Mirko Slomka im Interview: "Meine Zeit als Trainer ist vorbei" - kicker
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Mirko Slomka im Interview: "Meine Zeit als Trainer ist vorbei"

Über den geplanten Jobwechsel und neue Ziele

Slomka im Interview: "Meine Zeit als Trainer ist vorbei"

Nach Stationen auf Schalke, bei Hannover 96, dem HSV und beim Karlsruher SC soll Schluss sein mit der Trainerkarriere: Mirko Slomka.

Nach Stationen auf Schalke, bei Hannover 96, dem HSV und beim Karlsruher SC soll Schluss sein mit der Trainerkarriere: Mirko Slomka. imago images/Nordphoto

Als Trainer hat Mirko Slomka Erfahrungen von immenser Bandbreite gesammelt. Zunächst über ein Jahrzehnt im Nachwuchs von Hannover 96 und Tennis Borussia Berlin, später auf Schalke in der Champions League. 2007 wurde unter seiner Regie gar die historische Chance auf die Meisterschale erarbeitet - und am Ende doch wieder verspielt. Es folgten berauschende Jahre in Hannover mit gleich zwei Europa-League-Teilnahmen sowie enttäuschende Engagements beim Hamburger SV, in Karlsruhe und nochmals bei 96. Jetzt sieht sich Slomka reif für einen Jobwechsel.

Seit einigen Wochen sind Sie von der Universität St. Gallen zertifizierter Sportmanager. Was hat Ihnen das knapp sechsmonatige Studium außer dem formalen Abschluss gebracht, Herr Slomka?

Eine unwahrscheinliche Horizonterweiterung, mit der ich vorab in diesem Maße nie gerechnet hätte. Mit Leadership und Kommunikation habe ich mich natürlich als Fußballlehrer sowieso über Jahrzehnte beschäftigt, auch im Rahmen des Elitetrainer-Programms des DFB. Aber jetzt kamen Felder hinzu wie das Führen von Sportunternehmen, strategisches Sportmanagement, das bewusste Einsetzen von Verhandlungstechniken. Plus die Bereiche Merchandising, Sponsoring und Digitalisierung, die mich alle extrem gefesselt haben.

Und nun sind Sie, wie im Frühjahr angekündigt, nach rund vier Jahren Pause bereit für ein neues Trainer-Engagement?

Nein. Ich sage inzwischen sogar ganz klar: Meine Zeit als Trainer ist vorbei. Das Studium in St. Gallen mit herausragenden Dozenten und hochinteressanten Gastrednern hat bei mir eine Leidenschaft geweckt und zur Überzeugung geführt: Die vielfältigen Tools, die ich jetzt an der Hand habe, möchte ich bei einem Verein auf der Management-Ebene anwenden.

Als Sportdirektor? Oder sollte es gleich die Vorstandsebene sein?

Das wäre zweitrangig. So oder so würde ich mich als Bestandteil eines Teams verstehen, das intern knallhart kontrovers diskutieren kann und muss - aber Entscheidungen dann gemeinsam verantwortet und auch nach außen vertritt. Logisch wäre auch, dass ich nah am Fußball arbeiten würde. An der Mannschaft, am Trainer und nicht zuletzt am Nachwuchsleistungszentrum. Ausbildung ist im deutschen Fußball ja nicht umsonst ein ganz großes Thema.

Die Nachwuchsreform des DFB

Sie waren mehr als zehn Jahre lang Jugendtrainer bei Hannover 96 und TB Berlin. Was halten Sie von den Nachwuchsreformen unter Federführung von DFB-Sportdirektor Hannes Wolf?

Ich finde das Konzept prinzipiell sehr gut. Die zugrunde liegenden Erkenntnisse sind ja unstrittig und keineswegs neu: Maximale Einsatzzeiten und maximale Zahl von Ballkontakten zahlen voll ein auf die individuelle Entwicklung der Spieler. Was darüber nicht vernachlässigt werden sollte, ist das Gewinnen und Verlieren. Beides gehört zu einem essenziellen Reifeprozess, auch und gerade im Kindesalter. Wer sich das Konzept genau anschaut, findet aber auch diesen Aspekt berücksichtigt.

Stichwort Trainer: Worauf müsste der sich unter einem Vorgesetzten Mirko Slomka einstellen, der ja praktisch alles selbst erlebt hat - und vielleicht auch besser weiß?

(lacht) Keine Sorge. Gerade weil ich mich aus eigener Erfahrung in viele Situationen hineinversetzen kann, hätte ich den Anspruch, eine möglichst produktive Arbeitsatmosphäre für den Trainer zu schaffen. Als Sparringspartner, Ratgeber und Unterstützer, aber sicher nicht als jemand, der versucht, Aufstellung oder Taktik zu bestimmen. Dass eine solche Konstellation niemals zum Erfolg führen könnte, ist doch sonnenklar.

Mirko Slomka

Auftritt für den guten Zweck: Mirko Slomka (re.) mit der Band Fury in the Slaughterhouse beim Eishockey Open Air 2022 in Hannover. IMAGO/Future Image

Zu viel Verständnis ist mitunter aber vielleicht auch nicht gut. Das Festhalten von Sportvorstand Dieter Hecking, selbst jahrzehntelang Trainer, an Coach Robert Klauß beim 1.FC Nürnberg kam jedenfalls vielen Beobachtern quälend lange vor. Und die unvermeidliche Trennung dann viel zu spät.

Im Nachhinein lässt sich das von außen leicht so beurteilen. Ich bewerte den Fall trotzdem etwas anders: Jeder Trainer brauchte und braucht in seiner Laufbahn auch holprige Phasen, in denen er reifen und seine eigenen Grenzen verschieben kann. Diese Erfahrung hatte Dieter selbst als Fußballlehrer sicher auch gemacht, wie wir alle. In diesem Wissen einem Trainer, von dem man prinzipiell überzeugt ist, länger Rückendeckung zu geben, als es Umfeld oder Medien vielleicht gerne hätten, ist ganz sicher kein Fehler. Dafür fallen mir etliche Beispiele ein, auch wenn es keine Garantien gibt.

Woran denken Sie?

Zum Beispiel an meine eigene Geschichte als Cheftrainer bei Hannover 96 in der Saison 2009/10. Als ich dort übernommen hatte, verloren wir die ersten sechs Spiele. Nach dem Freitod von Robert Enke herrschten besondere Umstände, dennoch hätte man vom neuen Trainer da sicher andere Ergebnisse erwartet. Doch ein bisschen Geduld hat sich gelohnt, in den beiden Folgesaisons qualifizierten wir uns für die Europa League.

Ihr Chef war damals Jörg Schmadtke, der ebenfalls eine Fußballlehrer-Ausbildung besitzt. Weshalb ihm auf verschiedenen Stationen gerne nachgesagt wurde, er habe sich im Grunde immer selbst für den geeigneteren Trainer gehalten …

Das kann ich definitiv nicht bestätigen. Es gab nicht einen einzigen Punkt, an dem ich den Eindruck hatte, Jörg wolle in meinen Bereich hineinreden.

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Umgekehrt äußerten Sie sich schon mal nach außen kritisch über Transferpersonalien, was zu Reibereien führte. Wären Sie da als künftiger Manager nicht auch pikiert - oder war Schmadtke zu empfindlich?

Das Leben ist Gott sei Dank ein stetiger Lernprozess. Bei allem Druck, der in unserer Branche herrscht, würde ich mich heute als Trainer anders verhalten. Und als Sportlicher Leiter das Verhalten des jungen Mirko Slomka mit Nachsicht bewerten … (lächelt)

Aktuell besitzt in Hannover Stefan Leitl den Status als "Aufstiegstrainer der Zukunft". Nach der enttäuschenden Rückrunde 2022/23 und im August nach dem Pokal-Aus in Sandhausen wurde noch heftig über ihn diskutiert.

Das ist doch ebenfalls ein gutes Beispiel. Sportdirektor Marcus Mann und Leitl wirken auf mich wie ein echtes Team. Da herrscht ein Grundvertrauen, und das hilft enorm. Denn es ist schlichtweg sinnvoll, die konzeptionelle Arbeit eines Trainers nicht allein in Abhängigkeit von den kurzfristigen Ergebnissen zu bewerten.

Wie blicken Sie dann beispielsweise auf die Trennung von Union Berlin und Langzeittrainer Urs Fischer? Der wird doch wohl seit vergangenem Sommer kein schlechterer Trainer geworden sein …

Sicher, das ist auch jedem bewusst. Deshalb ist man ja definitiv nicht überstürzt auseinandergegangen. Es wirkt eher so, dass das, was jahrelang genau richtig war, mit der deutlich veränderten Mannschaft nicht mehr zum Erfolg geführt hat. Diese Frage muss sich dann sicher auch das Management stellen: Hat die Kaderzusammenstellung eigentlich noch zu den Vorstellungen des Trainers gepasst?

Ich als Vereinsverantwortlicher wäre ein großer Freund von einem permanenten Trainerscouting.

Mirko Slomka

In der Regel stellt sich diese Frage ja umgekehrt …

Stimmt. Deshalb wäre ich als Vereinsverantwortlicher auch ein großer Freund von einem permanenten Trainerscouting. So wie man den Spielermarkt ja ebenfalls ständig im Blick hat. Sich mit Trainern zu treffen, um ein Gefühl für ihre Persönlichkeit und ihre Arbeitsweise zu bekommen, würde ich definitiv als wichtigen Bestandteil meiner strategischen Arbeit sehen. Gerade in Zeiten, in denen man aktuell gar keinen neuen Trainer sucht.

Empfänden Sie das nicht trotzdem als irgendwie fragwürdig gegenüber dem gerade amtierenden Coach?

Das wäre eine völlig falsche Sichtweise. Es wäre doch im Sinne des Vereins viel fragwürdiger, planlos in eine Situation hineinzulaufen, die sich früher oder später vermutlich stellen wird. Man kann sich im Fußball sicher nicht auf alles vorbereiten, aber auf vieles. Dass irgendwann einmal ein neuer Trainer gebraucht wird, ob in einem Jahr, in fünf oder in zehn - diese Wahrscheinlichkeit ist für jeden Verein erfahrungsgemäß relativ hoch. Mit Blick auf Urs Fischer oder auch Bo Svensson finde ich aber noch etwas wichtig.

Nämlich?

In beiden Fällen wurde ganz offensichtlich gemeinsam mit dem Trainer sehr vertrauensvoll besprochen, wann der richtige Zeitpunkt für eine Trennung gekommen ist. Bei Union wie in Mainz haben also die Beteiligten bis zuletzt im Team und maximal im Vereinsinteresse gearbeitet. Für mich hat das Vorbildcharakter. Und es beweist, dass es bei Trainerwechseln, so schmerzhaft sie trotzdem sein mögen, in der Öffentlichkeit keine Verlierer geben muss.

Interview: Thiemo Müller

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