Schopenhauers Leben und Lehre - ein Widerspruch?

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Schopenhauers Leben und Lehre

- ein Widerspruch?

Mitunter wird Arthur Schopenhauer vorgeworfen, sein Leben w�rde im Widerspruch zu seiner Lehre stehen. Er h�tte Wasser gepredigt, aber selbst Wein getrunken - so oder �hnlich lauten die Vorw�rfe, die gegen Schopenhauer erhoben werden, und zwar vor allem von Kritikern seiner Philosophie, denen es anscheinend an �berzeugenden sachlichen Argumenten mangelt. Solche Kritiken, die sich gegen die Person des Philosophen richten, beweisen, dass die betreffenden Kritiker entweder nur unzureichend mit Schopenhauers Leben vertraut sind oder aus grunds�tzlicher Gegnerschaft versuchen, Schopenhauer und seine Philosophie zu herabzusetzen.

Schopenhauer hatte nie "Wasser gepredigt". Das h�tte schon seiner Ethik widersprochen, denn laut seiner Philosophie ist Ethik nicht lehrbar. Es w�re somit sinnlos, Ethik zu "predigen". Was er allerdings tat, war Ethik philosophisch zu erkl�ren, wobei er die Bedeutung des Mitleids als Grundlage der Moral besonders hervorhob. In diesem Zusammenhang fand Schopenhauer zum Mitleid derart ergreifende und �berzeugende Worte, dass es kaum vorstellbar ist, Mitleid sei f�r ihn pers�nlich ein fremdes Gef�hl gewesen.

In Schopenhauers Leben gab es viele deutliche Beweise des Mitleids. Ein bekanntes Beispiel daf�r war sein Eintreten f�r den Tierschutz, was er oftmals in seinen Schriften, aber auch durch seine Mitgliedschaft im Frankfurter Tierschutzverein zum Ausdruck brachte.(1) Hierbei l�sst sich der Einwand, Schopenhauers Mitleid h�tte sich "nur" auf Tiere bezogen, durch Tatsachen widerlegen:

 In Frankfurt am Main wurde 1895 ein Schopenhauer-Denkmal errichtet, und zwar am gleichen Ort, an dem der Philosoph 1859 einen jungen Menschen (Julius Frank) vor dem Selbstmord durch Ertrinken rettete. Noch erstaunlicher ist: "Bei der Feier wusste noch niemand von dieser hilfreichen Tat, �ber die Schopenhauer - der sich bis zu seinem Tode um den jungen Mann k�mmerte - selbst nie gesprochen hat."(2)

Besonders tief ber�hrte Schopenhauer die zu seiner Zeit noch bestehende Sklaverei in Amerika. So erz�hlte ein Besucher Schopenhauers, dass der Philosoph aus einer Dank-Adresse rezitierte, welche schwarze Sklaven an William Wilberforce gerichtet hatten, da dieser entscheidend dazu beigetragen hatte, die Sklaverei in den britischen Besitzungen abzuschaffen. Dem Philosophen w�ren dabei die Augen "feucht" geworden.(3)

Von solcher starken inneren Anteilnahme Schopenhauers am Leid gequ�lter und ausgebeuteter Menschen berichtete auch der Schopenhauer-Forscher Arthur H�bscher. Schopenhauer spreche, so schrieb H�bscher, "von dem trostlosen Leben der Negersklaven in Amerika, von der unerh�rten, kalt berechnenden und wahrhaft teuflischen Grausamkeit, mit der die Portugiesen in Mozambique ihre Sklaven behandeln, und nicht minder von den drei Millionen europ�ischer Weber, �die unter Hunger und Kummer in dumpfigen Kammern oder trostlosen Fabriken schwach` dahinvegetierten. Jeder Versuch, Einhalt zu gebieten, Abhilfe zu schaffen, Not zu lindern, ist seiner [also Schopenhauers] w�rmsten Zustimmung gewi�."(4)

In gleichem Sinne �u�erte sich Wilhelm v. Gwinner, der den Philosophen noch pers�nlich n�her kannte, in seiner Schopenhauer-Biografie. Schopenhauer �bte "Mildth�tigkeit in einem f�r seine Verh�ltnisse eben nicht gew�hnlichen Grade. Keine Gelegenheit zur Milderung fremder Noth, insbesondere bei Ungl�cksf�llen, das Seinige beizutragen lie� er vor�bergehen; ja er scheute selbst gr��ere Opfer nicht, wenn es zu helfen galt."(5)

Nicht nur zu seinen Lebzeiten, sondern noch in j�ngerer Vergangenheit (1975) wurde Schopenhauer verleumdet, so etwa durch die Behauptung, der Philosoph h�tte als "Verneiner des Willens zum Leben ... das Privatleben eines Bonvivants" gef�hrt.(6) Jedoch Menschen, die Schopenhauer noch pers�nlich kannten, hatten von seinen Lebensverh�ltnissen den gegenteiligen Eindruck. Der bereits erw�hnte Schopenhauer-Biograf und Augenzeuge Wilhelm von Gwinner schilderte die "einfache Lebensweise" Schopenhauers, die auch in dessen Wohnverh�ltnissen deutlich sichtbar war. So berichtete Gwinner von seinen Besuchen bei Schopenhauer: "Seine h�usliche Einrichtung war �u�erst einfach. Erst nach seinem f�nfzigsten Jahre schaffte er sich weniges eigene Mobiliar an ... Seine Zimmer hinterlie�en den Eindruck eines Absteigequartiers, in dem man nicht lange zu bleiben gedenkt."(7) Auch der Dichter Friedrich Hebbel, der Schopenhauer 1857 in dessen Wohnung besuchte, hatte das Gef�hl, dort in einer "bescheidenen Stube" zu sein, "der man h�chstens etwa einen armen Studenten als Insassen zugetraut h�tte".(8)

Abschlie�end sei nochmals Arthur H�bscher, der wohl wie kaum ein anderer in neuerer Zeit sich in Schopenhauers Leben und Werk auskannte, zitiert:

"Man hat einen Widerspruch zwischen dem Leben und der Lehre Schopenhauers sehen wollen, einem Leben, das in anscheinend geruhsamer Betrachtung dahinging, und der Lehre von Weltelend und Weltentsagung. Man hat gemeint, er h�tte die letzterreichbare Einheit von Leben und Lehre, die er im Bild des Heiligen vor uns hingestellt hat, auch in sich selbst verwirklichen sollen. Schopenhauer hat um sein Weltbild schwer gerungen und gelitten. Ein Heiliger war er nicht, unter den neueren Denkern aber war er der einzige, der mit seinem Denken wirklich Ernst gemacht hat."(9)


Weiteres  > Arthur Schopenhauer und die Soziale Frage .

Anmerkungen
(1) S. dazu: Arthur Schopenhauer �ber Tierschutz und Tierschutzvereine > hier (s. dazu auch Anm. 4).
(2)Arthur Schopenhauer , Leben und Werk in Texten und Bildern,
hrsg. von  Angelika H�bscher, Frankfurt am Main 1989, S. 344.
(3)Arthur Schopenhauer , Gespr�che, hrsg. von Arthur H�bscher,
Stuttgart-Bad Cannstatt 1971, S. 156.
(4) Arthur H�bscher, Denker gegen den Strom,
4. Auflage, Bonn 1988, S. 213.
H�bscher wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Schopenhauer "nicht minder die segensreiche Arbeit der Tierschutzvereine r�hmt und nach Kr�ften f�rdert, die seit 1840 dem ma�losen Elend der gequ�lten, unterdr�ckten Tierwelt entgegenwirken."
(5) Wilhelm v. Gwinner, Schopenhauers Leben,
3. Ausgabe, Leipzig 1910, S. 341.
(6)Arthur Schopenhauer , Leben und Werk in Texten und Bildern,
a. a. O., S. 287.
(7) Gwinner, a. a. O., S. 341 f.
(8) Schopenhauer, Gespr�che, a. a. O., S. 304.
(9) H�bscher, Denker, a. a. O., S. 277.

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