Barbara: Göttingen

  • Barbara: Göttingen

    Barbara

    Monique Andrée Serf dite Barbara wurde am 9. Juni 1930 in Neuilly-sur Seine bei Paris als zweites von vier Kindern einer jüdischen Familie in Paris geboren. Ihr Vater Jacques war Elsässer, ihre Mutter Esther kam aus Odessa.
    Mit 16 Jahren beschloss sie Pianistin und Sängerin zu werden. 1947 besucht sie das Pariser Konservatorium und studierte klassische Musik bei dem Tenor Gabriel Paulet.

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    Ihre ersten musikalischen Gehversuche unternahm sie 1940 im Kabarett ‘La Fontaine des Quatre Saisons’ in Paris. Von 1950 bis 1952 lebte sie in Brüssel, wo sie in Künstlerkreisen verkehrte und Chansons von Édith Piaf, Juliette Gréco und Germaine Montéro sang. Nach ihrer Rückkehr nach Paris lernte sie Jacques Brel und später auch Georges Brassens kennen, mit deren Liedern sie auftrat. Nebenbei schrieb sie aber auch schon eigenes Material, das sie in ihrem Programm verarbeitete. 1957 nahm sie in Brüssel eine erste Single auf.

    Erst Anfang der 1960er Jahre kam ihre Karriere richtig in Schwung. Der große Durchbruch kam 1965 mit dem Album Barbara chante Barbara.
    1970 versuchte Barbara sich auch als Schauspielerin, doch blieb ihr ein großer Erfolg versagt. Ihr letztes Studio-Album (Barbara) veröffentlichte sie 1996. In ihren letzten Lebensjahren setzte sie sich intensiv für den Kampf gegen AIDS ein.

    Babara verläßt diese Welt am 2. November 1997 im Alter von 67 Jahre in Neuilly-sur-Seine.

    Göttingen

    Barbara schrieb dieses schöne Lied 1965. Anlaß war dieser tiefe Wunsch nach Versöhnung und der Unvergeßlichkeit. Es handelt sich nämlich um die Hymne der französisch-deutsche Versöhnung nach dem Trauma des zweiten Weltkrieges. Die Botschaft ist umso bewegender, da sie selbst mit ihrer Mutter zwischen 1939-1943 öfters flüchten mußten weil sie Juden waren.
    Als sie 10 Jahre alt war, floh sie mit ihren Angehörigen aus dem von Deutschland besetzten Teil Frankreichs. Nach verschiedenen Zwischenstationen kam sie im Juli 1943 ins südwestfranzösische Saint-Marcellin. Dort musste sie sich bis 1944 vor dem Zugriff des mit Nazi-Deutschland kollaborierenden Vichy-Regimes verstecken.

    Anfang Juli 1964 kam Barbara im Rahmen eines Gastspiels ins Junge Theater Göttingen. Erstmal sagte sie dem Direktor Günther Klein kategorisch ab. Aber Günther Klein fand die richtigen Worte und Barbara änderte ihre Meinung. Es wurde ein großer Erfolg. Ihre dort gesammelten Eindrücke und der Empfang der “Enfants blonds de Göttingen” verwendete sie in ihrem Lied. Angenehm überrascht und bewegt über diesen lieben Empfang, verlängerte sie ihr Aufenthalt um eine Woche. Am letzten Abend schenkte sie ihnen das Lied ‘Göttingen’ das sie im Garten des Theaters schrieb.

    Im Mai 1967 ist sie in Hamburg um “Göttingen” mit neun anderen Chansons auf Deutsch aufzunehmen, ‘Barbara singt Barbara’ nennt sich das Album und kehrt am 4. Oktober nach Göttingen zurück um noch einmal zu singen. Etliche deutsche Fassungen ihrer Lieder liegen von u.a. Walter Brandin vor.


    Göttingen

    "http://www.golyr.de/barbara/songtext-goettingen-89711.html"

    Göttingen

    "http://www.golyr.de/barbara/songtext-goettingen-371421.html"

    Wie die deutsch-französische Freundschaft sich entwickelt hat, und wie das Chanson heute auf die Deutschen und Franzosen wirkt, kann ich als Luxemburger nicht beurteilen, würde mich aber schon interessieren. Ich für meinen Teil komme aber mit beiden großen Nationen sehr gut aus.

    Liebe Grüße aus Lothringen
    romain

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  • Lieber Romain,

    vielen Dank für diesen sehr schönen Beitrag. Ich lebe ja selber in Göttingen, und dort wo in den 60er Jahren das Junge Theater war, befindet sich heute das kommunale Kino "Lumière", in dem ich arbeite. Von daher habe ich natürlich eine besondere Beziehung zu Barbara und dem "Göttingen"-Chanson. Noch heute kommen gelegentlich Besucher vorbei, meist sind es Franzosen, die unbedingt mal einen Blick in den (jetzt Kino-, damals Theater-)Saal werfen wollen, in dem Barbara damals aufgetreten ist. Unsererseits haben wir schon öfter spezielle Abende veranstaltet, an denen jüngere französische Sänger Barbaras berühmte Chansons live interpretiert haben. Es gibt mittlerweile in Göttingen auch eine Barbara-Straße, am Haus hängt eine Gedenktafel und in dem Vorgarten, wo sie das Chanson schrieb, blüht seit zwei Jahren eine in Frankreich gezüchtete "Barbara"-Rose.

    Zu Barbaras erstem Auftritt in Göttingen im Juli 1964 gehört unbedingt noch eine berühmte Anekdote, die sie glaube ich auch in ihren Memoiren erwähnt: Der von ihr gewünschte Konzertflügel war wegen eines Streiks nicht rechtzeitig geliefert worden. Barbara traf erst kurz vor Beginn der Vorstellung im Theater ein und weigerte sich strikt, mit dem auf der Bühne stehenden Ersatz-Klavier Vorlieb zu nehmen. Ihr Gastspiel drohte zu platzen, bevor es überhaupt angefangen hatte. Während sich die ersten Zuschauer schon einfanden, wurde hinter den Kulissen fieberhaft nach einer Lösung gesucht. Zum Glück erinnerte sich Direktor Gunther Klein daran, dass die über dem Theatersaal im 1. Stock des Gebäudes wohnende Hausbesitzerin einen Konzertflügel besaß. Es gelang ihm, die alte Dame zur vorübergehenden Leihgabe zu bewegen, der Flügel wurde abgeschraubt und mit Hilfe einiger kräftiger Studenten die Treppe hinunter und in den Saal auf die Bühne bugsiert. Mit einstündiger Verspätung konnte die Vorstellung beginnen und wurde in der Tat ein großer Erfolg. Ebenso die beiden folgenden Chansonabende.

    Barbara verlängerte ihren Aufenthalt in Göttingen allerdings nicht um eine Woche, sondern nur um einen Tag. Bei diesem letzten Zusatzkonzert soll sie nach Aussagen von Zeitzeugen den soeben geschriebenen Text des Göttingen-Chansons vorgetragen haben. Die wunderbare Melodie entstand erst später in Frankreich. Veröffentlicht wurde das Lied dann 1965 auf dem Album "Le mal de vivre".

  • Ich lebe ja selber in Göttingen, und dort wo in den 60er Jahren das Junge Theater war, befindet sich heute das kommunale Kino "Lumière" [...]

    Ich wohne gleich um die Ecke vom Lumière, war dort auch schon öfter, wusste aber – obgleich gebürtige Göttingerin – gar nichts von diesen Hintergründen. Das Chanson ist mir natürlich bekannt, aber ich musste eben erst auf dem Stadtplan nachschauen, wo die Barbara-Straße ist. Interessant das alles, werde ich mir mal anschauen. Auch die Rose. :)

    Gruß, Cosima

  • Bonsoir Lokal Hero et Cosima


    Jetzt bin ich aber paff. Gleich zwei Capriccios die in Göttingen leben und dann auch noch gleich mit dem ‘Junges Theater’ irgendwie verbunden sind.

    Danke Lokal Hero für Deine ausführlichen Ergänzungen, das hat mich wirklich gefreut. Die Geschichte mit dem Konzertflügel ist ja auch interessant und erinnert mich gleich auch an Hélène Grimaud, das ist bestimmt so eine französische Macke.

    Also ich kenne Göttingen (die Stadt) ja nun wirklich nicht, und habe mich dann jetzt ein wenig im Netz schlau gemacht, und es scheint wirklich eine sehenswürdige und sehr interessante Stadt zu sein.

    "http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…heater_2003.jpg"

    Hieß es damals 'Junge Theater' und jetzt 'Junges Theater'?

    liebe grüße aus Luxemburg
    romain

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  • Lieber Romain,

    ich meine, es hieß schon immer "Junges Theater". (Es gibt aber auch noch ein "richtiges" Theater, das "Deutsche Theater".)

    Göttingen ist eine nette, kleine Universitätsstadt, mit recht schöner Altstadt und sehr viel Grün. Sie ist nicht Aufsehen erregend, aber es lässt sich hier gut leben. Und immerhin haben wir ein eigenes Symphonieorchester. :)

    Gruß, Cosima

  • Liebe Cosima, ja komm doch mal vorbei, wenn du schon um die Ecke wohnst. Und die Rose blüht zur Zeit sehr schön :)

    Lieber Romain, es gibt übrigens in Göttingen nicht nur das Symphonie-Orchester, das Cosima schon erwähnte, sondern auch die jährlichen Händel-Festspiele, die seit Mitte der 20er Jahre bestehen und viel dazu beigetragen haben, Händel als Opernkomponisten wiederzuentdecken. Damit nun aber genug mit der Fremdenverkehrswerbung... :rolleyes: Anmerken möchte ich nur noch, dass das von dir eingestellte Foto das heutige Gebäude des Jungen Theaters an einem anderen Standort zeigt und insofern mit Barbara direkt nichts zu tun hat.

    Du hattest ja in deinem Eingangsposting auch nach der Rezeption des Göttingen-Chansons in Frankreich und Deutschland gefragt. Nach meinem Eindruck hatte das Lied in Frankreich damals eine ungeheure Wirkung und hat vielleicht mehr für die deutsch-französische Aussöhnung getan als alle Politikerreden zusammen. Kein Geringerer als Ex-Präsident Francois Mitterand hat immer wieder bekundet, wie sehr dieses Chanson ihn innerlich bewegt hat. Wenn man Franzosen der mittleren und älteren Generation trifft und sagt, dass man aus Göttingen kommt, ist die Verbindung quasi automatisch da: Ah, die Stadt aus dem Chanson! In dieser Generation scheint wirklich jeder das Lied zu kennen.

    Barbara ist ja bis heute in Frankreich sehr populär geblieben, ihre CDs werden immer wieder aufgelegt und es gibt zwei (einander übrigens spinnefeinde) große Fanclubs, die vielfältige Aktivitäten zu ihrem Andenken entwickeln. In Deutschland war die Rezeption immer verhaltener, vielleicht war sie einfach zu französisch (oder auch zu exzentrisch?) für den deutschen Geschmack.

    Ich muss gestehen, ein paar Probleme habe ich auch mit dem Göttingen-Chanson. Der bisweilen pathetische, im Gefühlsüberschwang verfasste Text traf den Tonfall und den Zeitgeist der 60er Jahre, aus heutiger Sicht ist das alles ein bißchen dick aufgetragen und streift gelegentlich den sauren Kitsch (bei den "blonden Kindern von Göttingen" sträuben sich mir jedesmal die Nackenhaare). Die deutsche Version von Walter Brandin ist da keinesfalls besser. Aber egal - die Melodie ist wirklich wunderschön, und als soziologisches Phänomen bleibt das Chanson einzigartig.

  • Lieber Local Hero

    Schade, denn Göttingen liegt doch 480 km von Ottange entfernt um einen schnellen Abstecher zu machen, aber irgendwie ist Göttingen doch einen Besuch wert, danke auf jeden Fall für die Fremdenverkehrswerbung. Ich habe jedenfalls jetzt sehr viel positives Erfahren was Göttingen angeht.

    Also wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, ist das auf dem Foto nicht das Kino Lumière.

    Zitat


    Ich muss gestehen, ein paar Probleme habe ich auch mit dem Göttingen-Chanson. Der bisweilen pathetische, im Gefühlsüberschwang verfasste Text traf den Tonfall und den Zeitgeist der 60er Jahre, aus heutiger Sicht ist das alles ein bißchen dick aufgetragen und streift gelegentlich den sauren Kitsch (bei den "blonden Kindern von Göttingen" sträuben sich mir jedesmal die Nackenhaare). Die deutsche Version von Walter Brandin ist da keinesfalls besser.

    Danke jedenfalls für Deine kritische Analyse, das mir den "blonden Kindern von Göttingen" verstehe ich und teile voll Deine Meinung. Das ist sicher nicht mehr Zeitgemäß.

    Was ich aber doch noch allgemein interessant finde, ist überhaupt das Verständnis zwischen Deutschen und Franzosen. Jetzt nicht was klassische Musik angeht, aber Musik allgemein, die Franzosen kennen keine deutsche Rock- und Popmusik, wenn ich mit Franzosen über Musik spreche, stellt sich immer wieder heraus daß sie zB. Grönemeyer, Lindenberg, Toten Hosen, Bap, oder Liedermachern etc gar nicht kennen, die sind dann paff (pardon sie kennen Tokio Hotel, hust), aber wahrscheinlich ist es im Elsaß nicht so schlimm wie in Lotheringen und in der Bourgogne.

    Andererseits mögen und kennen aber viele Deutsche die französische Musik und interessieren sich mehr für französische Kultur als andersrum. Das sind meine persönliche Erfahrungen die ich machen durfte.

    liebe grüße
    romain

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  • (Der Ordnung halber aus dem Chanson-Thread auch noch mal hierher kopiert)

    Zitat


    Zitat von »FairyQueen«
    Was wir unbedingt detailliert vorstellen sollten, ist Barabaras Lied "Göttingen".


    Wurde das dann vorgestellt?
    Habe den Thread (= über die französischen Chansons) überflogen, aber nichts gefunden.

    Es war ein wegweisender Frankreich-Deutschland-Versöhnungs-Chanson, und dass er komponiert und gesungen wurde, war gar nicht so selbstverständlich,

    Wiki-Infos dazu hier:
    "http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6ttingen_%28Lied%29"

    Die Stadt Göttingen sorgt seit dem Tod der Chanson-Sängerin Barbara an ihrem Todestag für rote Rosen auf ihrem Grab.

    Schöner Deutschland-Radio Kultur-Beitrag über den Göttingen-Chanson hier:
    "http://www.deutschlandradiokultur.de/chanson-barbar…ticle_id=287713"

    Aber der Chanson selbst darf natürlich auch nicht fehlen!

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    :wink:

    amamusica :pfeif:

    Ein Blümchen an einem wilden Wegrain, die Schale einer kleinen Muschel am Strand, die Feder eines Vogels -
    all das verkündet dir, daß der Schöpfer ein Künstler ist. (Tertullian)

    ...und immer wieder schaffen es die Menschen auch, Künstler zu sein.
    Nicht zuletzt mit so mancher Musik. Die muß gar nicht immer "große Kunst" sein, um das Herz zu berühren...


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