Prinz Eugen Belvedere Wien
Prinz Eugen von Savoyen war nicht nur ein erfolgreicher Feldherr, sondern auch ein Bücherliebhaber.
Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Sie gilt als eine der wertvollsten Barockbibliotheken Europas, gehört zum "Gedächtnis der Menschheit" der Unesco und ist Teil der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) – aber nur wenig ist über sie bekannt: die Bibliotheca Eugeniana, Prinz Eugens einstige Privatbibliothek. Data Librarians der ÖNB und Forschende der Universität für Weiterbildung Krems erforschen die Geschichte dieser einzigartigen Büchersammlung jetzt im Projekt Bibliotheca Eugeniana Digital mit Methoden der digitalen Geisteswissenschaften. Die Forschungsgelder kommen von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Das Forschungsprojekt will nicht nur die Geschichte einer der wichtigsten Bibliotheken ihrer Zeit ergründen, sondern auch dazu beitragen, der ÖNB einen besseren Überblick über ihre eigenen Bestände zu ermöglichen. Denn bis heute ist unklar, welche Bücher und Handschriften tatsächlich zur Bibliotheca Eugeniana gehören und welche nicht. Warum das so ist, weiß Monika Kiegler-Griensteidl, Leiterin der Sammlung Handschriften und alte Drucke an der ÖNB. "Nach Prinz Eugens Tod im Jahr 1736 vermachte er die Bibliothek seiner Nichte Maria Anna Victoria von Savoyen, die sie wiederum an Kaiser Karl VI. weiterverkaufte. Somit wurde Eugens Privatbibliothek Teil der damaligen habsburgischen Hofbibliothek, der heutigen ÖNB."

Mehr als 15.000 Schriften

Als Prinz Eugen starb, umfasste die Bibliothek ungefähr 15.000 Druckschriften sowie mehrere hundert Handschriften, die zunächst im Prunksaal der Hofbibliothek aufgestellt wurden. Fortan wurde die Überlieferungsgeschichte immer komplizierter. Durch zahlreiche Erweiterungen der Hofbibliothek – so kamen im 19. Jahrhundert etwa die Karten- und Musiksammlung dazu – wurde die Bibliotheca Eugeniana immer weiter zerteilt. Im Laufe der Zeit löste sich der ursprünglich einheitlich gegliederte Buchbestand auf und wurde in andere Sammlungsbestandteile integriert, erklärt Kiegler-Griensteidl.

Dante Alighieri: Le terze rime. Venedig 1502. Titelblatt. ÖNB, Sign.: CP.1.E.2 ALT CP
Dante Alighieri: Le terze rime, Venedig 1502, Titelblatt der "Göttlichen Komödie": Auch dieses wertvolle Werk ist Teil der Bibliothek.
ÖNB

Weil Prinz Eugen Wert auf Ästhetik legte, ließ er seine Bücher mit farbigen Einbänden versehen und mit seinem Wappen prägen. Dies machten sich die Forscher nun zunutze, um die verstreut archivierten Druckschriften ausfindig zu machen, erläutert Projektleiter Simon Mayer von der ÖNB. "Durch Bildklassifizierung mittels Machine Learning können wir unsere digitalisierten Bestände durchsuchen und alle Bände, die Eugens Wappen tragen, identifizieren", sagt Mayer. Außerdem werte man den im 18. Jahrhundert erstellten handschriftlichen Katalog, der alle Bücher der Bibliotheca Eugeniana verzeichnete, aus. Dieser umfasst auf fünf Bänden mehrere tausend Einträge über die ursprünglichen Bibliotheksbestände.

KI-gestützte Handschriftenerkennung

Weil eine Auswertung dieser Daten mittels herkömmlicher Methoden sehr aufwendig wäre, schaffen sich die Forscher durch Einsatz automatisierter Handschriftenerkennung Abhilfe. "Hier kommt das Programm Transkribus zur Anwendung, das eine KI-gestützte Auswertung und Transkription historischer Handschriften ermöglicht", sagt Mayer. Bei den alten Handschriften komme die Software aber regelmäßig an ihre Grenzen, ergänzt Michael Smuc.

Digitale Bibliothek ÖNB
Am Prototyp der digitalen Bücherverortung wird schon emsig gearbeitet.
ÖNB

Der Datenwissenschafter hat jahrelange Expertise in der Aufbereitung digitaler Datensätze und kümmert sich im Forschungsprojekt um Fragen des Machine-Learning. "Bei Verlagsorten treten regelmäßig Schwierigkeiten auf. So sind uns immer wieder abenteuerliche Schreibweisen für Frankfurt untergekommen, wo wir manuell nacharbeiten müssen, um die Algorithmen zu verbessern", erklärt Smuc.

Prunksaal 2.0

Neben der Rekonstruktion der ursprünglichen Struktur will das Forschungsprojekt die Bibliotheca Eugeniana mittels Datenvisualisierung im digitalen Raum auferstehen lassen. Darum kümmert sich Florian Windhager von der Universität für Weiterbildung Krems, der gerade einen Prototyp für die visuelle Aufbereitung der Daten entwickelt: "Die farbigen Einbände von Eugens Büchern stehen für unterschiedliche Wissensgebiete. Blau für Theologie und Recht, Gelb für Naturwissenschaften und Rot für Literatur und Geschichte."

Prunksall ÖNB
Im digitalen Prunksaal der ÖNB soll sich Prinz Eugens Bibliothek rekonstruieren lassen.
ÖNB

Diese Struktur und die ursprüngliche Aufstellung der Bücher im Prunksaal der ÖNB werde man nun digital nachbauen und so es allen Interessierten und dem Bibliothekspersonal ermöglichen, die Texte wie zu Eugens Zeiten zu erleben – "aber mit allen digitalen Annehmlichkeiten", freut sich Windhager, der auf diesen bleibenden Mehrwert des Projektes hinweist. Nach Abschluss der Forschungen – sie laufen noch bis November 2024 – werden alle Daten über die Webseite der ÖNB abrufbar sein. Dann kann man gemütlich von der eigenen Couch aus in Prinz Eugens barocken Büchern schmökern. (Paul M. Horntrich, 11.5.2024)