Armin Thurnhers Seuchenkolumne #1276 - Gebirgsstelzen als Schutz vor dem Wahnsinn - FALTER.at

Gebirgsstelzen als Schutz vor dem Wahnsinn

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 1276

Armin Thurnher
am 10.05.2024

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Junge Gebirgsstelze kurz vor dem Erstflug Foto © M. Durig

Kürzlich sagte mir ein verehrter Kollege, meine Seuchenkolumne gerate in Gefahr, zu einer Art Tagebuch zu werden. Der Mann hat mich verstanden. Mein Publikum findet das auch noch gut. Noch schlimmer fast, es ist mir nicht wurscht, aber ich könnte auch nichts machen, wenn es das nicht so gut fände.


Ich denke, in Tagen, da Politik und Medien einander mit Betonpatscherln versehen, um sich hinunterzuziehen und vor allem das allgemeine Niveau weiter und weiter abzusenken, da die ÖVP Reinhold Lopatka als Hoffnung für Europa präsentiert (hatten die nicht einmal Otmar Karas? Jetzt hat Lopatka eine neue Frisur), da die SPÖ es mit Andreas Schieder irgendwie wieder nicht schafft, die Grünen herumfurzen und die wahnsinnigen Kicklisten den Wahnsinn plakatieren, in solchen Tagen kämpft man doch nur noch darum, einigermaßen bei Trost zu bleiben.

Dabei kann es helfen, am Leben anderer Anteil zu nehmen. Das dachte ich mir, als ich die Kolumne eröffnete, ich lasse andere an meinem Leben, Denken und Schreiben Anteil nehmen, vielleicht hilft es jemandem. Mir zum Beispiel. Es war Covid, ein existentielles Gefühl, man war bedroht und unsicher, bereit, Anordnungen zu befolgen und im großen und ganze erwiesen sich diese als sinnvoll.


Dass zum Beispiel das Impfen in Verschiss geraten ist und Infektionskrankheiten wieder grassieren, gehört zu den Verrücktheiten dieser Tage. Gerade schrieb der hierorts schon das eine- oder andere Mal gelobte Generalintellektuelle Adam Tooze in der Financial Times, dass die Welt in ein Impfregime investieren müsste, das würde immense Kosten sparen und uns vor der nächsten Pandemie schützen. (Danke, Professor Zangerle für den Hinweis).

Tooze schreibt: „Die Covid-Impfstoffe konnten so schnell entwickelt werden, weil jahrelang an den Mers- und Sars-Viren geforscht wurde. Um uns auf den nächsten Ansturm vorzubereiten, müssen wir Verzeichnisse potenziell gefährlicher Stämme anlegen und die weltweite Überwachung verstärken. Wir können versuchen, vorherzusagen, welche Erreger am ehesten eine zoonotische Mutation hervorrufen werden. Vor allem aber können wir bereits jetzt mit der Entwicklung von Impfstoffen für die gefährlichen Krankheiten beginnen, die wir bereits kennen.

Natürlich wird dies Geld kosten. Aber im Vergleich zu anderen großen Investitionen sind wissenschaftliche Durchbrüche billig.“

Bei uns in Tripstrill punktet stattdessen der Führer einer politischen Partei mit Schlangenöl und Quacksalbern. Austro-Wahnsinn eben.


Im Frühling helfen die Vögel gegen den Wahnsinn. Die kleinen Gebirgsstelzen, heuer wie jedes Jahr aus dem Nest gefallen, lernen erstaunlich schnell fliegen. Die Eltern zeigen es ihnen vor, animieren sie mit Geschrei, füttern sie, wenn sie müde am Boden herumhocken. Oben landet der Falke am Turm, eine Skulptur aus Licht. Ich frage mich, warum er die hilflosen Kleinen am Boden ignoriert, niemandes Beute, der Kater seit Jahren tot.

Erst hüpfen sie, dann fliegen sie, dann erreichen sie den Dachfirst, dann sind sie fort, bis nächstes Jahr, um ein Nest zu bauen an gleicher Stelle.

Derweil ziehe die Schwalben ein paar schnelle Kurven, und ich frage mich, warum die Amsel ihr Nest im Rosenbusch nicht bebrütet. Habe ich sie verschreckt?


Haben Sie einen schönen Fenstertag, wo immer Sie sind! 


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Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, halten Sie Ihre Impfungen up to date, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, wenn Sie Symptome haben, versuchen Sie Kontakte mit anderen zu vermeiden. Und bleiben Sie rücksichtsvoll.  


Der Autor per Mail: thurnher@falter.at

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