John Locke – Philolex

John Locke

John Locke (1632–1704) war ein englischer Philosoph, ein politischer Theoretiker und Staatsmann. Hohe staatliche �mter wechselten mit Flucht vor politischer Verfolgung ins Ausland. Er ist der Begr�nder des Liberalismus und der Theorie der Gewaltenteilung und somit ein geistiger und praktischer Gegenspieler seines Landsmanns Thomas Hobbes, dem Vertreter des Staatsabsolutismus. Im Gegensatz zu diesem war er der theoretische Begr�nder des liberalen englischen Systems, das inzwischen seit einigen Jahrhunderten existiert. Er war geistiger Wegbereiter der »Glorious Revolution«, der englischen b�rgerlichen Revolution im 17. Jahrhundert.

Locke war der englischen Tradition gem�� Vertreter des Empirismus. Mit seinen erkenntnistheoretischen �berlegungen gilt er vielen Fachleuten als erster kritischer Philosoph der Neuzeit, der vor dem Philosophieren die Mittel und M�glichkeiten des menschlichen Verstandes einer kritischen Pr�fung unterzog. Er gilt als Begr�nder der modernen Erkenntniskritik. Locke dachte dar�ber nach, wie �berhaupt Vorstellungen und  Begriffe ins Bewusstsein gelangen und welchen Grad an Sicherheit diese Vorstellungen gem�� ihrem Ursprung haben. Er ist in dieser Frage der geistige Vorl�ufer von Berkeley und Hume. [1]


John Locke ausf�hrlicher


Erkenntnistheorie

Nach Locke gibt es keine angeborenen Ideen. Es gebe keine Ideen,  Begriffe, Grunds�tze theoretischer oder praktischer Art, die immer, �berall und bei allen vorhanden seien. Das treffe auch f�r Denkgesetze wie dem  Satz vom Widerspruch und dem  Satz der Identit�t zu. [?] Der menschliche Verstand sei bei der Geburt ein »white paper«, eine tabula rasa (wie die Stoiker und die Behavioristen). Dies gelte auch f�r die  sittlichen Gebote. Es sei nichts im Verstande, was nicht vorher in den Sinnen war. (Mit Ausnahme des Verstandes selbst, sagte sp�ter Leibniz.)

Alle Bewusstseinsinhalte stammten aus der Erfahrung:

  1. Einfache Ideen: Die einfachsten Bausteine unseres Denkens, einfache Abbilder von Eindr�cken. Dabei unterscheidet Locke zwischen �u�eren und inneren Erfahrungen.

    1.1. �u�ere Erfahrungen (sensation) seien das Prim�re. Die erste Aufgabe des Menschen sei, sich mit seiner Umwelt vertraut zu machen. Ins Bewusstsein gelangten aber nie die Dinge (Substanzen) selbst, sondern nur ihre Qualit�ten. Dabei unterscheidet Locke zwischen prim�ren und sekund�ren Qualit�ten:

    1.1.1. Prim�re Qualit�ten: Ausdehnung, Gestalt, Festigkeit, Anzahl, Bewegung und Ruhe. Es bestehe kein Grund anzunehmen, dass die Dinge in dieser Beziehung nicht so sein sollten, wie wir sie wahrnehmen. [?]

    1.1.2. Sekund�re Qualit�ten: Farbe, Geschmack, Geruch, Temperatur, Schall. Die Kr�fte, die den Eindruck dieser sekund�ren Eigenschaften in uns hervorrufen, seien Zahl, Gestalt und Bewegung der nicht direkt wahrnehmbaren kleinsten Teilchen der Materie. [!] Es bleibe aber unbegreiflich, wieso eine bestimmt geartete Bewegung kleinster Teilchen in uns die Empfindung »warm« oder »gr�n« hervorbringt. [Das bleibt f�rwahr unbegreiflich! Es ist bemerkenswert, wie dicht Locke mit diesen Vorstellungen mit der modernen Naturwissenschaft �bereinstimmt.]

    1.2. Innere Erfahrung: (reflexion) Das Bewusstsein beobachte seine eigene T�tigkeit. Locke unterscheidet Erkennen und Wollen. [Wenn innere Erfahrung sich nur auf das Bewusstsein bezieht, dann z�hlt Locke ja wohl die Erfahrungen im eigenen K�rper zu den �u�eren Erfahrungen.]

    �u�eren und inneren Erfahrungen k�nnten zusammenwirken: Dies sei besonders der Fall bei Lust und Schmerz.

  2. Komplexe Ideen: Diese bilde der Verstand durch Kombination aus einfachen Ideen. Durch diese Kombination k�nne der Verstand dem Bestand an einfachen Ideen aber keine weitere hinzuf�gen. Genauso wie man durch Kombination der 26 Buchstaben des Alphabets zwar st�ndig neue W�rter bekomme aber nie einen neuen Buchstaben.

Locke unterscheidet drei Arten von zusammengesetzten Ideen:

  1. Modi: Anzahl, Raum, Dauer u. :a.

  2. Substanzen: Gott, Geister, K�rper.

  3. Relationen: Identit�t und Verschiedenheit, Ursache und Wirkung, Zeit und Raum.

Nominalismus: Den komplexen Ideen entspreche, da sie nur Kombinationen von einfachen Ideen seien, nichts real Existierendes. W�rter, die etwas Allgemeines bezeichnen, h�tten keine Entsprechung in der Wirklichkeit. Die Verkennung dieser Tatsache sei Quelle der meisten Irrt�mer. (Im Sinne des Universalienstreits ist Locke Nominalist.)

Substanz: Die Substanz bilde aber eine Ausnahme. Es m�sse eine reale Substanz geben, �ber die wir allerdings nichts aussagen k�nnen. [ Kant hat von seinen »Dingen an sich« das gleiche behauptete. Ich teile diese Auffassung nicht. Hier erscheinen mir die Positionen von Berkeley und Hume plausibler.]

Gott: Locke behauptet, dass der Gott, den  Descartes klar und deutlich zu erkennen glaubt, in der Geschichte und bei den verschiedenen V�lkern keineswegs �berall vorhanden war. [Dem stimme ich zu.]

Das »richtig verstandene Christentum« stimme von allen vorhandenen Religionen am besten mit der Vernunft �berein. [Das bezweifle ich sehr! N�heres  weiter unten.] Locke gilt als einer bzw. der Begr�nder des Deismus. (So wird es in der Literatur oft behauptet.)


Politische Theorie

Staat: Locke ist der Begr�nder der Lehre von der Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative. (Dass von diesen beiden noch die Judikative als dritte Gewalt getrennt werden sollte, das forderte allerdings erst Montesquieu.) Er trat f�r Gleichheit und Freiheit, f�r das Recht auf Eigentum und der Unverletzlichkeit der Person ein. Locke widersprach mit diesen Auffassungen dem Staatsabsolutismus, wie ihn sein Landsmann Hobbes vertrat.

Reform statt Revolution: Die Menge neige dazu ein Unrecht eher in Kauf zu nehmen als sich dagegen zu wehren, wenn dieses mit zu gro�en Anstrengungen und zu gro�en Risiken verbunden sei. Die Reform, der friedliche allm�hliche Wandel werde deshalb von der Menge vorgezogen. Zu Revolutionen komme es nur, wenn von herrschender Seite friedlicher Wandel unm�glich gemacht werde. [Die Richtigkeit dieser Behauptung l�sst sich nach meiner �berzeugung im Rahmen einer kritischen Geschichtsforschung nachweisen.]

Naturzustand und  Naturrecht: Im Naturzustand gebe es vollkommene Gleichheit und Freiheit aller. Jeder k�nne �ber sich und sein Eigentum unumschr�nkt verf�gen. Es gebe aber ein Naturgesetz, dessen oberste Regel sei, Leben, Gesundheit, Freiheit und Besitz anderer Menschen nicht anzutasten. Leider verstie�en aber hin und wieder einige Menschen gegen dieses Naturgesetz und deshalb br�uchte man eine Instanz, die dies verhindere und in Streitf�llen richte. Deshalb gr�ndeten die Menschen via Gesellschaftsvertrag den Staat.


Zitate Locks

»Arbeit ist die Quelle allen Reichtums.«

»Arbeit um der Arbeit willen ist gegen die menschliche Natur.« [Gegen meine nicht!]

»Nichts macht einen zarteren und tieferen Eindruck auf den Geist des Menschen als das Beispiel

»Was unser Denken begreifen kann, ist kaum ein Punkt, fast gar nichts im Verh�ltnis zu dem, was es nicht begreifen kann.«

»Die gro�e Mehrzahl der Dummen wird von denen gebildet, die durch die b�se Gewohnheit, ihr Denkverm�gen niemals anzustrengen, die F�higkeit dazu verloren haben.« [Oder nie entwickelt haben. Nie eine entsprechende F�rderung erhalten haben. Dummheit ist nicht immer selbst verschuldet.]

»Keines Menschen Kenntnis kann �ber seine Erfahrung hinausgehen.« [Diese Erkenntnis kann aber nicht aus der Erfahrung hervorgehen!]

»Ich glaube behaupten zu k�nnen, dass unter zehn Personen immer neun durch Erziehung das sind, was sie sind, gut oder b�se, der Gesellschaft sch�dlich oder n�tzlich. Die Erziehung macht den gro�en Unterschied unter den Menschen

»Die Beherrschung unserer Leidenschaften ist der wahre Fortschritt in der Freiheit

»Freude und Schmerz lassen sich nicht beschreiben und ihre Natur nicht definieren, man kann sie nur aus Erfahrung kennenlernen.«

»N�chst der Wahrnehmung ist das Ged�chtnis f�r ein denkendes Wesen das notwendigste.«

»Gibt es etwas so Ausschweifendes wie die Einbildungen des menschlichen Gehirns? Wo ist ein Kopf, der keine Chim�re enthielte?.«

»Gerechtigkeit und Treue sind bei allen Gesellschaften Bindemittel. Deshalb m�ssen selbst Ausgetretene und R�uber, die mit der ganzen �brigen Welt gebrochen haben, untereinander Treue halten.«

»Alles, was man von der Geschichte sagt, kommt aufs Schlachten und Morden hinaus. Die Ehre und den Ruhm, den sie den Eroberern beilegt, welche meistenteils nur die Henker des Menschengeschlechtes waren, bringt den heranwachsenden J�ngling vollends auf den Gedanken, dass Menschenmord das r�hmlichste Gesch�ft und die gr��te Heldentugend sein.«

»Der Glauben kann uns niemals von etwas �berzeugen, was unserer Erkenntnis zuwiderl�uft.«

»Gl�ck und Ungl�ck sind zwei Zust�nde, deren �u�erste Grenzen wir nicht kennen.«

»Gott auch nur in Gedanken wegnehmen, hei�t alles aufl�sen.«

»Grunds�tze sind nicht angeboren, weil sie wenig nutzen oder unsicher sind.«

»Der Schmerz ist als Antrieb zum Handeln ebenso wirksam und wertvoll wie die Freude, denn wir bet�tigen unsere Kr�fte ebenso gern zur Vermeidung des ersteren wie zur Erreichung der letzteren.« [Das sehe ich auch so. Pr�ziser bzw. grunds�tzlicher ist es aber zu sagen, die  Bed�rfnisse sind der Antrieb zum Handeln.]

»Alle Menschen neigen zum Irrtum; und die meisten von ihnen sind in vielerlei Hinsicht der Versuchung des Irrtums durch Leidenschaft oder Interesse ausgesetzt.«

»Ein Irrtum entsteht nicht durch einen Mangel an Wissen, sondern durch mangelndes Urteilsverm�gen.« [Jedenfalls auch. Besonders bei gebildeten Dogmatikern.]

»Die Neugierde der Kinder ist der Wissensdurst nach Erkenntnis, darum sollte man diese in ihnen f�rdern und ermutigen.«

»Lesen liefert dem Geist nur das Wissen. Erst durch denken machen wir uns das Gelesene zu eigen.«

»Logik ist die Anatomie des Denkens

»Bei der Schw�che der menschlichen Natur, die stets bereit ist, nach der Macht zu greifen, w�rde es eine zu gro�e Versuchung sein, wenn dieselben Personen, die die Macht haben, Gesetze zu verabschieden, auch noch die Macht in die H�nde bek�men, diese Gesetze zu vollstrecken.«

»Neue Meinungen sind immer verd�chtig und man setzt ihnen Widerstand entgegen mit dem einzigen Grund, dass sie noch nicht Allgemeingut sind.«

»Den Schuldigen zu schonen, ist Grausamkeit gegen den Unschuldigen.«

»Nun ist aber die Sprache das gro�e Band, das die Gesellschaft zusammenh�lt; ja, sie stellt auch den Weg dar, auf dem die Fortschritte der Erkenntnis von einem Menschen zum andern und von einer Generation zur andern �berliefert werden.«

»Die St�rke unserer �berzeugung ist kein Beweis f�r ihre Richtigkeit.« [Versuch einmal, das einem Dogmatiker klar zu machen!]

»Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war.«

»Der beste Weg zur Wahrheit ist, die Dinge so zu betrachten, wie sie sind, und nicht so, wie wir schlie�en, dass sie zu sein h�tten, wie wir sie uns vorstellen oder wie wir von anderen gelehrt wurden, sie uns vorzustellen.«

»Wir w�rden viel weniger Streit in der Welt haben, n�hme man die Worte f�r das, was sie sind – lediglich die Zeichen unserer Ideen und nicht die Dinge selbst.« [Das sahen sp�ter die  Poststrukturalisten ganz anders.]

»Wie viele Trugschl�sse und Irrt�mer gehen auf Kosten der W�rter und ihrer unsicheren oder missverstandenen Bedeutung.«


Meine Kritik an Locke

Ich kann Locke nicht zustimmen, dass nichts im Verstande ist, was vorher nicht in den Sinnen war. Unser Verstand funktioniert auf eine bestimmte Weise. Die F�higkeit zur Mathematik und Logik ist angeboren, muss aber ausgebildet werden. Ebenso Kategorien wie Raum, Zeit und Kausalit�t. (Siehe Evolution�re Erkenntnistheorie)

W�re Locke mit dem Islam aufgewachsen, w�re der »richtig verstandene Islam« am besten mit der Vernunft vereinbar. (Da wird einem jedenfalls nicht zugemutet zu glauben, dass Gott aus drei Teilen besteht.) W�re Locke mit dem Buddhismus aufgewachsen, w�re der »richtig verstandene Buddhismus« am besten mit der Vernunft vereinbar. (Wiedergeburt ist plausibler als die Ewigkeit im Himmel.)

Naturgesetze zeichnen sich u. a. dadurch aus, dass gegen sie nicht versto�en werden kann. Alles wogegen man versto�en kann, ist kein Naturgesetz. Im Naturzustand gibt es auch keineswegs Gleichheit. Der Mensch, als ein von Herdentieren abstammendes Lebewesen, hat seit seiner Entstehung immer in Gruppen mit staats�hnlichen Strukturen gelebt, in denen es einerseits Zusammenarbeit, andererseits Rangordnung, sprich Ungleichheit gab. Altruismus und Egoismus liegen gleicherma�en in der menschlichen Natur.

Meine eigenen Vorstellungen �ber die Entstehung des Staates und seine Aufgaben und damit auch eine Kritik an anderen Staatsvorstellungen findet man im philolex-Beitrag �ber den  Staat.]

Obwohl ich gegen gro�e Teile des  Historischen Materialismus Bedenken habe, so halte ich ihn doch zuweilen f�r einen akzeptablen Rahmen f�r Erkl�rungen f�r das Zustandekommen bzw. das Popul�rwerden bestimmter philosophischer Auffassungen. Lockes politische Philosophie ist das Ergebnis des Kompromisses zwischen Adel und B�rgertum am Ende der englischen b�rgerlichen Revolution. Sein Eintreten f�r das Privateigentum war sowohl gegen den absoluten Monarchen gerichtet, der h�ufig eine Art h�heren Eigentumsrechts an dem Besitz seiner Untertanen beanspruchte, andererseits aber auch gegen die Besitzlosen. Locke war der Ideologe der englischen Bourgeoisie.


Literatur

Literatur:
  • A Letter Concerning Toleration, 1689
    (dt. Briefe �ber die Toleranz – Werden als Auftakt der Aufkl�rung angesehen)
  • Two Treatises of Government, 1690
    (dt. Zwei Traktate �ber die Regierung)
  • An Essay Concerning Human Understanding, 1690
    (dt. Ein Versuch �ber den menschlichen Verstand)
  • Some Thoughts concerning Education
    (dt. Einige Gedanken �ber die Erziehung)
  • The Reasonableness of Christianity
    (dt. Die Vernunftgem��heit des Christentums)

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Anmerkungen

Anm. 1: Vor Locke begr�ndete allerdings schon Montaigne den neuzeitlichen Skeptizismus, sein Landsmann Francis Bacon dachte �ber die Trugschl�sse, die  Idole nach und Descartes betrieb einen zumindest  methodischen Zweifel, der aber keine wirkliche Kritik an den Verstandesm�glichkeiten war. (Der aber zum Vorbehaltlosen Zweifel f�hren kann.) Zeitgleich mit Locke wirkten die franz�sischen Fr�haufkl�rer Bayle und Fontenelle. – Zur�ck zum Text


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