Wie René Prodell (29) mit der Kamera „sein“ Wasserburg porträtiert – und sein Schicksal annimmt!
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Wie René Prodell (29) mit der Kamera „sein“ Wasserburg porträtiert – und sein Schicksal annimmt!

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So kennen ihn die Wasserburger: René Prodell mit der Kamera vor seinem Lieblingsmotiv: dem Brucktor mit der wehenden Wasserburg-Fahne.
So kennen ihn die Wasserburger: René Prodell mit der Kamera vor seinem Lieblingsmotiv: dem Brucktor mit der wehenden Wasserburg-Fahne. © Rieger

Viele Wasserburger kennen ihn: René Prodell (29), der mit der Kamera in der Stadt unterwegs ist. Ist er mal nicht da, hat seine Abwesenheit einen traurigen Grund: Prodell hat einen seltenen Stoffwechsel-Defekt. Über einen jungen Mann, der sein Schicksal angenommen hat und unbeirrt seinen Weg geht.

Wasserburg – Wenn der Wind etwas kräftiger ist und die Wasserburg-Fahne auf dem Brucktor weht, dann kann René Prodell nicht anders: Er muss seine Kamera zücken und sein Lieblingsmotiv festhalten. Je nach Jahreszeit schaut es nämlich anders aus: mal mit vielen Wolken am Himmel, mal in warmes, mal in kühl-blaues Licht getaucht. „Das ist immer wieder eine andere Stimmung“, findet René Prodell, der eine Tageszeit besonders liebt: frühmorgens, bevor die Stadt erwacht, wenn die Straßen noch menschenleer sind.

Lungenentzündung ständiger Begleiter

Denn große Menschenansammlungen und eine intensive Geräuschkulisse sind nicht gut für ihn. Auch, weil die Ansteckungsgefahr groß ist. René Prodell hat einen Stoffwechseldefekt, das Syndrom ist eine spezielle Form, an der weltweit nur vier Menschen erkrankt sind. Dieses Syndrom führt zu einer Reihe von gesundheitlichen Problemen, so auch zu einem Immundefekt (CVID).

Doch darauf möchte René Prodell nicht reduziert werden. Überhaupt: Das Thema hakt er im Gespräch mit der Redaktion schnell ab. Er ist krank, so ist das halt. Punkt. Der 29-Jährige hat sein Schicksal angenommen. Denn es ist ihm gelungen, mit Unterstützung seiner Familie und der Stiftung Attl ein selbstständiges Leben zu führen. In seiner Lieblingsstadt Wasserburg.

Zur Welt kam René Prodell in Traunstein. Er ging vier Jahre in die Grundschule in Trostberg, besuchte dann in die Förderschule in Aschau, wechselte mit 18 Jahren in die Stiftung Attl. Im Herbst 2023 folgte der Umzug nach Wasserburg, in das Schopperstatthaus, ebenfalls von der Stiftung Attl betrieben. Hier leben Menschen in Wohngruppen zusammen, die eine Alltagsbegleitung benötigen.

Lieblingsmotive: Architektur, Landschaften und Züge

Mit dem Umzug nach Wasserburg ging für René Prodell ein Traum in Erfüllung, berichtet er strahlend. Vom Schopperstatthaus am Busbahnhof ist er in wenigen Gehminuten mitten in der Altstadt. An ihr kann er sich nicht sattsehen: „Mich faszinieren die vielen bunten Häuser“, sagt er. Motive aus der Architektur liebt der leidenschaftliche Fotograf besonders, außerdem nimmt er gerne die Landschaft rund um die Innstadt auf. Zu seinen Lieblingsmotiven gehören zudem Züge.

René Prodell genießt das Stadtleben. Er freut sich über die vielen Gespräche, die er führt, wenn er in Wasserburg unterwegs ist. „Die Menschen sind sehr nett“, stellt er immer wieder fest. Seine Lieblingsorte sind die Cafés in der Stadt. „Hier gibt es leider viel zu viele tolle Kuchen“, sagt er mit kritischem Blick auf seinen Bauch, dem dieses Schlemmen jedoch überhaupt nicht anzusehen ist. René Prodell, der keinen Führerschein hat, freut sich, dass er zu Fuß oder mit dem Stadtbus fast überall gut hinkommt. Nur die Anbindung von Attl lässt zu wünschen übrig, legt er den Finger in eine bekannte Wunde im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) der Stadt.

Unabhängigkeit ist wichtig

Unabhängigkeit ist ihm wichtig, außerdem die Teilhabe. Letztens war er sogar beim Sport: Er hat in der Rasenkraftsport-Abteilung des TSV Wasserburg mittrainiert. Hammerwerfen und Kugelstoß: Das könnte ein neues Hobby werden. Doch die Nummer eins ist und bleibt das Fotografieren. Als Jugendlicher hat René Prodell mit der Handykamera angefangen, seine Welt und das, was er entdeckt, festzuhalten. Mittlerweile fotografiert er vor allem mit seiner Canon EOS 90D. Für seinen Arbeitgeber, die Inntal-Werkstätten, hat er ebenfalls schon fotografiert: im Bereich Unternehmenskommunikation.

Außerdem folgen dem leidenschaftlichen Fotografen seine Fans auf Facebook, Instagram und Co. Hier berichtet René Prodell auch aus seinem Leben, schildert offen, wenn es ihm mal wieder nicht so gut geht. „Ich will den Menschen, mit denen ich in Kontakt stehe, nicht nur eine heile Welt zeigen, sondern ein Bild von mir, so wie ich bin und wie es mir wirklich geht“, erklärt er. „Jeder hat mal einen schlechten Tag“, möchte er seine Auszeiten jedoch nicht überinterpretiert wissen.

Wasserburg „eine sehr offene Stadt“

Manchmal prangert er auch an, wenn Menschen mit Handicaps diskriminiert oder ausgeschlossen werden. So wie jüngst, als ein Busfahrer im Beisein von René Prodell einen gehörlosen und stummen Fahrgast nachäffte, ein „respektloses Verhalten“, über das sich der 29-Jährige sehr geärgert hat. Grundsätzlich stellt er jedoch fest, dass die meisten Menschen mit Behinderung sehr wertschätzend begegnen. „Vor allem Wasserburg ist eine sehr offene Stadt“, so seine Erfahrung.

René Prodell sieht sich als Botschafter für die Inklusion, also für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Das beste Beispiel dafür, dass es gelingen kann, ist er selber. Was er sich gewünscht hat, hat er auch erreicht: einen Arbeitsplatz, der ihm gefällt, eine eigene Wohnung, Freunde, Hobbys. Und eine Familie, die ihn stets unterstützt. „Ich bin stolz auf meinen Sohn“, sagt sein Vater. „René ist eine Persönlichkeit“, findet Betreuerin Isabella Jonetzek vom Schopperstatthaus. Dem werden die Wasserburger sicherlich beipflichten.

Kurz & Bündig: Vier Fragen an René Prodell

Welches Buch haben Sie als letztes gelesen?

René Prodell: Ich lese eher Magazine. Am liebsten über die Welt der Medien. Derzeit ist ein Online-Magazin zum Thema Radio meine Lieblingslektüre.

Wenn Sie einen Wunsch freihätten, was würden Sie sich wünschen?

Prodell: Hauptberuflich etwas mit Medien tun zu können. Die Medienwelt fasziniert mich.

Wann sind Sie an Ihre Grenzen gekommen?

Prodell: Bei einem Konzert mit vielen Menschen. Das halte ich aufgrund meiner Erkrankung nur schwer aus.

Was ist Ihr größtes Talent?

Prodell: Fotos zu machen. Außerdem kenne ich mich aus mit Computer und IT. Darin bin ich, so sagen viele Freunde und Bekannte, richtig gut.

Steckbrief

Name: René Prodell

Geburtsort: Traunstein

Wohnort: Wasserburg

Alter: 29

Beruf: Mitarbeiter der Inntal-Werkstätten

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