Verhältnis Anfechtung & Mängelgewährleistung („Ruisdael-Fall“)

Verhältnis Anfechtung & Mängelgewährleistung („Ruisdael-Fall“)


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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K kauft von V ein Gemälde des berühmten Malers Vincent van Gogh. Als sich mehr als zwei Jahre später herausstellt, dass das Werk von einem weit weniger berühmten Schüler van Goghs stammt, erklärt K die Anfechtung wegen Irrtums und verlangt den Kaufpreis zurück. V meint, das sei doch alles schon so lange her.

Einordnung des Falls

Verhältnis Anfechtung & Mängelgewährleistung („Ruisdael-Fall“)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K und V haben einen Kaufvertrag (§ 433 BGB) über das Bild geschlossen.

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Ja, in der Tat!

Ein Vertrag kommt zustande durch zwei inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme (§§ 145, 147 BGB). Diese liegen hier vor.

2. Das Gemälde ist mangelhaft, weil es nicht von Vincent van Gogh stammt (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB).

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Ja!

Ein Sachmangel liegt vor bei einer negativen Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit der Sache. K hat das Gemälde als ein Gemälde des berühmten Malers Vincent van Gogh gekauft. Bei einem solchen Kauf ist konkludent die Beschaffenheit vereinbart, dass das Bild auch tatsächlich von diesem Maler stammt. Da dies nicht der Fall war, ist das Gemälde mangelhaft im Sinne des subjektiven Fehlerbegriffes (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB). K stehen grundsätzlich die sich aus § 437 BGB ergebenden Mängelrechte zu.

3. K kann vom Kaufvertrag zurücktreten und den Kaufpreis zurückverlangen (§§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 326 Abs. 5, BGB).

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Nein, das ist nicht der Fall!

Die von K gekaufte Sache war bereits bei Gefahrübergang (§ 446 BGB) mangelhaft. Die Anfechtungserklärung des K kann aufgrund des eindeutigen Wortlauts nicht als Rücktrittserklärung ausgelegt, aber in eine solche umgedeutet werden (§ 140 BGB). Die grundsätzlich erforderliche Fristsetzung (§ 323 Abs. 1 BGB) ist entbehrlich, da eine Nacherfüllung unmöglich ist (§§ 326 Abs. 5, 275 BGB). Somit liegen die Rücktrittsvoraussetzungen grundsätzlich vor. Allerdings ist der Rücktritt unwirksam, da der Nacherfüllungsanspruch bereits verjährt ist (§§ 438 Abs. 4, 1 Nr. 3, 2, 218 Abs. 1 BGB). Seit Übergabe der Sache sind mehr als zwei Jahre vergangen.

4. K unterlag beim Kauf des Gemäldes einem Eigenschaftsirrtum, weil er sich über die Urheberschaft des Gemäldes irrte (§ 119 Abs. 2 BGB).

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Ja, in der Tat!

Der Eigenschaftsirrtum berechtigt zur Anfechtung, wenn der Erklärende über verkehrswesentliche Eigenschaften der Sache irrt (§ 119 Abs. 2 BGB). Eigenschaften einer Sache sind alle wertbildenden Faktoren, die ihr aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Verhältnisse auf Dauer anhaften. Sie sind verkehrswesentlich, wenn sie von der Verkehrsanschauung oder der Parteienabrede als wesentlich anzusehen sind. Die Urheberschaft eines Gemäldes stellt eine solche verkehrswesentliche Eigenschaft dar, da sie dem Gemälde unmittelbar anhaftet und immense Auswirkungen auf dessen Wert hat. Da K hierüber irrte, unterlag er einem grundsätzlich zur Anfechtung berechtigenden Eigenschaftsirrtum.

5. K kann sein Kaufangebot anfechten (§§ 142 Abs. 1, 119 Abs. 2 BGB).

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Nein!

Die kaufrechtliche Mängelhaftung schließt in ihrem Anwendungsbereich das Anfechtungsrecht wegen eines Eigenschaftsirrtums aus. Ein Sachmangel stellt regelmäßig einen Eigenschaftsirrtum dar. Durch ein Anfechtungsrecht würden die kaufrechtlichen Spezifika umgangen werden. Insbesondere die kürzere Verjährungsfrist von zwei Jahren (§ 438 BGB), die Ausschlussgründe für Mängelrechte (Haftungsausschluss, Kenntnis des Käufers etc.) und der grundsätzliche Vorrang der Nacherfüllung, der durch das Fristsetzungserfordernis für Rücktritt, Minderung und Schadenersatz statt der Leistung gesichert wird. K kann nicht anfechten.

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