Richter: Motive für diesen Mord sind „unterste Schublade“
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Hochbeet-Prozess beendet

Richter: Die Motive für diesen Mord sind „unterste Schublade“

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Das Schwurgericht ist überzeugt: Die Angeklagte im Hochbeet-Fall tötete ihren Freund, um ihr Gesicht zu wahren. Lesen Sie hier, wie der Richter das Urteil begründete.
Veröffentlicht:07.05.2024, 17:00

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Etliche Zuschauer fanden keinen Platz mehr im Saal am Landgericht Ravensburg, als die Schwurgerichtskammer das Urteil im sogenannten Hochbeet-Mordprozess verkündete. Die 37-Jährige Angeklagte muss wegen des Mordes an ihrem 39-jährigen Partner, dessen Leiche sie in einem Hochbeet versteckt hat, eine lebenslange Freiheitsstrafe absitzen. Der Richter sagte, ihre Motivlage sei „unterste Schublade“ gewesen und sie selbst „in hohem Maße abgebrüht“.

37-Jährige hat Partner laut Gericht heimtückisch getötet

Die Frau trug ihr platinblond gefärbtes Haar, dem in der Haft ein naturblonder Ansatz nachgewachsen ist, am Tag der Urteilsverkündung zur Seite gesteckt. Sie schaute konzentriert zur Richterbank, zeigte aber äußerlich keine Regung. Im gesamten Prozessverlauf war sie gefasst, weinte nur anfangs, als es um ihre angeblichen Ausgrenzungserfahrungen in der Kindheit ging. Sie legte kein Geständnis ab. Auf die Möglichkeit, sich im „letzten Wort“ vor der Urteilsverkündung zu äußern, verzichtete sie.

Doch die Schwurgerichtskammer war nach sechs Verhandlungstagen überzeugt, dass sie ihren Freund nach 16 Jahren Beziehung mit einem gezielten Messerstich in den Hals während seines Mittagsschlafs am 22. September 2023 getötet hat und ihn verbluten ließ. Sie habe die Tat nicht nur heimtückisch, sondern auch aus niedrigen Beweggründen begangen, sagte Richter Böhm.

Die Beziehung sei bereits seit einigen Jahren unglücklich gewesen. Böhm sagte an die Angeklagte gewandt: „Sie hätten ihre Sachen packen und gehen können.“

Freund wusste nichts von der Finanzmisere

Stattdessen sei die Frau aus Bequemlichkeit in dem idyllisch gelegenen Haus geblieben, das ihrem Freund vom Lebensgefährten seiner Mutter mietfrei zur Verfügung gestellt wurde. Sie habe außerdem nicht auf das volle Gehalt des Partners verzichten wollen, mit dem ein Teil der Lebenshaltungskosten bestritten wurde.

Sie selbst hatte kurz vor der Tat Schulden in Höhe von rund 90.000 Euro, arbeitete aber nur Teilzeit. Der Freund wusste nichts von der Finanzmisere, drohte aber, dahinterzukommen. Die Angeklagte hatte nach Überzeugung des Gerichts für einen angeblich gemeinsam aufgenommenen Kredit seine Unterschrift gefälscht.

Hochbeet passt zur bürgerlichen Fassade

Spätestens am Morgen des 22. September habe sie den Entschluss gefasst, ihn noch an diesem Tag zu töten. Denn sie hätte nach Einschätzung von Richter Böhm nicht ertragen, dass ihr Lügengebäude zusammenstürzt, sie durch die Zwangsvollstreckung womöglich einen Gesichtsverlust, eine Demütigung erleidet.

Die Art, auf welche die Angeklagte nach der Tat die Leiche versteckt hat, war aus Sicht des Richters der Grund für das große öffentliche Interesse an dem Fall: Sie kaufte am Tag nach der Tat ein Hochbeet, baute es um die Leiche herum auf und füllte es mit Holzschnitzeln und Grasschnitt.

Hinter der Fassade der Bürgerlichkeit tun sich hier kaum vorstellbare Abgründe auf.

Veiko Böhm

Wie die Angeklagte die Leiche versteckt hat und das Verschwinden ihres Freundes verschleiern wollte, ist für Böhm „in hohem Maße abgebrüht“. Sie hat eine Legende erfunden, wonach er in dubiose Geldgeschäfte verstrickt gewesen und dafür nach Stuttgart gefahren sein soll ohne wieder zurückzukehren. Nachdem sie ihn nach Überzeugung des Gerichts ermordet hat, putzte sie die Wohnung vermutlich in einer Wathose, um nicht mit dem Blut in Berührung zu kommen, wie die Staatsanwältin ausgeführt hatte.

Besorgte Nachrichten an einen Toten

Die mutmaßliche Mörderin schickte besorgt klingende Nachrichten an seine Handynummer, wo er denn stecke, und schließlich meldete sie ihn als vermisst. „Nachrichten an den Partner zu verschicken, obwohl der schon tot ist, ist perfide“, sagte Böhm. Außerdem habe sie Freunde und die Mutter des Partners, die nach ihm suchen wollten, hingehalten und falsch informiert. „All das zeugt vom Ausmaß dessen, wie verlogen Sie sind.“ Freunde machten die Polizei auf Widersprüche aufmerksam. Am 12. Oktober kam es zu einer Hausdurchsuchung, bei der Leichenspürhunde am Hochbeet anschlugen.

Eine lange Schlange wartender Menschen hat sich am Morgen des letzten Prozesstages gebildet.
Eine lange Schlange wartender Menschen hat sich am Morgen des letzten Prozesstages gebildet. (Foto: Lena Müssigmann)

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Staatsanwältin Mona Düffert und Verteidiger Samuel Fischer wollen prüfen, ob sie Rechtsmittel dagegen einlegen. Düffert hatte eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes mit besonderer Schwere der Schuld gefordert. Die Frau habe nach der Tat eine weitere Straftat begangen, indem sie das Konto des Opfers leergeräumt habe. Auch Düffert sprach von Abgebrühtheit und Kaltblütigkeit.

So reagiert der beste Freund auf das Urteil

Fischer plädierte auf acht Jahre Haft wegen Totschlags. Er zweifelte nicht an, dass seine Mandantin ihrem Freund den tödlichen Stich versetzt hat. Doch er führte aus, dass es seiner Ansicht nach einen handgreiflicher Streit wegen der massiven Verschuldung gegeben haben muss.

Nach der Urteilsverkündung versammeln sich Freunde des getöteten Mannes vor dem Gerichtsgebäude. Sein bester Freund weinte. Die Aufarbeitung des Falls vor Gericht habe er als „sehr intensiv“ erlebt, sagt er wenig später. „Man sieht an ihrer Reaktion, dass sie nicht viel Reue empfindet.“ Für ihn sei wichtig gewesen, dass der psychiatrische Gutachter der Angeklagten keine Diagnosen ausgestellt hat, die eine Schuldminderung oder Schuldunfähigkeit begründet hätten. Er sei zufrieden mit dem Urteil, „auch wenn’s nicht viel bringt“. Im März sind sie gemeinsam ins Heimatland des Opfers, Vietnam, geflogen. Dort haben sie die Asche des Mannes ins Meer gestreut.