Anni the Duck
Über eine Stunde lang geht Anissa Baddour auf ihrem Youtube-Kanal auf die zahlreichen Vorwürfe ein.
Anni the Duck/YT

Mobbing, missbräuchliches Verhalten, schlechter Umgang mit den eigenen Katzen, toxische Kommunikation und Ausbeutung. Die Liste an Vorwürfen, die seit einigen Tagen auf eine der größten Content-Creator Deutschlands einprasseln, wird immer länger. Im Visier der Anschuldigungen ist Anissa Baddour, ihren Fans besser bekannt als Anni the Duck. Mit allein 2,3 Millionen Followern auf Youtube ist die Cosplayerin und Streamerin eines der bekanntesten Gesichter in der Szene.

Doch als sich vor wenigen Tagen sowohl ihre Ex-Freundin Reved als auch ihre Ex-Streamer-Kollegin Mowky mit heftigen Vorwürfen zu Wort melden, bricht die Welt von Baddour zusammen. In einem knapp anderthalb stündigen Video geht sie auf die Statements ein, doch das Urteil der Community und zahlreicher anderer, weitreichenstarker Content-Creator ist bereits gefällt. Baddour ist schuldig, was sich derzeit in stark sinkenden Follower-Zahlen äußert. Nicht das erste schwerwiegende Drama in der Szene – und mit Sicherheit nicht das letzte.

Aktion und Reaktion

"Ich habe durch ihren anhaltenden Psychoterror eine Nervenkrankheit, chronische Spannungsschmerzen und Stressausschlag am ganzen Körper entwickelt, habe regelmäßig Panikattacken und Ohnmachtsanfälle!". Die Streamerin Mowky tritt vor etwa einer Woche alles los. Nachdem sie immer wieder auf ihre Ex-Kollegin Baddour angesprochen wird, reißt ihr der Geduldsfaden.

Auf Twitch und X erklärt sie, dass sie sich nicht über Baddour definieren würde, sie sei "eine eigene Persönlichkeit". Fünf Jahre hätte sie unter der Freundschaft gelitten, wäre manipuliert und instrumentalisiert worden. Das sei auch der Grund gewesen, warum sie sich kurzfristig von der Öffentlichkeit zurückgezogen und den Kontakt zu Baddour abgebrochen hätte. Das Video sowie der Tweet gehen viral und werden von über vier Millionen Menschen gesehen.

Reved, die Ex-Freundin von Baddour und größte Twitch-Streamerin Deutschlands, bricht kurz darauf ebenfalls ihr Schweigen und erklärt, warum sie im Vorjahr eine Pause von ihrem Job machen und sich um ihre Gesundheit kümmern musste. Schuld sei vor allem Baddour, die mit Bodyshaming und Beleidigungen Reved in eine diagnostizierte "posttraumatische Belastungsstörung" getrieben habe. Einmal habe sie Blut gespuckt und ein Sanitäter meinte, das hätte mit extremem Stress zu tun. Baddour spielte die Situation runter und meinte, sie solle sich einfach schlafen legen und morgen wäre es schon wieder besser. Als Reved erwähnt, sie falle in ein depressives Loch, antwortete ihre damalige Freundin lediglich, sie würde das nicht glauben, weil Reved ja tagsüber so viel lachen würde.

Reved weiter in ihrem Statement: "Was fast täglich Thema war, war Bodyshaming: Ich hatte zu viel auf den Hüften und war nicht mehr attraktiv. Ich hab meinen Eyeliner falsch gemacht, mein Make-up würde falsch sein, würde meine Haare falsch stylen." Geblieben sei sie vor allem deshalb in der Beziehung, weil sie an die "wahre Liebe" geglaubt habe. Sogar eine Paartherapie will sie vorgeschlagen haben, die Baddour aber ablehnte. Reved betont mehrfach, sie habe sich in der Beziehung von Tag zu Tag wertloser gefühlt.

Am 9. Mai reagiert Baddour in einem langen Video-Statement. Sie hätte es immer "gut gemeint" mit Reved, die ihre Aussagen offenbar falsch verstanden habe. Sie hätte etwa zum Aussehen ihrer Ex-Freundin immer nur Tipps geben wollen – ihre Kommentare seien nie als Kritik gemeint gewesen. Nach vier Tagen hat das Video über 2,2 Millionen Aufrufe. Aufgenommen wurde es in einem Hotelzimmer.

STATEMENT
Anni The Duck

Noch viel mehr Menschen werden Zeuge des öffentlich ausgetragenen Dramas über andere Youtube-Kanäle, denn natürlich greifen viele weitreichenstarke Youtuber, vor allem Männer, das Thema auf. Drama bringt Klicks, speziell wenn es um junge Frauen geht. So hat beispielsweise "KuchenTV", immerhin über 1,1 Millionen treue Abonnenten, bereits vier Videos zu der Thematik auf seinem Youtube-Kanal, die bereits über 1,8 Millionen Aufrufe zählen.

Geschäft mit dem Drama

"Etablierte Content-Creator bieten Nachwuchs-Streamerinnen Kollaborationen gegen sexuelle Gefälligkeiten an", lässt die Journalistin Lisa Ludwig kürzlich im Spiegel wissen. Ludwig arbeite schon lange in der Szene und kenne diese deshalb sehr gut. Das Drama rund um Baddour sei keinesfalls ein Einzelfall, sondern die komplette Content-Creator-Szene hätte ein "Problem mit Mobbing und Machtmissbrauch". Schlecht über andere reden sei Teil der Szene und auch wenn nicht jeder ein "schwarzes Schaf" sei, würde jeder in der Szene solch eine Geschichte kennen.

Das Problem sei, so Ludwig, dass oftmals Berufliches und Privates verschwimme, wie auch im Fall von Baddour und Reved. Wer beruflich erfolgreicher sei, der würde auch privat mehr Macht auf die andere Person ausüben. Eine Trennung oder eine öffentliche Schlammschlacht könnte den Job kosten.

Ein großes Problem sei, dass die öffentliche Meinung hier noch immer "Teenager beim Auslegen ihres Hobbys" sehe. Es würde sich hier aber mittlerweile um Firmen handeln, um eine Industrie und erwachsene Menschen, die "gewinnorientierte Entscheidungen" zu treffen haben. Weniger erfolgreiche Menschen würden hier unter die Räder kommen und ausgenutzt werden. Das sei schon seit Jahren so, aber offen darüber sprechen will eigentlich niemand.

Lernen wir daraus?

Erst vor wenigen Monaten haben wir auch beim STANDARD den Fall der jungen Grazerin Pia "Shurjoka" Scholz aufgegriffen, die sich ebenfalls im Kreuzfeuer zahlreicher anderer Content-Creator wiedergefunden hat. Auch hier waren zahlreiche große Youtuber aus Deutschland bei sogenannten Reaction-Videos federführend. Damit gemeint sind Videos, in denen ein Video einer anderen Person abgespielt und immer wieder für eigene Kommentare pausiert wird. Ludwig bezeichnet im Netz auftauchende skandalöse Anschuldigungen in Verbindung mit großen Namen, wie damals bei Scholz und jetzt bei Baddour, zurecht als "Crack für Reaction-Streamer". Klicks bringen Geld und bei diesen Fällen kann man sicher sein, dass sie geklickt werden.

Eine Lösung für die anhaltenden Probleme ist das nicht. Diese Dramen werden von Teilen der Szene offenbar eher dankend angenommen, um als Content-Creator selbst davon zu profitieren. Optimisten allerdings sehen in dem Fall auch Möglichkeiten, dass in Zukunft vielleicht doch offener über die massiven Probleme in der Szene – oder sagen wir besser Industrie, gesprochen wird. Menschen, die andere ausnutzen oder ihre Macht missbrauchen, müssen öffentlich genannt werden und das besser früher als später.

Im Falle von Baddour ist das letzte Wort in jedem Fall noch nicht gesprochen. Ihre Ex-Kollegin Mowky und andere Betroffene wollen die Geschehnisse der Vergangenheit "beweislastig" zusammenfassen. Man habe auch schon Anwälte eingeschaltet und werde die Öffentlichkeit zeitnah informieren. (Alexander Amon, 13.5.2024)