Riding Giants | Kritik | Film | critic.de

Riding Giants – Kritik

Je riesiger die Wellen, desto besser. In Stacys Peraltas Dokumentation über die Geschichte des „Big Wave Surfings“ versuchen einige wenige Ausnahmesurfer diese Leidenschaft zu erklären.

Riding Giants

Schwimmbadseichtes Wasser und strahlender Sonnenschein. Sacht schaukelt ein muskulöser Beach Boy auf seinem Surfbrett hin und her, man hört es kaum plätschern. Schnitt. Plötzlich sehen wir ihn in Nahaufnahme, hinter ihm ist eine meterhohe, laut rauschende Wasserwand eingeblendet, die er scheinbar lässig hinuntergleitet. Vielleicht streift er sich dabei sogar schnell eine Haarsträhne aus dem wasserbeperlten Gesicht.

„It just makes me puke!“, beschimpft Surflegende Greg Noll diese unrealistische Art Surfszenen zu fälschen, wie es seit dem Pionierfilm Gidget (1959, Regie: Paul Wendkos) und in vielen weiteren „Beach-Movies“ gang und gäbe ist. Zum Kotzen fanden Gidget viele Millionen Jugendliche damals nicht, sondern begannen sich massenweise an den Stränden von Kalifornien in die Fluten zu stürzen und die hawaiianischen Strände einzunehmen. Heiße Strandparties, schicke Shorts und Surfmusik begleiteten diese neue Jugendbewegung, die in den gezeigten Archivbildern stellenweise wie eine Folge von Jackass anmutet und die Wurzeln des Sports in der Jahrtausende alten polynesischen Kultur überlärmt, die bereits James Cook und Jack London faszinierte.

Riding Giants

Am sogenannten „Surf-Boom“ der Sechziger zeigt Regisseur Stacy Peralta in Riding Giants die untrennbar ineinander verzahnten und seitdem bestehenden Gegensätze zwischen Surfen als Freizeitspaß oder Extremsport, Jugendkultur oder Lebensphilosophie auf. Was bei vielen als Spiel von Liebe und Zufall beginnt, aber bei den meisten ein Funsport bleibt, entwickelt sich für einige zur ernsthaften Lebensaufgabe und Besessenheit. Nach seinem ersten Dokumentarfilm über das Zephyr-Skateboard-Team (Dogtown and Z-Boys, 2001) wendet sich Peralta nun in seiner zweiten Kinoarbeit vom Asphaltsurfen ab und porträtiert eine handvoll Männer, die beim Wellenreiten eine ganz eigene Art von Befriedigung finden.

Neben äußert knapp gehaltenen, aber sehr unterhaltsam gestalteten, allgemeinsurfhistorischen Abrissen im Papiertheaterstil und Ausflügen in die Popgeschichte des Sports, konzentriert sich Peralta in seiner Dokumentation vornehmlich auf das „Big Wave Surfing“, dessen verschiedene Stationen er im Verlauf des Films chronologisch abschreitet. In enger Zusammenarbeit mit Surfsuperstar Laird Hamilton und Wellenreitspezialist Sam George vom Surfer Magazine hat Peralta eine Reihe von alten Archivaufnahmen, Zeichnungen, Fotos und aktuellen Bildern gesammelt sowie Interviews mit den Protagonisten des Sports geführt, um die mittlerweile generationenübergreifende Suche nach immer gewaltigeren Wellen nachzuzeichnen.

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Denn erst wenn der Ozean sich kathedralenmäßig in die Höhe erhebt und alle anderen aus dem Wasser eilen, fängt für wenige Ausnahmesportler der richtige Spaß an. Sei es Greg Noll, der in den sechziger Jahren von Kalifornien nach Hawaii reiste und dort mit zehn Metern die größte Welle, die bis dahin jemals gesurft wurde, herunterritt. Oder Jeff Clark, welcher fünfzehn Jahre lang allein die kalifornische Mavericks surfte, weil keiner seiner Wellenbeurteilung Glauben schenkte. Schließlich natürlich Laird Hamilton, der mit seiner Clique immer neue Techniken entwickelt, um Wellen zu erwischen, die mit rund 35 Metern zu groß zum Anpaddeln sind. Sie alle sind der Sucht erlegen, sich immer wieder in Lebensgefahr zu begeben, nur um einstürzenden Wasserbergen davonzurasen.

Was das bedeutet, ist schwer vorstellbar, auch wenn die leinwandfüllende, schlagende Lippe der Wellenriesen unter der sich ein winziger Surfer abzeichnet fast in den Kinosaal zu donnern scheint und Peralta statt des typischen Surfmusikgeschrammels dramatisch-ehrerbietig Johann Sebastian Bach erschallen lässt.

Riding Giants

Um den audiovisuellen Adrenalinschock angesichts solcher Bilder und den euphorischen Reden der Surfer in Schach zu halten, stellt Peralta lehrbuchhaft auch die Gefahren vor, welche dem Kick innewohnen. Anhand des tödlichen Unfalls von Mark Foo, der in Mavericks in einer „nur“ sechs Meter hohen Welle umkam, lässt er dessen Mitsurfer von den komplexen Vorgängen berichten, die sich vom Kamm bis zum Tal der Welle auf dem Surfbrett abspielen und macht so selbst dem nicht surfenden Zuschauer klar, dass Popkultur und Surfromantik nur etwas für kraftlose ein bis zwei Meter hohe Wellen sind.

Riding Giants ist ebenso ein Film für Spezialisten wie auch für Laien, der über die Extreme des Wellenreitens informiert und mit unfassbaren Bildern erstaunt, ohne – und darin liegt seine Stärke – den Unwissenden außen vor zu lassen. Obwohl Riding Giants über Spitzenleistungen spricht, liefert der Film gleichzeitig eine Fülle von unterhaltsam präsentiertem Hintergrundwissen, was die bereits am 2. Juni angelaufene Kinodokumentation über das Surfen Step into Liquid (2003, Regie: Dana Brown) nur anzutippen vermag.

Bei beiden Filmen gleichermaßen erstaunlich ist allerdings, dass sie nicht nur den Weg in die Kinos der surferbevölkerten Gegenden gefunden, sondern es auch hier im ozeanlosen Deutschland auf die große Leinwand geschafft haben, wo solche Filme bis jetzt eine Seltenheit darstellen.

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