeckt 1901), den Berggorilla (entdeckt 1902) oder auch das größte Schwein der Welt, das Riesenwaldschwein (entdeckt 1904). Sie alle waren nur aus den Erzählungen der Einheimischen bekannt.

Selbst heute werden noch tagtäglich neue Tierarten entdeckt, wenn auch in der Regel eher kleinere Spezies wie die blinde Assel Iuiuniscus iuiuensis, die Forscher 2016 in Brasilien fanden, oder auch der nur ein Millimeter große Käfer Tiny Beetle (Phytotelmatrichis osopaddington) aus Peru.

Artenvielfalt noch nicht aufgedeckt

Experten schätzen, dass es gar Millionen von Spezies geben könnte, die bisher noch nicht taxonomisch erfasst sind. Zwar kennt die Wissenschaft inzwischen wohl 90 Prozent aller Wirbeltiere, aber schon bei den terrestrischen Gliederfüßern, also Insekten, Spinnen- und Krebstieren, sinkt dieser Anteil auf 50 Prozent.

Ganz schlecht ist es um das Wissen über die Protozoen bestellt, um die Einzeller mit Zellkern. Hier sind erst annähernd fünf Prozent der Arten taxonomisch erfasst. Vor allem die Meere, und im Besonderen die Tiefsee, dürften noch für so manche Überraschung gut sein, davon sind Ozeanographen wie auch Biologen heute überzeugt. Und warum sollten unter all diesen Arten nicht auch Seeungeheuer und Meeresmonster sein?

1977 zog der japanische Trawler „Zuiyo Maru“ vor der neuseeländischen Küste ein seltsames Tier aus dem Wasser, das bald als „New Nessie“ bekannt wurde und Kryptozoologen in aller Welt begeisterte.

Allerdings handelte es sich keineswegs um ein legendäres Meeresungeheuer oder gar um einen überlebenden Plesiosaurier, sondern lediglich um die bis zur Unkenntlichkeit zerfallenen Überreste eines großen Hais.

Fabeltiere entpuppen sich als echte Zeitgenossen

Manche Seemonster gibt es dann aber doch: Die gigantischen Kraken etwa, von denen Seefahrer über Jahrhunderte berichteten, entpuppten sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts als ganz reale neue Art. Heute weiß man, dass der Riesenkalmar Architeuthis dux über zwölf Meter groß werden kann und in Tiefen von bis zu 1.000 Metern vorkommt.

Auch den Quastenflosser Latimeria chalumnae, einen heute weltberühmten Zeitzeugen der Dinosaurier, kannten die Einheimischen schon lange vom Fischmarkt, bevor der Urzeitfisch 1938 den ersten Wissenschaftlern in die Hände fiel. Es kann sich also durchaus lohnen, neben Sagen auch Augenzeugenberichten direkt vor Ort nachzuspüren.

Auf diese Weise hat ein Team unter Leitung des Bonner Zoologen Wolfgang Böhme 1999 mitten in der Sahara die legendären Wüstenkrokodile entdeckt. Ihre Existenz zeugt bis heute davon, dass die Sahara noch vor 10.000 Jahren ein grünes Paradies war, das sich aber nach und nach der Austrocknung und der vorrückenden Wüste geschlagen geben musste.

Mit dem Wasser zogen sich auch die Krokodile zurück, so dass sie heute nur noch an ganz wenigen Stellen in der Sahara zu finden sind. „Die Menschen vor Ort erzählten uns von den Krokodilen und führten uns dahin, wo uns dieser außergewöhnliche Fund gelang“, sagt Böhme. „Eine unbeschriebene Art mit Hilfe von Augenzeugenberichten aufzuspüren, ist eine ganz klassische kryptozoologische Herangehensweise.“ (mz)

Ihn gab es vor Urzeiten wirklich: den Riesenhai Megalodon.
Ihn gab es vor Urzeiten wirklich: den Riesenhai Megalodon.
dpa