Holstein Kiel braucht einen neuen Trainer. Nach dem Fehlstart in die Zweitligasaison trennte sich der Klub von Cheftrainer André Schubert. Wie die Kieler am Sonntagmittag bestätigten, wurde der 48-Jährige mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden. Doch die Trennung hat offenbar nicht nur sportliche Gründe.
„Die Vorbereitung und der Saisonstart liefen nicht so, wie wir es uns erhofft haben“, erklärte Sportchef Fabian Wohlgemuth die Entscheidung, Schubert freizustellen. Dieser hatte erst im Sommer die Nachfolge des zum VfB Stuttgart gewechselten Tim Walter angetreten. Mit mageren fünf Punkten aus sechs Spielen dümpeln die Kieler jedoch in der Abstiegszone und konnten bei ihren bisherigen Auftritten nur selten überzeugen.
Rund 24 Stunden vor Schuberts Entlassung hatten die Norddeutschen nach einem erneut blutleeren Auftritt 0:3 beim 1. FC Heidenheim auch ihr drittes Auswärtsspiel der Saison verloren. „Nach diesem Spiel ist es angedacht, über Grundsätzliches nachzudenken, so enttäuschend ist es verlaufen“, hatte Wohlgemuth bereits kurz nach Spielende Konsequenzen angedeutet. Am Sonntag wurden diese in die Tat umgesetzt.
Versteckte Botschaft
„Das Präsidium ist nach gemeinsamer Analyse der sportlichen Situation nicht mehr davon überzeugt, dass wir in dieser Konstellation unsere Ziele erreichen können“, fasste Wohlgemuth zusammen. Dies sei das Ergebnis aus intensiven Gesprächen mit dem Aufsichtsrat und dem Präsidium zur aktuellen Situation und der Entwicklung der Mannschaft der letzten Wochen.
Soweit kein unüblicher Vorgang im modernen Profifußball. Nach sechs Spieltagen ist Schubert bereits der dritte Trainer, der in der zweiten Liga seinen Job verloren hat. Zuvor waren schon Daniel Meyer in Aue und Robin Dutt in Bochum entlassen worden. Doch in der Pressemitteilung der Kieler versteckt sich eine durchaus pikante Botschaft.
„Für die Entscheidung, uns von André Schubert zu trennen, waren nicht vorrangig die durchwachsenen Ergebnisse ausschlaggebend“, sagte Wohlgemuth. Und deutete damit an, dass auch die Zusammenarbeit mit dem ehemaligen DFB-Nachwuchscoach problematisch gewesen sein könnte. Anders ist diese kleine rhetorische Spitze kaum zu verstehen. In der Branche gilt Schubert als ausgewiesener Fachmann, seine zwischenmenschlichen Fähigkeiten sind dagegen nicht unumstritten.
Wechselposse im Sommer
Bereits Schuberts Wechsel nach Kiel hatte nicht nur im Norden hohe Wellen geschlagen. Nach einer erfolgreichen Rückrunde mit Eintracht Braunschweig bekannte sich Schubert in der Sommervorbereitung klar zum Drittligisten. „Zwei andere Klubs haben sich in den vergangenen Wochen bei mir gemeldet, aber ich fühle mich in Braunschweig sehr wohl“, betonte der Fußballlehrer in einem Interview mit der „Braunschweiger Zeitung”. Zudem würde er ja nicht mit neuen Spielern sprechen und eine Vorbereitung planen, wenn er kurz vor dem Absprung stünde. Logisch.
Doch nur wenige Tage nach diesen Aussagen zierte bereits das Wappen von Holstein Kiel Schuberts Trainingsoutfit. „Holstein hat in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung genommen und spielt einen attraktiven und offensiv orientierten Fußball“, begründete Schubert seinen spontanen Sinneswandel. „Ich finde hier hervorragende Bedingungen, ein professionelles Umfeld, eine klare sportliche Ausrichtung und eine auf Perspektive und Wachstum ausgerichtete Infrastruktur vor.“ Die Verlockung, eine Liga höher vermutlich auch mehr zu verdienen, dürfte ebenfalls eine Rolle gespielt haben.
Schubert von Entlassung überrascht
Im Gespräch mit WELT wirkte Schubert am Sonntag von seiner Entlassung überrascht. „Ich habe da nur wenige Worte für, damit habe ich nicht gerechnet“, sagte der Fußballlehrer. Zu den Hintergründen wolle er sich vorerst nicht äußern. Fest steht aber: Schuberts sommerliches Wechselspiel ist nicht aufgegangen.
Den dritten Neuaufbau der Kieler im dritten Jahr nach der Rückkehr in die zweite Liga trauten ihm die Verantwortlichen schon nach wenigen Wochen nicht mehr zu. „Uns war bewusst, dass es nach einem so großen personellen Umbruch nicht leicht wird, innerhalb kürzester Zeit eine homogene Einheit auf und neben dem Platz zu formen“, erklärte Kiels Sportchef. Er muss nach Aufstiegstrainer Markus Anfang, Walter und Schubert schon wieder einen neuen Trainer finden. Dies soll bereits „in den nächsten Tagen“ geschehen.
In Braunschweig, wo sie Schuberts Abgang nach Zahlung einer Ablöse zähneknirschend akzeptierten, läuft es sportlich dagegen hervorragend. Christian Flüthmann, unter Schubert noch Assistent, führte die Braunschweiger zu sechs Siegen aus den ersten acht Ligaspiele. Der Klub steht mittlerweile auf Platz zwei, punktgleich mit Tabellenführer Hallescher FC.