Wolfgang Schmidt, der seinen Chef deutlich überragt, ist der Herr im Haus im Kanzleramt. Damit er das werden konnte, musste er vorher noch ein schwelendes Verfahren gegen ihn beenden. Der Deal hat funktioniert.
Es läuft wieder. Sein Fußballverein St.Pauli hat sich trotz kurzem Formtief auf Platz eins der Tabelle gehalten. Dann hat sein Chef und guter Freund Olaf Scholz gesagt: „Wolfgang, Du machst das.“ Und schließlich hat auch der Staatsanwalt ein Einsehen und stellt die Ermittlungen gegen ihn vorläufig ein: Keine Frage, Wolfgang Schmidt neuer Chef im Bundeskanzleramt hat wieder auf die Erfolgsspur zurückgefunden.
Wer zu Scholz will, muss künftig an ihm vorbei. Schmidts neuer Job ist der eines Cerberus, eines Höllenhundes, der den Eingang bewacht. Als Kanzleramts-Chef koordiniert er das fröhliche Geraufe unter den Ministerien und mit den Bundesländern, das sich Politik nennt. Es sei seine zentrale Aufgabe, sagt er, „dafür zu sorgen, dass Olaf Scholz den Rücken frei hat, damit er das machen kann, was er versprochen hat, ordentlich zu regieren."
Wolfgang Schmidt: Panne bei Twitter
Die kurze Phase im Leben, in der es so ausgesehen hatte, als gerate der engste Vertraute des neuen Kanzlers ins Abseits, ist überstanden. Dem routinierten Twitterer war mitten im heißen Wahlkampf eine Panne passiert: Nach Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft bei der Financial Intelligence Unit, einer Geldwäsche-Einheit des Zolls, die dem damals noch von Scholz geführten Finanzministerium untersteht, hatte der 51-Jährige im Eifer des Gefechts auf Twitter Teile des Gerichtsbeschlusses veröffentlicht, der die Durchsuchung legitimierte. So etwas ist verboten, weil es ein Dokument eines laufenden Ermittlungsverfahrens ist.
Kann sein, dass Schmidt das nicht wusste. Als gelernter Jurist hätte er allerdings eine Ahnung haben können. Weil er die nicht hatte, war er ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten: Geheimnisverrat warf sie ihm vor. Wiederum auf Twitter sagte Schmidt dazu: Nach den Durchsuchungen im Finanz- und Justizministerium sei der Eindruck entstanden, dass gegen Beschäftigte von Bundesministerien ermittelt werde. „Dieser falsche Eindruck machte es nötig, dass sich die Öffentlichkeit selber ein Bild von den Fakten machen kann.“
„Der größere Scholz“
Ganz entkräften konnte Schmidt den Vorwurf des Geheimnisverrats nicht. Das dennoch nicht weiter ermittelt wird, liegt an einem Deal, zu den sich die Justiz manchmal bereitfindet. In Schmidts Fall geht der so: Vor seiner Kanzleramtschef-Werdung hat Schmidt 5000 Euro gezahlt, die an gemeinnützige Einrichtungen fließen. Das Verfahren gegen ihn hat die Berliner Staatsanwaltschaft daraufhin bis auf weiteres eingestellt.
Schmidt, den sie in Berlin freundlich „den größeren Scholz“ nennen, weil er seinen Mentor deutlich überragt, arbeitet seit bald zwei Jahrzehnten mit Scholz zusammen, zunächst als Referent und später als Büroleiter des einstigen SPD-Generalsekretärs Olaf Scholz.
Gemeinsam dienten sie ihrem damaligen obersten Chef Gerhard Schröder. Ihr Projekt hieß Agenda 2010. Viele Deutsche erinnern sich gern, die Genossen aber nur mit Grausen daran. Dass das Gespann Scholz-Schmidt jetzt eine SPD an die Macht geführt hat, die von der Agenda nichts mehr wissen will, ist eine Geschichte, wie sie sich nur die Politik ausdenken kann.
Immer zusammen: Wolfgang Schmidt und Olaf Scholz
Jedenfalls war dort, wo Scholz war, grundsätzlich auch Schmidt nicht weit: Im Willy-Brandt-Haus, im Bundestag, im Arbeits- und später im Finanzministerium - sowie natürlich auch in Hamburg als Scholz als Erster Bürgermeister des Amtes waltete und Schmidt sein Staatsrat war, der unter anderem die Außenbeziehungen der Hansestadt steuerte.
Während Scholz die Distanz zum Gegenüber nur ganz selten ablegt, hat Schmidt einen unverkrampften Zugang zu Menschen. Aufgeräumt, hemdsärmelig ist er die sympathischere Synchronstimme des Chefs. Auf Twitter allerdings hält er sich inzwischen zurück. Er sei hier allenfalls „privat unterwegs“ schreibt er über seine Adresse. Das beugt Pannen vor.
Der Beitrag "Er ist der Höllenhund des Kanzlers: Mit Twitter hat „der größere Scholz“ ein Problem" stammt von WirtschaftsKurier.