Filmrezension: Pearl Harbor
 
21. Juni 2001

Bomben auf einen tr�gerisch paradiesischen Frieden

Pearl Harbor

Film Pearl Harbor Am Vormittag des 7. Dezember 1941, einem Sonntag, griffen japanische Kampfflugzeuge den US-Milit�rst�tzpunkt Pearl Harbor auf der zu Hawaii geh�renden Insel Oahu an; rund 2400 US-Soldaten und Zivilisten starben. Die Vereinigten Staaten hielten sich bis dahin aus dem Zweiten Weltkrieg heraus, von finanzieller und materieller Unterst�tzung f�r Gro�britannien einmal abgesehen. Einen Tag nach dem Angriff hatte US-Pr�sident Franklin D. Roosevelt die amerikanische Bev�lkerung hinter sich, Deutschland und Japan wurde der Krieg erkl�rt. Knapp 60 Jahre danach haben sich Produzent Jerry Bruckheimer und Regisseur Michael Bay dem �berraschungsangriff, noch heutzutage ein nationales Trauma der Amerikaner, filmisch gewidmet. Der Film kann sich allerdings nur tricktechnisch sehen lassen.

Seit "Casablanca", Michael Curtiz' Klassiker aus dem Jahr 1942 �ber den Widerstand gegen die Nazis, versuchen sich Filmemacher stets aufs Neue an einem Film epischer und epochaler Gr��e, in dem ein geschichtliches Gro�ereignis mit einer Liebesgeschichte kombiniert wird, deren Tragik die Tragik der Historie begleitet. Zuletzt war das in "Titanic" (1998) der Fall - der Erfolg an den Kinokassen ist noch in bester Erinnerung. "Pearl Harbor"-Regisseur Michael Bay verf�hrt nach dem gleichen Schema. Die Idee, das Desaster von Pearl Harbor mit einer Romanze zu verbinden, f�llt allerdings unausgegoren aus.

"Jeder Anti-Kriegsfilm ist auch ein Kriegsfilm", hat Stanley Kubrick einmal nicht zu Unrecht gesagt. Deswegen ist es in "Pearl Harbor" zun�chst angenehm, dass der Film eingangs Begeisterung f�r das Milit�rische gar nicht erst leugnet, um sp�ter in der fast totalen Zerst�rung der amerikanischen Pazifik-Flotte l�hmendes Entsetzen �ber die brutale Seite eines Krieges detailliert aufzuzeigen und dann aber mit �bertrieben heldenhaft-patriotischem Eintreten der Soldaten f�r ihr Land schlie�lich zu enden.

Film Pearl Harbor "Pearl Harbor" beginnt mit den Kindheitstagen von Rafe McCawley und Danny Walker, die gemeinsam bereits vom Fliegen tr�umen, als sie noch zu klein sind zum Bedienen der Maschinen und am Betreten der Maschinen noch von den Erwachsenen gehindert werden; aber die Leidenschaft l�sst die beiden ihren Traum verwirklichen und Milit�rpiloten werden. 1941 sind die erwachsen gewordenen McCawley (Ben Affleck) und Walker (Josh Hartnett) wie die anderen US-Soldaten in Bereitschaft, aber noch haben die Vereinigten Staaten mit dem Zweiten Weltkrieg au�er den finanziellen und materiellen Spenden nichts zu tun. Rafe f�hlt sich verpflichtet, mehr f�r den Frieden zu unternehmen: Er l�sst sich zum Flieger-Einsatz f�r die britische Royal Air Force �ber dem Atlantik versetzen, der so genannten "Eagle Squadron", sehr zum Leidwesen von Danny und Rafes neuer Freundin, der Army-Krankenschwester Evelyn (Kate Beckinsale), die ihrerseits auf dem vom Schlachtfeld tr�gerisch weit entfernten Hawaii stationiert werden. Die beiden erreicht die Meldung vom Abschuss Rafes. Die Trauer um den gemeinsamen Freund f�hrt die zwei zusammen. Doch Rafe lebt, konnte in den Kriegswirren keine Nachricht senden - und findet Evelyn und Danny in Pearl Harbor Monate sp�ter als Liebespaar vor. Dem Schock Rafes folgt der N�chste: Die Bombardierung des US-Flottenst�tzpunktes durch die Japaner an einem verschlafenen Sonntagmorgen.

Mit einem Budget von 140 Millionen Dollar gelang es zwar der Produktionsfirma Buena Vista International, die Ersch�tterung der betroffenen Soldaten allegorisch auch f�r die sich weitgehend im Frieden vermutende amerikanische Nation darzustellen: Der US-St�tzpunkt auf dem Paradies Hawaii wird in einer sich �ber 40 Minuten Laufl�nge des Films erstreckenden Szene zerst�rt, Echtzeit wird durch das drastische Zeigen jeder Einzelheit suggeriert, vom Anflug der japanischen Flieger in langer, menetekelhaft ruhiger Einstellung �ber die ersten Bomben, die jedem Schiff schweren bis Schwerstschaden zuf�gen, bis zu den Verwundeten, �ber deren Schicksal letzten Endes die �berlebenden Krankenschwestern zu entscheiden haben durch das Ausw�hlen der weniger stark Verletzten in der Eile der Zeit. Einfallsreich entwickelte "Braveheart"-Drehbuchautor Randall Wallace einen dreiviertel-Stunden-Takt an Z�suren f�r den Film: Rafes Abschuss �ber dem Atlantik ist ebenso ein Einschnitt wie das Bombardement an sich wie Pr�sident Roosevelts daraufhin erfolgende Kriegserkl�rung.

Die Intensit�t der Angriffsszenen und die rechnerisch durchdachte Planung des Drehbuchs sind aber die einzigen Merkmale, die diesem Film einen unverwechselbaren Charakter geben. Die M�nage � trois von Rafe, Evelyn und Danny ist wie ein Beiwerk um das Desaster von Pearl Harbor herumgelegt, mit dem historischen Angriff selbst nicht zusammenpassend, gleichzeitig sehr konventionell und ohne �berraschungen. Der Zusammenhang der Geschichte um das Dreieck Rafe, Evelyn und Danny mit dem Krieg wird bem�ht hergestellt mit patriotisch unbotm��ig heldenhaften Elementen: Rafe und Danny holen noch w�hrend des Angriffs japanische Maschinen vom Himmel und werden auch bei der Racheattacke der Amerikaner auf Japan dabei sein - was daran erinnert, dass Produzent Bruckheimer auch f�r "Top Gun" einst verantwortlich gezeichnet hat: Amerikanische Soldaten sind Helden ohne Furcht und Tadel. Das von Buena Vista herausgegebene Pressematerial zu "Pearl Harbor" stellte zu hohe Anspr�che gerade an das im Film erz�hlte Dreiecksverh�ltnis: Als "die leidenschaftlichste Liebesgeschichte seit dem Film mit dem Eisberg" wird die Produktion dort bezeichnet. Um den Eindruck der hohen Messlatte zu relativieren, wird der Satz "von Sp�ttern als 'Titanic mit Bomben' bezeichnet" im folgenden Abschnitt nachgeschoben. James Camerons Film �ber den Untergang des als unsinkbar bezeichneten Schiffes stand zu deutlich Pate f�r "Pearl Harbor", zu deutlich sind die angestrengten Bem�hungen der Macher von "Pearl Harbor", dem Vorbild an Bedeutung und Einspielergebnis in nichts nachzustehen. "Titanic" wird regelrecht zitiert, wenn das US-Schlachtschiff "USS Arizona" w�hrend des Bombenhagels auf die Seite kippt und sich Teile der Besatzung im 90 Grad-Winkel am untergehenden Schiff verzweifelt festzuhalten versuchen.

Trotz des pr�chtigen tricktechnischen Aufwands, mit dem die Zerst�rung Pearl Harbors detailliert beschrieben wurde, kann der Film die geschichtlichen Ereignisse nicht korrekt wiedergeben: Der neueste wissenschaftliche Stand der Historiker weist Pr�sident Roosevelt als bereits vor dem Angriff auf Pearl Harbor informiert aus; der Film schildert das explizit anders. Die 2400 Opfer auf Oahu dienten der obersten F�hrung der USA, ihr kriegsdesinteressiertes Volk umzustimmen. "Pearl Harbor" muss sich dahingehend den Vorwurf der Geschichtsklitterung gefallen lassen.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * (2 von 5)

Quelle der Fotos: Touchstone Pictures


Filmdaten

Pearl Harbor
(Pearl Harbor)

USA 2001
Regie: Michael Bay;
Drehbuch: Randall Wallace ("Braveheart", 1996); Produzenten: Jerry Bruckheimer, Michael Bay; Kamera: John Schwartzman; Schnitt: Chris Lebenzon, Steven Rosenblum, Mark Goldblatt; Kost�me: Michael Kaplan; Musik: Hans Zimmer; Casting: Bonnie Timmerman;
Darsteller: Ben Affleck (Rafe McCawley), Josh Hartnett (Danny Walker), Kate Beckinsale (Evelyn Johnson), Cuba Gooding Jr. (Doris 'Dorie' Miller), William Lee Scott (Billy), Greg Zola (Anthony Winkle), Tom Sizemore (Earl), Ewen Bremner ("Trainspotting"; Red), Jon Voight (Pr�sident Franklin Delano Roosevelt), Alec Baldwin (General Doolittle), James King (Betty), Catherine Kellner (Barbara), Jennifer Garner (Sandra), Michael Shannon (Theo), Matthew Davis (Joe), Mako (Adm. Yamamoto), Colm Feore (Adm. Kimmel), Dan Aykroyd (Capt. Thurman), William Fichtner (Dannys Vater), Daniel Mays (Pilot), John Diehl u.a.;

L�nge: 183 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von Buena Vista International; deutscher Kinostart: 7. Juni 2001



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"Horrorfilme funktionieren immer. Aber in Zyklen. Wenn ein Horrorfilm gut l�uft, machen Leute viele Horrorfilme, �berladen den Markt, bis da zu viele Horrorfilme sind, und die Leute werden mit dem Drehen von Horrorfilmen herunterfahren. Und dann beginnt es von Neuem."

Regisseur, Schauspieler und Produzent Roger Corman (5. April 1926 - 9. Mai 2024)

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