Einfluss individueller Stressregulation auf die psychische Gesundheit | Gelbe Liste

Einfluss individueller Stressregulation auf die psychische Gesundheit

Eine aktuelle Studie untersuchte individuelle Unterschiede in der Stressregulation. Die Ergebnisse legen den Grundstein für eine bessere Prävention und personalisierte Therapie von psychiatrischen Erkrankung wie Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen.

Gestresste Frau Büro

FKBP5 in der molekularen Regulation von Stress

Was manche von uns stresst, lässt andere kalt. Wie kommt es zu diesen individuellen Unterschieden in der Stressempfindlichkeit und Emotionsregulation? Diese Frage treibt Neurowissenschaftler schon lange um. Gen-Umwelt-Interaktionen scheinen hier eine bedeutende Rolle zu spielen. Vor allem Stress während der neuronalen Entwicklungsphase in Kindheit und früher Jugend, kann bei genetisch vulnerablen Menschen das Risiko für spätere psychische Erkrankungen erhöhen. Auf molekularer Ebene lassen sich passend dazu epigenetische Veränderungen nachweisen. Ein Beispiel dafür ist die DNA-Methylierung des Gens FKBP5. Dieses Gen ist einer der Hauptregulatoren molekularer Stresssignale und wird mit verschiedenen psychischen Erkrankungen wie Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen in Verbindung gebracht.

Mannheimer Forscher untersuchen Einfluss von FKBP5 auf neuronale Netzwerke

Forscher des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim und der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg untersuchten in einer Studie nun verschiedene Assoziationen zwischen der DNA-Methylierung von FKBP5 und emotionsregulierenden Netzwerken im Gehirn [1]. Die DNA-Methylierung ist ein regulatorischer Prozess zur Steuerung der Genaktivität.

Die 395 Teilnehmer der Studie waren im Schnitt 28 Jahre alt, durften keine psychischen Erkrankungen aufweisen und nicht abhängig von Alkohol oder Drogen sein.

Laborparameter, Bildgebung und Ecological Momentary Assessment

Das Blut der Probanden wurde auf methylierte DNA (DNAm) von FKBP5 hin untersucht. Mithilfe der funktionellen MRT wurden mehrere für die Stressregulation verantwortlichen Areale des Gehirns beurteilt: Amygdala, Hippocampus, ventromedialer präfrontaler Kortex (vmPFC) und der anteriore cinguläre Kortex (ACC). Einige Teilnehmer (n=64) beantworteten zudem über sieben Tage Fragen zu ihren Gedanken und Gefühlen via Smartphone (Ecological Momentary Assessment).

Epigenetische Regulation von FKBP5

Die Analyse der Studienergebnisse zeigt, dass die Demethylierung von FKBP5 als Risikofaktor für psychische Erkrankungen mit einer Volumenreduktion der grauen Substanz im vmPFC einher geht. Der vmPFC ist involviert bei der Emotionsregulation und beeinflusst unsere Resilienz. Der Effekt der epigenetischen Hochregulierung von FKBP5 auf die neuronale Struktur ist stärker, wenn FKBP5 bei Baseline epigenetisch herunter reguliert war.

Negative Korrelation von FKBP5-DNA mit vmPFC-Amygdala-Konnektivität

Was die Messung von FKBP5-DNAm im peripheren Blut der Teilnehmer angeht, zeigten sich folgende Ergebnisse: FKBP5-DNAm im peripheren Blut korrelierte negativ mit der Vernetzung zwischen vmPFC und rechter Amygdala. Das bedeutet, je niedriger FKBP5-DNAm im peripheren Blut war, desto stärker war die Konnektivität zwischen vmPFC und Amygdala. Vereinfacht gesagt, bedeutet dies: Menschen, bei denen die regulierenden Einflüsse des vmPFC auf die Amygdala geringer sind, reagieren stärker auf alltäglichen Stress.

Besseres Verständnis der Stressverarbeitung als Grundstein für Prävention und Therapie

Die Studienergebnisse zeigen den Einfluss von FKBP5 auf die individuelle Stressregulation, was sich in strukturellen und funktionellen Veränderungen der Verbindung präfronatler und limbischer Hirnregionen widerspiegelt. „Diese Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt, um die biologischen Grundlagen von Stressverarbeitung und psychiatrischen Erkrankungen zu verstehen“, sagt Dr. Urs Braun, Leiter der Arbeitsgruppe Komplexe Systeme in der Psychiatrie am ZI [2].

Die Ergebnisse der Studie haben das Potenzial, Prävention und Therapie psychiatrischer Erkrankungen zu verbessern. „Das langfristige Ziel ist es, durch dieses neurobiologisch fundierte Verständnis innovative Ansätze zur personalisierten Behandlung von psychiatrisch erkrankten PatientInnen zu entwickeln“, so Braun.

Autor:
Stand:
08.05.2024
Quelle:
  1. Kremer et al. (2024): Multimodal Associations of FKBP5 Methylation with Emotion-Regulatory Brain Circuits. Biological Psychiatry, DOI: https://doi.org/10.1016/j.biopsych.2024.03.003
  2. Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Pressemeldung, 09.04.2024; abgerufen am 17.04.2024
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