Iron & Wine: Light Verse – Albumreview

Sam Beam aka Iron & Wine credit Kim Black

Es war zuletzt ruhig geworden um Sam Beams Folkpop-Projekt Iron & Wine. Kehrt er mit „Light Verse“ zu gewohnter Form zurück?

von Werner Herpell

Sam Beam hatte etwas gutzumachen. Denn sein sieben Jahre zurückliegendes letztes Soloalbum unter dem Moniker Iron & Wine (vor der soliden 2019er Kollabo-Platte „Years To Burn“ mit Calexico) hatte „etwas an Spannkraft vermissen lassen“, wie Gérard Otremba an dieser Stelle kürzlich zu Recht urteilte.

Beam kann es besser – viel besser

Das schrieb der geschätzte S&B-Kollege zum bereits sehr vielversprechenden ersten Song „You Never Know“ aus dem nun vorliegenden Comeback-Werk. Und was soll man sagen – nach besagter Enttäuschung mit „Beast Epic“ (2017) und der EP „Weed Garden“ (2018) hat Beam sich tatsächlich eines Besseren besonnen und legt mit „Light Verse“ ein fantastisches siebtes Studioalbum vor.

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Man konnte so etwas spätestens ahnen, als der bald 50-jährige Singer-Songwriter aus South Carolina eine zweite Vorab-Single herausbrachte – und die hatte es erst recht in sich: „All In Good Time“, ein bezauberndes Country-Folk-Stück, vor allem aber ein gemeinsames Werk mit Fiona Apple, deren dunkel-herbe Stimme neben dem hellen, weichen Gesang ihres Songpartners ins Mark traf.

Fabelhaftes Iron & Wine-Duett mit Fiona Apple

Iron & Wine Light Verse Cover Sub Pop

Diese sehr zurückgezogene, seit Jahren immer enigmatischer agierende, zweifellos geniale Musikerin gewinnt nun wirklich nicht jeder für eine Zusammenarbeit. Sam Beam schaffte es (er nennt Fiona Apples Vocals „that miracle that sounds like both a sacrifice and a weapon at the same time“) – das Ergebnis ist sicher schon jetzt eines der Duette des Jahres.

Das Gute an „Light Verse“ ist, dass es nicht bei diesen zwei überragenden Album-Teasern bleibt. Alle zehn Tracks glänzen mit herrlichen Melodien, butterweichen, warmen Gesängen und prächtigen Arrangements, die sich gelegentlich ins Opulente steigern (etwa mit den himmelwärts strebenden Barockpop-Streichern von „Tears That Don’t Matter“). Die ernüchternde Langeweile, die sich bei manchen Iron & Wine-Liedern zuweilen eingestellt hatte, verspürt man hier jedenfalls nie. Und selten war der Amerikaner so nah bei seinem Brit-Folk-Vorbild Nick Drake wie in „Yellow Jacket“ und dem tief berührenden Closer „Angels Go Home“.

Eine neu gewonnene Leichtigkeit

„Light Verse“ sei „das spielerischste Album von Iron & Wine, dessen Titel widerspiegelt, wie die Lieder nach der Schwere und Angst der Pandemie mit Freude geboren wurden“, schreibt Beams Label Sub Pop. Und ja, man kann die neu gewonnene Leichtigkeit etwa in den mit dezenten Afropop-Texturen durchwirkten „Anyone’s Game“ und „Cutting It Close“ aufs Schönste hören. So unverkrampft und zugleich ambitioniert klangen Iron & Wine zuletzt auf „Kiss Each Other Clean“ (2011) und „Ghost On Ghost“ (2013) – also den beiden Platten, mit denen sich Beams Projekt aus der kargen Indie-Folk-Nische löste.

Man kann wohl von Glück reden, dass Sam Beam nun mit einem so perfekten Album, mit fabelhaften Balladen wie „Taken By Surprise“ und entspannten Midtempo-Schunklern wie „Sweet Talk“ zurückkehrt. Denn die Pandemie hätte ihn fast seine Fähigkeiten als Songschreiber gekostet. „Während so viele andere Künstler Inspiration im Chaos fanden, war es bei mir das Gegenteil, mit einem andauernden Hintergrundgeräusch von Unsicherheit und Furcht. (…) Ich kämpfte darum, mich zu fokussieren, bis ich es aufgab, und das dauerte über zwei Jahre.“

Iron & Wine – ein Glücksfall

Erst nach einer Tour mit Andrew Bird im Sommer 2022 konnte Beam seine Blockade hinter sich lassen. Mit Tyler Chester (Keyboards), Sebastian Steinberg (Bass), David Garza (Gitarre), Griffin Goldsmith, Beth Goodfellow und Kyle Crane (alle Schlagzeug/Percussion) sowie Paul Cartwright und einem 24-köpfigen Streichorchester gelang Iron & Wine bei Aufnahmen in Los Angeles ein beeindruckendes künstlerisches „Hurra, wir leben noch!“. Ein große Erleichterung für Sam Beam, ein Glücksfall für seine treuen Fans.

Das Album „Light Verse“ von Iron & Wine erscheint am 26.04.2024 bei Sub Pop. (Beitragsbild von Kim Black)

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