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Wie Carsten Maschmeyer zum Doktortitel kam

Universitaet Hildesheim Ehrendoktor Carsten Maschmeyer Universitaet Hildesheim Ehrendoktor Carsten Maschmeyer
Prominenz bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde (v.l.): Gerhard Schröder, Christian Wulff, Dekan Prof. Dr. Martin Schreiner, Uni-Präsident Wolfgang-Uwe Friedrich, Dr. h.c. Carste...n Maschmeyer
Quelle: Andreas Hartmann
Als Unternehmer hat Carsten Maschmeyer in vielerlei Hinsicht Erfolg, sein Studium brach er jedoch früh ab. Und doch kam er zu einem Doktortitel. Sehr umstritten.

Carsten Maschmeyer weiß, wie man erfolgreich wird. So schreibt es der Unternehmer zumindest in seinem neuen Buch „Selfmade. erfolg reich leben“. Es handelt vor allem vom Leben Maschmeyers. Und dass dieses Leben von Erfolg geprägt war, lässt sich nicht bestreiten.

Maschmeyer hat es weit nach oben geschafft. Beruflich und privat. Verlobt ist er mit der Schauspielerin Veronica Ferres. Und Geld hat der 52-Jährige so viel verdient, dass er es ruhiger angehen lassen kann. In den 80er-Jahren stampfte er den Finanzdienstleister AWD aus dem Boden, und als er 2008 ausstieg, war er Multimillionär.

Sogar zum Doktorgrad hat Maschmeyer es gebracht. Er ziert heute die Homepage der Beratungsfirma MaschmeyerRürupAG, die der Unternehmer mit einem renommierten Rentenexperten betreibt. Dort stellen sich die Gründer in aller Titelpracht vor als Professor Dr. Dr. h. c. Bert Rürup und als Dr. h. c. Carsten Maschmeyer.

Von wissenschaftlichen Meriten nichts bekannt

Es ist dieser Titel, der beim Blick auf Maschmeyers Biografie überrascht. Denn der niedersächsische Unternehmer mag in vielerlei Hinsicht Erfolg gehabt haben – von wissenschaftlichen Meriten ist nichts bekannt. Seine universitäre Laufbahn besteht aus einem Medizinstudium, das er nach einigen Semestern abbrechen musste, nach eigenem Bekunden wegen zu vieler Fehlzeiten. Wie also kommt so jemand zur Doktorwürde?

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Akademische Titel werden kritisch beäugt, seit im vergangenen Jahr in den Dissertationen mehrerer Politiker Plagiate aufflogen. Die meisten Doktoren legen seither sehr großen Wert darauf, dass sie jahrelang wissenschaftlich auf höchstem Niveau schuften mussten, um den Doktorgrad zu erreichen.

Und dass sie missbilligen, wenn Karrieristen sich mit einer Feierabend-Dissertation einen schicken Titel für die Visitenkarte beschaffen wollen. Aber der Fall Maschmeyer zeigt, dass der Promotions-Wildwuchs noch andere Blüten treibt. Dass es offensichtlich auch ohne wissenschaftliche Spitzenleistungen geht – mitten in Deutschland, und das völlig legal.

Der Weg zum Doktor ohne wissenschaftliche Spitzenleistungen führt an manchen Hochschulen über die beiden Buchstaben h. c. – sie stehen für honoris causa und kennzeichnen die Ehrendoktorwürde. Sie kommt nicht zum ersten Mal ins Gerede. So verlieh die Humboldt-Universität Berlin einen solchen Titel den Künstlern und Reichstagsverhüllern Christo und Jeanne-Claude als Anerkennung für ihr Gesamtwerk.

Der langjährige VW-Betriebsratschef Klaus Volkert bekam bei der Verleihung gleich noch vom Dekan gesagt, dass mit der Ehrenpromotion für ihn die Verbindung zwischen Universität und VW gestärkt werden sollte. Selbst Nichtakademiker erhalten Ehrenpromotionen. Es geht bei diesen Titeln anscheinend nicht immer um einen wissenschaftlichen Nachweis.

Die Laudatio hielt Maschmeyer-Freund Christian Wulff

Auch bei Carsten Maschmeyer nicht. Am 14. August 2009 – an seinem 50. Geburtstag – ernannte ihn die Universität Hildesheim zum Ehrendoktor. Die Laudatio hielt der damalige niedersächsische Ministerpräsident und Maschmeyer-Freund Christian Wulff.

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Aus diesem Anlass trug sich der gebürtige Hildesheimer Maschmeyer am gleichen Tag in das Goldene Buch der Stadt ein. Ein großer Tag für ihn. Von wissenschaftlichen Verdiensten ist an diesem Tag aber gar nicht erst die Rede. Offizielle Begründung der Uni: Maschmeyer erhalte den Titel als Anerkennung seiner „ausgezeichneten Verdienste um die Förderung der Wissenschaften“.

Diese Förderung war unter anderem finanzieller Natur. Im April 2008 spendete der Unternehmer dem Fachbereich I eine halbe Million Euro, um eine Juniorprofessur „Neurobiologische Grundlagen des Lernens“ einzurichten – ein Wissensgebiet, für das sich Maschmeyer schon länger interessiert.

Es war nicht seine erste Spende für die Wissenschaft, auch an anderer Stelle hatte sich Maschmeyer als Mäzen hervorgetan – ohne Ehrendoktor zu werden. Zwar würdigte ihn auch die Universität Hannover, nachdem er dort mit seinem Privatvermögen eine Professur gestiftet hatte.

Allerdings wurde er Ehrensenator. Diese Auszeichnung sei gerade für Förderer der Hochschule vorgesehen, sagt Uni-Präsident Erich Barke. „Eine Ehrenpromotion wäre dagegen völlig abwegig gewesen, denn diese ist bei uns nur für wissenschaftliche Verdienste vorgesehen.“

Nicht so in Hildesheim. Dort kann der Ehrendoktor in „Anerkennung hervorragender wissenschaftlicher Leistungen“, aber auch für „kulturelle Verdienste“ verliehen werden und eben für „Verdienste um die Förderung der Wissenschaften“. Allerdings: Wie „Welt Online“ erfuhr, kam dieser Passus erst wenige Monate vor Maschmeyers Ehrung in die Promotionsordnung.

Warum wurde der Passus in der Promotionsordnung erweitert?

Am 10. März 2009 teilte die Uni die Änderung des Regelwerks im Verkündungsblatt mit, beschlossen wurde sie bereits im Juli 2008. Der Vorschlag für Maschmeyers Ehrendoktorwürde kam nach Angaben der Universität nicht aus den Lehrbereichen, sondern aus der Bürgergesellschaft. Dieser wurde vom Universitätspräsidenten Wolfgang-Uwe Friedrich unterstützt. Doch warum wurde der Passus in der Promotionsordnung erweitert?

Die Universität teilte „Welt Online“ mit: „Damit wollte die Hochschule ein Mittel schaffen, um eine Kultur der Anerkennung zu stärken.“ Präsident Friedrich weist darauf hin, dass „nur rund drei Prozent des deutschen Spendenaufkommens der Wissenschaft zugutekommen“. Er setze sich „nachdrücklich für eine Kultur der Anerkennung ein“.

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Die Wissenschaftswelt tut sich schwer mit dem Ehrendoktortitel, den die Allgemeinheit oft mit einem normalen Doktortitel verwechselt. Eine bundesweite Vorgabe für die Vergabe gibt es nicht. Das Promotionsrecht liegt bei den jeweiligen Fakultäten. Die jeweiligen Länder können jedoch gesetzliche Rahmen bestimmen – für welche Leistungen etwa ein Doktortitel vergeben wird.

Das niedersächsische Wissenschaftsministerium ist nicht streng: „Grundsätzlich bieten Ehrenpromotionen den Hochschulen die Möglichkeit, in angemessener Weise vorbildliche Leistungen und persönlichen Einsatz für die Wissenschaft zu würdigen“, erklärt das Ministerium.

Dennoch scheint sich die Praxis an den anderen Hochschulen des Landes deutlich von der in Hildesheim zu unterscheiden. So versichert etwa die Technische Universität Braunschweig, ein Ehrendoktor werde für „wissenschaftliche oder wissenschaftsadäquate Leistungen“ verleihen, „die durch in aller Regel zwei externe Gutachten bestätigt werden müssen“.

"Ehrenpromotion ist unterschiedlich viel wert"

Und man stellt klar: „Eine Ehrenpromotion für Verdienste um die finanzielle Förderung der Wissenschaft ist nicht möglich.“ An der Universität Osnabrück räumt man zwar ein, in der Vergangenheit durchaus etwas großzügiger gewesen zu sein und auch gesellschaftliche Verdienste gewürdigt zu haben. Seit einigen Jahren sei der Ehrendoktor aber auch dort verdienten Wissenschaftlern vorbehalten.

Deutliche Worte hört man jedoch nur hinter vorgehaltener Hand: „Eine Ehrenpromotion ist unterschiedlich viel wert, je nachdem, woher sie kommt“, sagt ein Professor einer Fakultät, die sich selbst als restriktiv in der Titelvergabe bezeichnet.

„Überall steht in den Promotionsordnungen etwas von wissenschaftlichen oder ideellen Verdiensten, aber im korrumpierten Betrieb heutiger Hochschulen schauen manche eben auch aufs Wirtschaftliche.“

Kritische Geister wollten die Ehrenpromotion für Maschmeyer denn auch nicht einfach hinnehmen und erstatteten bereits im Sommer 2009 Strafanzeige. Die Antikorruptionsabteilung der Staatsanwaltschaft Hannover startete Vorermittlungen, stellte diese aber ein. Es fehle an einer nachweisbaren Abrede zwischen Maschmeyer und der Hochschule, dass die Spende die Gegenleistung für die spätere Ehrenpromotion sein solle, hieß es.

Außerdem stehe der Universität bei der Auslegung der Gründe für eine Ehrenpromotion ein Beurteilungsspielraum zu. Eine Ehrung von Spendern sei strafrechtlich nicht zu beanstanden. „Dies bedeutet zugleich, dass die dergestalt Geehrten ihre Titel zu Recht führen.“ Im Wissenschaftsbetrieb bemängeln dennoch viele die Lage.

Die Hochschulrektorenkonferenz hat sich bereits in den 90er-Jahren mit dem Titelwildwuchs beschäftigt. Ihre eindeutige Empfehlung, die immer noch gilt: „Der Grad des Dr. h. c. wird aufgrund wissenschaftlicher Leistungen verliehen.“

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