Rauher Berg

Biogemüse aus Ortenberg

Von Corinna Willführ

Der „Rauhe Berg“ in Ortenberg ist eine Einrichtung zur sozialen und beruflichen Eingliederung für Menschen mit Hilfebedarf. Für sie gibt es auf dem Gelände nahe des Stadtteils Gelnhaar Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten. Eine davon ist die Gärtnerei, die Salat, Tomaten, Auberginen, Kräuter und andere Pflanzen in Demeter-Qualität erzeugt.

Verkauf frisch vom Feld

Die in der Gärtnerei erzeugten Produkte werden sowohl vor Ort in der Küche verwendet wie im Hofladen verkauft. Sie sind nach Vorbestellung in Bio-Kisten zu erwerben und werden nun auch einmal wöchentlich frisch vom Feld am alten Bahnhof von Ortenberg verkauft.

Gärtnermeister Ulrich Töpfer ist Leiter der Gartenbauabteilung. (Fotos: Willführ)

Der Mai zu nass, die ersten Tage im Juni ohne Regen: „Da haben wir zu kämpfen gehabt“, sagt Gärtner Andreas Krieger. Gemeinsam mit Birgit Schlegel erntet er auf einem freien Feld am frühen Morgen Kopfsalate, roten und grünen, und den beliebten Eichblattsalat. Birgit Schlegel ist bereits seit 32 Jahren auf dem Rauhen Berg tätig. Seit 20 Jahren ist sie Teil des Gärtnereiteams. Ihre Ernte ist für die Bio-Kisten bestimmt, die private Kunden im Abonnement erhalten. Die Exemplare von Andreas Krieger gehen an den Verkaufsstand, den die Gärtnerei der Einrichtung für Menschen mit Hilfebedarf seit einigen Wochen freitags am Alten Bahnhof in Ortenberg betreibt.

Jeder Setzling aus Demeter-Samen

Zum Angebot dort gehört an Gemüse und Obst, was gerade wächst und frisch geerntet werden kann. Etwa Kohlrabi, Radieschen, Paprika, Zucchini, Gurken, Auberginen – und Erdbeeren. Es werden auch Tomatenpflanzen für die weitere Aufzucht im heimischen Garten oder auf dem Balkon angebaut, etwa die Fleischtomate St. Pierre oder die gelbe Cherry-Tomate Yellow Submarine, die ihre Abnehmer finden. Und Kräuter: Von Melisse bis Thymian, von Kerbel bis Oregano. Ein jeder Setzling ist aus Demeter-Samen gezogen und von Hand pikiert worden. „Das Erbgut unserer Pflanzen und Tiere ist die Basis des biodynamischen Landbaus“, heißt es auf der Homepage von Demeter. Und diese unterliegt strengen Richtlinien (für 2023 neu überarbeitet) und stellt damit an die Betriebe mit Demeter-Zertifizierung Anforderungen, die über eine Bio-Zertifizierung hinausgehen. So wird nur mit Kompost, Mist und biodynamischen Präparaten gedüngt. Zehn Prozent der Betriebsfläche müssen als Biodiversitätsfläche gepflegt werden. Das Heizen von Gewächshäusern im Winter wird aus Nachhaltigkeitsgründen abgelehnt.

Geerntet wird frisch vom Feld oder aus dem Gewächshaus, was gerade wächst.

Das braucht es dieser Tage auch nicht. Gärtnermeister Ulrich Töpfer blickt auf Hunderte von Tomatenpflanzen, die unter einem Zeltdach gedeihen. Dieses hat der 59-Jährige aus seiner ehemaligen Gärtnerei mitgebracht, die er bis zum Frühjahr 2021 in vierter Generation in Ortenberg betrieb. „Der Abschied hat schon weh getan“, sagt er. Bei aller Wehmut überwiegt seine Freude als Gruppenleiter der Gartenbauabteilung über die Aufgaben, die die Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigung für ihn bedeuten. Und es sei eine neue Erfahrung, nicht nur autark zu arbeiten.

„Hier gefällt es mir gut“

„Ich habe mitgeholfen, die Tomaten einzupflanzen“, berichtet Skyla Sosa. Die 21-Jährige lebt in einem Appartement auf dem Einrichtungsgelände des Rauher Berg. Zurzeit macht sie im Rahmen der Qualifizierung im Berufsbildungsbereich ein Praktikum in der Gärtnerei. Einmal in der Woche ist sie zudem in der Berufsschule in Nidda. Im Herbst und Winter wird sie in der Wäscherei tätig sein, Ende des Jahres ihre zweijährige Ausbildung mit einem Zertifikat abschließen. „Ich denke, dass ich mich danach für die Gärtnerei entscheide. Hier gefällt es mir gut. Es gibt immer wieder etwas anderes zu tun.“

So auch für Daniele Pellegrino, Alicia Kugele und Lars Daub: Die drei helfen diesen Freitag Tim Lüder am Verkaufsstand in Ortenberg. Der 32-Jährige Sozialpädagoge schätzt die Vielfalt seiner Arbeit. Insbesondere, dass er gemeinsam mit den Beschäftigten das Wachsen der Pflanzen von der Aussaat bis zur Ernte erleben kann. Und ein jeder nach seinen Fähigkeiten eingesetzt wird. Das schätzt auch die Kundin, die sich neben den Tomatenpflanzen noch zwei Salate einpacken lässt. „Warum ich hier einkaufe? Weil ich mir was Gutes tue, indem ich Produkte in Demeter-Qualität kaufe und gleichzeitig eine soziale Einrichtung unterstütze.“

Nicht zuletzt auch die gesunde Ernährung, der mehr als 60 Menschen, die in dieser leben. Denn was auf den Feldern geerntet wird, wird auch in der Küche verarbeitet. Zudem gehören die Frische-Produkte zum Sortiment des Hofladens vom „Rauhen Berg“. Gärtnermeister Ulrich Töpfer und sein Kollege Andreas Krieger möchten dieses heuer um zwei weitere „Artikel“ bereichern. Krieger: „Wir versuchen, ob hier oben Süßkartoffeln und Ingwer wachsen und gedeihen können.“ Möge das Wetter ihrem Anliegen hold sein.

Soziale und berufliche Eingliederung

Der Rauhe Berg e.V. ist eine Einrichtung zur sozialen und beruflichen Eingliederung von Menschen mit Hilfebedarf. Zu diesem Zweck werden Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt. Ziel ist es, den Bewohnern und Werkstattbeschäftigten ein würdevolles Leben zu gewährleisten, Teilhabe zu sichern, größtmögliche Lebenszufriedenheit, Selbständigkeit und Selbstbestimmung zu erreichen. Die Werkstätten umfassen Gärtnerei, Großküche, Brennholzherstellung, Landwirtschaft und Kelterei. Die dort erzeugten Produkte sind im Hofladen und als Bio-Kiste zu erwerben. Die Großküche bietet neben der Versorgung von Bewohnern und Mitarbeitern auch Catering für Kitas in der Region an. Ganzjährig wird ofenfertiges, vorgetrocknetes und frisches Brennholz produziert und bei Bedarf auch an die Kunden ausgeliefert und aufgesetzt. Saisonal besteht die Möglichkeit das Pressen von Äpfel und Birnen, Pasteurisieren und Abfüllen des Saftes in der Kelterei als eine von vielen weiteren Dienstleistungen des Rauhen Bergs in Anspruch zu nehmen.

Der Verkaufsstand mit Produkten frisch vom „Rauhen Berg“ ist freitags von 9.30 bis 15.30 Uhr am alten Bahnhof in Ortenberg (In den St. Wendelsgärten). Der Hofladen in Gelnhaar ist montags bis samstags von 8 bis 12 Uhr sowie donnerstags und freitags von 14 bis 18 Uhr für die Kunden geöffnet. Lediglich mittwochs, am Ruhetag, bleibt dieser geschlossen.

Titelbild: Lars Daub, Alicia Kugele und Daniele Pellegrino freuen sich mit dem Sozialpädagogen Tim Lüder über Kundschaft am Verkaufsstand.

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