Der kinoaffine, gelegentlich surreal anmutende Thriller „Bissige Hunde“ ist nicht nur ein bemerkenswerter Deb�tfilm, sondern auch eine willkommene Abwechslung vom TV-Krimi-Alltag. Realismus & Wahrscheinlichkeit sind nicht die Parameter, nach denen Hochschul-Absolvent Alex Eslam & Crime-Experte Sven Poser den Plot gebaut haben. Das TV-Movie, das Sat 1 mitfinanziert hat und das jetzt auf Sixx ausgestrahlt wird, ist ein Genrefilm mit viel Subtext. Dramaturgisch mit deutlichen Schw�chen, daf�r top besetzt und handwerklich – von der Kamera �ber die Ausstattung bis hin zum Sounddesign & der visuellen Nachbearbeitung – beeindruckend. Und die Montage „beteiligt“ den Zuschauer an der diffusen Handlung...
Foto: Sixx"Mein Gott, die Welt geht vor die Hunde!" Rick Okon, Tobias Oertel, J�rg Witte
Bankraub mit Geiselnahme
Irgendwo in einer deutschen Kleinstadt. Ein abgehalfterter Polizist gibt sich mal wieder die Kante. Die Bank hat ihm den Geldhahn zugedreht. Mit seinem Sohn Jacob hat er Dauerstress. Der will k�mpfen um das Haus, in dem sie wohnen und das auch das Haus seiner Mutter war. Sie lebt nicht mehr. Ein Unfall. Arved hat den Tod seiner Frau noch nicht verwunden. Will er das Haus verkaufen, um zu vergessen? Sein Zustand ist bemitleidenswert. Jacob hat kein Verst�ndnis f�r solche Larmoyanz. Die Bank will ihnen kein Geld mehr geben, also geht er zur Bank und holt es sich – mit Gewalt. Aber er ist nicht allein. Er hat Verb�ndete, die Arved gut kennt und die er nicht mag. Aus dem Bankraub wird eine Geiselnahme. Die Situation eskaliert. Auf welche Seite wird sich Arved schlagen? Mit Mord jedenfalls will er nichts zu tun haben.
Foto: Sixx"Loslassen ist manchmal einfacher als festhalten." Vater & Sohn, Oertel & Okon
Ein Toter kommt selten allein
„Das ist er, der Moment der Wahrheit“, sinniert der Held in dem Thriller „Bissige Hunde“. Er liegt in einem Wald, es ist Nacht und um ihn herum mehrere Tote. Es folgen 24 Stunden aus dem Leben eines tragisch verwitweten Provinzpolizisten, der in einem Spiel auf Leben und Tod zwischen allen St�hlen sitzt. Werden es seine letzten Stunden sein? „Vielleicht finden wir eine bessere L�sung als den Tod“, sagt jene Frau, die ihn in einer Zelle einem „Verh�r“ unterzieht. Polizistin? Psychologin? Wahrheitsg�ttin? Erotik ist unterschwellig auch im Spiel. Tobias Oertel und Jeanette Hain, die schon einmal in der Sat-1-Serie „Bis in die Spitzen“ miteinander sexy im Clinch lagen, tun ihr Bestes, um die gemeinsamen Szenen in einer r�tselhaften Atmosph�re zu belassen. Der Bankraub mit Geiselnahme bringt die n�tige Klarheit in die Geschichte, die nicht nur tricky gebaut ist, sondern lange Zeit auch eine angenehme� Unberechenbarkeit besitzt. Dass das Ganze ein gutes Ende nehmen wird, was ja gew�hnlich bei einem TV-Krimi Regel Nr.1 ist, l�sst sich f�r diesen Psychothriller nur schwer vermuten. Realismus & Wahrscheinlichkeit sind nicht die Parameter, nach denen Hochschulabsolvent Alex Eslam – gemeinsam mit Crime-Experte Sven Poser („Stralsund“), der es sichtlich genoss, die Fernsehkrimi-Konventionen �ber den Haufen zu schie�en – den Plot gebaut hat.
Foto: SixxDie Trag�die nimmt ihren Lauf. Ein Toter auf dem M�nnerklo. Witte & Oertel
Genrefilm mit (zu) viel Subtext
Da „Bissige Hunde“ mit R�tseln und Metaphern spielt, die sich erst am Ende f�r den Zuschauer komplett aufl�sen (auch wenn man so seine Vorahnungen hat), bekommt der Film eine Aura des Ungef�hren: gewichtige S�tze m�ssen den schweren �berbau der Geschichte aushalten („Gehe weit, um zu sch�tzen, was du liebst“); bedeutungstr�chtig aufgeladene Situationen verlangen nach teilweise �berdeutlichem Agieren der Schauspieler. Ein St�ck weit ist das dem Genre(mix) geschuldet. Alex Eslam wollte sich in seinem Abschlussfilm an der Filmhochschule Baden-W�rttemberg, der von Sat 1 mitfinanziert wurde, n�mlich nicht mit einem klassischen Geiselnahme-Thriller begn�gen. Eine h�chst m�gliche Fiktionalit�t f�r einen Film, der auch im Fernsehen laufen soll, war offensichtlich das anvisierte Ziel. Ein Genrefilm mit reichlich Subtext. Dass dieser aber nicht geschmeidig unter der Geschichte liegt, sondern offen (aber anfangs verschl�sselt) in die Handlung integriert wird, gibt dem Film nicht nur etwas Schweres, sondern er nimmt ihm auch etwas von der �u�eren Spannung, ohne diese hinreichend durch innere Spannung, die zwischen den Charakteren bzw. die, die das Dilemma der Hauptfigur widerspiegelt, zu ersetzen. So l�sst einen dieser Thriller – zumindest am TV-Bildschirm – eher kalt. Distanz ist kein grunds�tzliches Negativkriterium f�r einen Film. F�r einen Film, der aber mit dem, was er filmisch auff�hrt, deutlich macht, dass er gerade besonders auf diese Emotionalisierung aus ist, irritiert das schon ein wenig (insbesondere wenn der Score einem �berdeutlich zeigt, dass – und was – man f�hlen soll). So hat man mitunter den Eindruck, dass der sicher gef�hrte filmische Apparat ein wenig ins Leere l�uft.
Foto: SixxDer Sohn des Polizisten ist mit der Situation in der Bank �berfordert. Rick Okon
Handwerklich beeindruckend
Trotz dieser Schw�chen ist „Bissige Hunde“ ein bemerkenswerter Deb�tfilm und – sieht man ihn im Vergleich mit dem, was einem das Fernsehen als Genre tagt�glich anbietet – dann ist er eine willkommene Abwechslung. Auch wenn Eslams Film eindeutig ein Film ist, der die gro�e Leinwand braucht. Im Kino w�rde man zwar auch die M�ngel in der Dramaturgie erkennen, aber das Filmische w�rde wohl die Oberhand gewinnen. Und handwerklich – von der Kamera �ber die Ausstattung und das Sounddesign bis zur visuellen Nachbearbeitung – ist der Film beeindruckend und unterst�tzt vorbildlich den surrealen Charakter der Erz�hlung, die sich aus Motiven wie Todessehnsucht, verletzter Stolz, Schuld und Schmerz speist. Auch wenn es dem Film nicht gelingen mag, den Fernsehzuschauer vordergr�ndig „emotional“ zu packen, so gelingt es doch der Montage, den Zuschauer an die mitunter diffuse Handlung zu binden. Den Rest �bernimmt der Look. Und Schauspieler, denen man gern folgt. (Text-Stand: 12.6.2015)
Foto: SixxWechsel der Seiten? Mord ist normalerweise nicht sein Gesch�ft. Kronj�ger & Oertel
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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