1 Einleitung

Das Baugewerbe ist aufgrund seiner großen Wirtschaftsleistung und hohen gesellschaftlichen Bedeutung weltweit ein bedeutender Industriesektor (Bogue 2018; Hampson et al. 2014; Davila Delgado et al. 2019). Dennoch ist die Branche seit vielen Jahrzehnten durch Ineffizienz und geringe Produktivität gekennzeichnet (Linner 2013). Zudem ist der Digitalisierungs- und Automatisierungsgrad der Branche im direkten Vergleich mit anderen Wirtschaftszweigen, wie z. B. der Telekommunikation, Automobil oder dem Maschinenbau, sehr gering (McKinsey Global Institute 2017). Dies wird auf die Grenzen von der Bauwirtschaft erreichten Grenzen zurückgeführt (Bock 2015).

In anderen Branchen, wie z. B. der Automobil-, Fertigungs- und Luftfahrtindustrie ist der Mehrwert von Robotersystemen bereits seit mehreren Jahrzehnten bekannt und wird erfolgreich in bestehende Prozessstrukturen implementiert (Carra et al. 2018). In der Bauindustrie werden Robotersysteme bereits seit den 1960er Jahren entwickelt (Bock 2015; Chu et al. 2008; Carra et al. 2018; Saidi et al. 2016). Es wurden mehrere Anwendungsbereiche (Elattar 2008) und Mehrwerte identifiziert (Carra et al. 2018; Martinez et al. 2008), aber die Umsetzung der Technologie schreitet noch sehr langsam voran (Bock 2015). Ein Grund dafür sind die Besonderheiten der Bauindustrie, wie die heterogenen Produktionsumgebungen und die vielen einzigartigen Prozesse in den Bauprojekten, etc. (Bock 2015).

Das folgende Kapitel betrachtet die grundlegende Einordnung sowie Begriffsdefinition von Robotern und zeigt bestehende Herausforderungen und die Potenziale einer Implementierung von Robotik im Bauwesen auf.

2 Einordnung von Robotern und Begriffsdefinition

Der Begriff Roboter entstammt dem slawischen Wort „robota“ mit der übersetzten Bedeutung „arbeiten“ bzw. „Fronarbeit“. Der Ursprung des Wortes „Roboter“ geht auf den Bereich der Kunst und Kultur zurück. Erstmalig wurde das Wort „im sozialkritischen Theaterstück R.U.R. – Rossum’s Universal Robots des tschechischen Schriftstellers Karel Capek“ (Mareczek 2020, S. 1) im Jahre 1921 erwähnt. (Mareczek 2020; Haun 2013).

Über die letzten Jahrzehnte war der Begriff des Roboters und der damit verbundene Themenbereich der Robotik immer präsent und unterschiedliche Definitionen wurden entwickelt. So definiert die Enzyklopädie Brockhaus einen Roboter als Maschine, die das Aussehen und die grundlegenden Fähigkeiten eines Menschen imitiert (Haun 2013; Mareczek 2020) Spezifischer wird die Begrifflichkeit im technischen Kontext auch in der DIN EN ISO 8373 definiert. So ist ein Roboter ein „automatisch gesteuerter, frei programmierbarer Mehrzweck-Manipulator, der in drei oder mehr Achsen programmierbar ist und zur Verwendung in der Automatisierungstechnik entweder an einem festen Ort oder beweglich angeordnet sein kann“ (Deutsche Institut für Normung e. V. 2021). Wiederum wird der Begriff des Roboters nach der Richtlinie VDI 2860 folgend definiert. „Industrieroboter sind universell einsetzbare Bewegungsautomaten mit mehreren Achsen, deren Bewegungen hinsichtlich Bewegungsfolge und Wegen bzw. Winkeln frei (d. h. ohne mechanischen Eingriff programmierbar und ggf. sensorgeführt sind. Sie sind mit Greifern, Werkzeugen oder anderen Fertigungsmitteln ausrüstbar und können Handhabungs- und/ oder Fertigungsaufgaben ausführen (Verein Deutscher Ingenieure e. V. 1990).“

Der Bereich der Robotik ist sehr interdisziplinär und verbindet viele Wissenschaftsdisziplinen aus dem MINT-Bereich, wie beispielsweise Informatik, Mathematik, Physik und Ingenieurswissenschaften (z. B. Maschinenbau und Elektrotechnik) (Haun 2013). Im operativen Einsatz existiert eine Vielzahl von Robotersystemen. So werden beispielsweise Roboter in der Medizin, der Pflege, der Transportlogistik und in der produzierenden Industrie verwendet (Siciliano und Khatib 2016; Haun 2013). Im Detail unterschieden sich dabei die Roboter im Aussehen, Einsatzgebiet, der Ansteuerung etc., jedoch existieren folgende vordefinierte Mindestfähigkeiten eines Roboters in Anlehnung an (Todd 1986):

  • Eigenbewegung oder Bewegung von physikalischen Objekten

  • Mobilität (Ausstattung mit Rädern o. Beinen für die Mobilität des Systems)

  • Besitz von Antriebs- und Steuermechanismen

  • Verfügbarkeit von Speicherungssystemen

  • Ausstattung mit Sensoren z. B. Kraftmessungen, Positionsbestimmung, Entfernungsmessung, Umgebungswahrnehmung, Akustische Wahrnehmungen, etc.

Darüber hinaus werden diese Mindestanforderungen nach (Todd 1986) noch durch (Haun 2013) um weitere grundlegende Merkmalsparameter erweitert:

  • Delegation: Ausführung der durch den Menschen oder anderen Maschinen angeordnete Manipulationen bzw. Bewegungsabläufe

  • Kommunikationsfähigkeit: Fähigkeit über Erhalt, Verarbeitung und Rückgabe von Kommunikationsdaten über eine interoperable Systemschnittstelle

  • Autonomie: Selbstständige und autarke Ausführung von Manipulationen des Systems ohne Unterstützung sowie Einwirkung Dritter (Mensch oder andere Robotersysteme)

  • Überwachung: Autonome Überwachungsfunktion eigener Bewegungsabläufe sowie umliegende Peripherie

  • Aktion: Interaktion und Einwirkung auf die Peripherie des Robotersystems

  • Handlungsorientierung: Fähigkeit zur selbstständigen Interpretation der eigenen Manipulationen sowie Peripherieeinwirkungen und intelligente Entscheidungsfindung

Neben den notwendigen Mindestanforderungen an die Fähigkeiten eines Roboters gibt es eine Vielzahl an Klassifikationssystemen zur Einordnung und Unterscheidung unterschiedlicher Roboterarten. Folgend wird die Klassifikation von Robotersystemen in Anlehnung an das Klassifikationsmodell von (Onnasch et al. 2016) mit einer Erweiterung durch (Bakir 2020) vorgestellt (s. Abb. 22.1).

Abb. 22.1
figure 1

(Eigene Darstellung in Anlehnung an [18] mit einer Erweiterung durch [19])

Klassifikation von Robotersystemen.

Aufgabe:

Das erste Klassifikationsmerkmal für Robotersysteme ist die Aufgabe. Unter einer Aufgabe des Roboters wird die zu verrichtende Tätigkeit an einem spezifischem Arbeitsobjekt zur Erfüllung eines vordefinierten Ziels bezeichnet. Eine Aufgabe unterschiedet sich dabei in fünf globale Aufgabearten – Manipulation, Präzision, Entlastung, Transport und Informationsaustausch (Onnasch et al. 2016).

  • Manipulation: Der Roboter verändert während der Ausführung der Aufgabe unter physischem Einfluss dessen Umgebung (z. B. Schweißarbeiten)

  • Präzision: Der Einsatz des Roboters fokussiert sich auf sehr präzise, filigrane und feingliedrige Arbeitsaufgaben (z. B. Roboter in der Chirurgie)

  • Entlastung: Der Robotereinsatz zielt zur Entlastung des Menschen durch die Übernahme schwerer körperlicher und repetitiver Arbeit ab (z. B. Heben und Tragen von schweren Lasten). Zudem kann der Roboter noch in Umgebungen mit vielen Gefahren als Entlastung für den Menschen dienen.

  • Transport: Der Roboter dient der Beförderung bzw. dem Transport von Gegenständen zwischen zwei oder mehreren Standorten.

  • Informationsaustausch: Der Roboter übernimmt die Aufnahme, Verarbeitung und Ausgabe von Daten für den Menschen in schwierigem oder unbegehbarem Gelände sowie im Luftraum (z. B. Geländeaufnahme mit einer Drohne)

Einsatzgebiet:

Der Parameter „Einsatzgebiete“ von Robotern betrachtet die globalen Domänen des Robotereinsatzes. Diese sind sehr mannigfaltig und erstrecken sich beispielsweise über die Anwendung in der produzierenden Industrie, die Medizin, die Luft- und Raumfahrttechnik, die Bauindustrie bis hin zum Dienstleistungs- und Servicebereich (Onnasch et al. 2016; Bakir 2020; Haun 2013; Siciliano und Khatib 2016). Des Weiteren können Roboter nach der DIN EN ISO 8373 in Industrie- und Serviceroboter eingestuft werden. Aus einer anderen Betrachtungsperspektive kann die Zuordnung des Einsatzgebietes nach industriellen, kommerziellen und persönlichen Zwecken geschehen (Onnasch et al. 2016).

Morphologie:

Bei der Morphologie wird ein Roboter nach der grundlegenden Struktur und Form eingeordnet (Onnasch et al. 2016). Ferner impliziert die Morphologie auch die Möglichkeiten der Kommunikation, der Nutzung und der intuitiven Interaktion mit dem Roboter (H. Yanco und J. Drury 2002, 2004). Grundlegend wird bei der Morphologie zwischen drei verschiedenen Formen eines Robotersystems unterschieden – humanoid, zoomorph und funktional. Humaniode Systeme sind Roboter mit einer hohen Ähnlichkeit zum Menschen in dessen Form, Erscheinung und Interaktion mit Gestik, Mimik und Sprache. Zoomorphe Roboter sind in deren Struktur, Form, Funktion und Fortbewegung an Tiere angelehnt. Die dritte Morphologie bezieht sich auf funktionale Roboter. Diese Systeme besitzen keine besonderen Merkmale, Struktur und Form. Sie fokussieren sich auf die Funktionalität für dessen Einsatzzweck (Onnasch et al. 2016).

Mobilität:

Im Kontext der Mobilität eines Roboters wird zwischen stationären und mobilen Systemen unterschieden. Stationäre Roboter sind demnach Systeme mit einem festen Basispunkt, z. B. wenn der Fußpunkt des Roboters fest und unbeweglich im Boden verankert ist. Zudem besitzt der Roboter einen festgelegten und sich nicht ändernden Arbeitsraum. „Dabei handelt es sich in der Regel um Roboter, die aus einer Kette starrer Teilkörper bestehen, welche wiederum über Gelenke miteinander verbunden sind“ (Haun 2013, S. 18). Durch die Variation der Achs- und Gelenkstellungen können in einem sehr großem Bewegungsradius unterschiedlichen Positionen im Arbeitsraum angesteuert werden. Die Begrenzung des Bewegungsraumes stellt dabei der Endeffektor, z. B. der Greifer des Roboters, am äußersten Teilgelenk des Systems dar (Haun 2013). Mobile Roboter zeichnen sich wiederum durch die Fähigkeit der Lokomotion aus. Dies beschreibt die Fähigkeit eines selbstständigen Standortwechsels ausgehend von eigner Kraftübertragung zu Bewegungszwecken. Dadurch können sich die Systeme in deren natürlichen Umgebung fortbewegen und besitzen keinen fixierten Standort sowie definierten Arbeitsbereich. Generell werden mobile Robotereinheiten in insgesamt vier Untersysteme spezifiziert – Gehmaschinen (laufend oder kletternd), Radgetriebene Robotersysteme, Flugsysteme und maritime Robotersysteme. (Haun 2013; Siciliano und Khatib 2016).

Autonomiegrad:

Ein weiteres Merkmal für die Klassifikation von Robotersystemen ist der Grad der Autonomie. Dieser gibt den Interventionsgrad des Menschen während der Nutzung des Roboters an. Mit einem steigenden Autonomiegrad verringert sich zeitgleich die Intervention bzw. der Einfluss des Menschens während der Robotermanipulation. Dabei beinhaltet der Autonomiegrad die untergeordneten Stufen – Informationsaufnahme, Informationsverarbeitung, Entscheidungsfindung und Handlungsausführung. Diese Stufen können bei einem Robotersystem von einer geringen bis zu einer hohen Ausprägung variieren. Daraus resultiert in der Summe auch der endgültige Grad der Roboterautonomie (Parasuraman et al. 2000; Wickens 2013; Onnasch et al. 2016).

Aufgrund der vorhandenen Spezifikationen und Komplexitäten im Bauwesen werden die Klassifikationsmerkmale aus dem Modell nach (Onnasch et al. 2016) noch um weitere Punkte in Anlehnung an (Saidi et al. 2016) i. V. m. (Bakir 2020) und den neuen Parametern Datengrundlage und Datenfluss erweitert.

Einsatzgebiete:

Das erste spezifische Merkmal für die Bauindustrie ist das Einsatzgebiet des Robotersystems. Dabei wird das Kriterium noch weiter in die Parameter Domäne, Gewerk und Tätigkeit untergliedert. Die Domäne wird unterschieden in die Bereiche Hochbau, Tiefbau, Verkehrswegebau, etc. Das Gewerk bzw. die Aktivität spezifiziert den genauen Einsatzbereich im jeweiligen Bauprojekt. Abgeleitet daraus wird im nächsten Teilkriterium – Tätigkeit – noch die eigentliche Aufgabe des Roboters dargelegt.

Einsatzort:

Ein weiteres wichtiges Merkmal in der Klassifizierung von Robotik im Bauwesen ist der Einsatzort, an dem das Robotiksystem zum Einsatz kommt. Im Gegensatz zu den klassischen Industrien, in denen der Einsatz von Robotern schon weit verbreitet ist, wie in der Automobilbranche oder der Produktion von Computerchips, sind die Örtlichkeiten, in denen die Roboter stehen, mit einer sogenannten Laborumgebung zu vergleichen. In der Regel stehen die Roboter in hermetisch abgetrennten Bereichen, die wohltemperiert, geschützt vor jeglichen Wetterbedingungen und gut überwacht werden können. Dies sind alles Eigenschaften, die in der Regel nicht an herkömmlichen Baustellen erreichbar sind. Demnach kann eine solche Situation für Robotik im Bauwesen oft nur für die Vorfertigung von Komponenten oder kleineren Bauteilen eines Gebäudes hergestellt werden, beispielsweise in der Vorfertigung von Wänden im Holzmodulbau oder 3D-gedruckter Einzelkomponenten wie Stützen, Trägern oder Treppen zum späteren Transport und Einbau auf den Baustellen. Andersherum gibt es auch Ansätze von beispielsweise 3D-Druck-Systemen, die auf der Baustelle aufgebaut werden und, wenn überhaupt, lediglich mit einer leicht zu montierenden Dachkonstruktion aus Planen und Gerüsten vor Regen geschützt werden, ansonsten jedoch direkt auf der Baustelle agieren und bereits komplexe Bauaufgaben und durch 3D-Druck das Erstellen von Wänden automatisieren. Ein weiteres Beispiel für den Einsatz auf der Baustelle ist die Automatisierung von Datenerhebung durch mobile Robotersysteme, die über zusätzlich montierte 3D-Scanner Daten im Sinne der Erstellung eines digitalen Gebäudemodells erheben sowie die teilautomatisierte Dokumentation des Baufortschritts mittels künstlicher Intelligenz und kontinuierlichen Abgleich eines BIM-Models. Demnach können Robotiksysteme im Bauwesen im Sinne des Einsatzortes in den Bereich der Vorfertigung und dem Einsatzort direkt auf der Baustelle klassifiziert werden.

Art des Bauroboters:

In der Besonderheit der Baurobotik wird ein verwendetes Robotersystem nach der Art der Ansteuerung und Aufgabenausführung eingestuft. Dabei wird zwischen den drei Arten teleoperierte, programmierbare und intelligente Bauroboter unterschieden. Bei dem teleoperierten Bauroboter wird das System durch den Menschen per Fernsteuerung gesteuert und somit die Aufgaben manuell und in einer Einzelsequenz übertragen. Der programmierbare Bauroboter ist computergesteuert und wird durch die Verwendung eines Bewegungsalgorithmus angesteuert. Diese Art ist teilautomatisiert, da der Mensch den Bewegungsalgorithmus in einem Vorprozess entwickeln muss, diesen teilweise simulieren kann und der Roboter danach die Bewegungsabläufe in einer zusammenhängenden Sequenz ausführt. Die dritte Kategorie ist der intelligente Bauroboter. Diese Art von Bauroboter steuert sich komplett autonom und führt auch jegliche Aufgaben bzw. Manipulationen komplett durch die eigene Intelligenz durch. Diese Robotersysteme verwenden die Technologie der künstlichen Intelligenz in einem Zusammenspiel mit vielen weiteren Technologien (z. B. Laserscanning, Sensorik, etc.) für die Orientierung, Bewegung und Manipulation.

Datengrundlage:

Im Zusammenhang mit der Nutzung von Robotern in der Bauindustrie können unterschiedliche Datengrundlagen für die Ansteuerung des Robotersystems dienen. So kann der Bewegungsalgorithmus des Roboters aus einem zweidimensionalen „Computer Aided Manufacturing (CAM)“ – System generiert werden (Xie et al. 2010; Chang und Shih 2013). Darüber hinaus können digitale, objektorientierte 3D-Modelle als Datenbasis mit offenen Produktionsdatenformaten (z. B. IFC, STEP, STP) zur Ansteuerung des Roboters dienen. (Slepicka et al. 2022; Tavares et al. 2019; Zhang et al. 2022; Davtalab et al. 2018).

Datenfluss:

Anknüpfend an der Verwendung von dreidimensionalen Modellen als Datengrundlage (Produktionsmodell, BIM-Modell, Digitaler Zwilling) kann die Art des Datenflusses unterschieden werden. Dieser Parameter ist abgeleitet aus der grundlegenden Definition und Unterscheidung zwischen digitalem Modell, digitalem Schatten und digitalem Zwilling. Die Art des Datenflusses richtet sich dabei primär nach dem Entwicklungslevel der dreidimensionalen Datengrundlage. Mit einem einfachen digitalen Modell (Produktionsmodell, BIM-Modell) erfolgt der Datenfluss in einem monodirektionalen Weg in einer manuellen Weise zwischen dem digitalen Modell und dem realen Robotersystem. Unter der Verwendung eines digitalen Schattens erfolgt ein semi-automatischer, monodiretktionaler Datenfluss. Dabei läuft der Datenaustausch vom digitalen Modell zum physischen System manuell, während von dem physischen Objekt zum digitalen Modell ein automatischer Datenfluss vollzogen wird. Für einen vollautomatisierten Datenfluss in beiden Richtungen zwischen dem physischem Robotersystem und dem digitalen Modell wird der Einsatz eines digitalen Zwillings erforderlich. (Kritzinger et al. 2018; Bergs et al. 2021; Yildiz et al. 2020)

3 Barrieren und Potenziale im Status Quo des Einsatzes von Baurobotik

Allgemeine Herausforderungen im Status Quo

Bislang ist der Einsatz von Robotik auf Baustellen und in den Fabriken zur Vorfertigung von Bauproduktsystemen global noch sehr zurückhaltend. Dies liegt vor allem an den Spezifikationen der Bauindustrie, der Komplexität und Individualität von Bauprojekten (Bock 2015; McKinsey Global Institute 2017). Im internationalen sowie nationalen Kontext existieren bereits erste Untersuchungen über bestehende Herausforderungen und mögliche Potenziale für den Einsatz der Robotik in der Bauindustrie (Jäkel et al. 2022).

Zur Identifizierung der bereits charakterisierten Barrieren für den Einsatz von Robotik im Bauwesen wurde eine Literaturanalyse unter Verwendung von internationaler und nationaler Fachliteratur und Konferenzbeiträgen durchgeführt. Es wurden insgesamt neun Artikel identifiziert, die Herausforderungen von Robotik in der Bauindustrie adressieren. Die Artikel wurden analysiert, die identifizierten Herausforderungen extrahiert und in fünf übergeordneten Clustern zusammengefasst. Diese fünf Cluster stellen die generischen Metabarrieren der Verwendung von Robotern in der Bauindustrie dar. Dabei wurden insgesamt 52 Barrieren in 5 Clustern (s. Tab. 22.1) innerhalb der betrachtenden Literatur erkannt. Dabei ist zu sehen, dass die Problematik der Implementierung und Nutzung von Robotik in der Bauindustrie nicht nur im technischen Bereich liegt, sondern auch wirtschaftliche und soziale Aspekte eine Rolle spielen. Diese Aspekte sind beispielsweise die hohen Anschaffungskosten von neuer Technologie, die vorhandenen Bedenken und die skeptische Haltung von Arbeitgebern sowie -nehmern und zudem das fehlende Wissen und nichtvorhandene Standardisierungen eine Rolle spielen. (Jäkel et al. 2022)

Tab. 22.1 Identifizierte Meta-Barrieren im Status Quo

Spezifische Herausforderungen und Potenziale in der deutschen Bauindustrie

Neben den globalen Potenzialen und Herausforderungen für die Implementierung und Verwendung von Robotik in der Bauwirtschaft sind zusätzlich die nationalen und lokalen Besonderheiten in der deutschen Bauindustrie zu betrachten. Für diese Untersuchung wurde vom Institut für Baumanagement, Digitales Bauen und Robotik im Bauwesen der RWTH Aachen University im Jahr 2021 eine empirische Untersuchung zum Einsatz von Robotik in der deutschen Bauausführung durchgeführt. Dabei wurden Unternehmen mit Fokus auf die Bauausführungsphase mit Hauptsitz in Deutschland befragt. Der Schwerpunkt der Untersuchung war zum einen der aktuelle Einsatz von Robotik- und Automatisierungssystemen in Unternehmen und zum anderen die Identifikation von vorhandenen Treibern und Hürden für eine Implementierung und Nutzung der Robotiksysteme in nationalen Bauprojekten. Die Rangfolge der wichtigsten Barrieren ergibt sich aus der kumulierten Summe (dargestellt als kumulierter Prozentsatz) der Zustimmungsgrade Sz (Sz: Summe der positiven Antworten der Optionen 5 & 6). Die Barrieren und Treiber mit dem höchsten Zustimmungsgrad sind in Tab. 22.2 und Tab. 22.3 als Ergebnisse der Umfragekategorien dargestellt.

Tab. 22.2 Identifizierte Barriere für Baurobotik in der deutschen Bauindustrie
Tab. 22.3 Identifizierte Treiber für Baurobotik in der deutschen Bauindustrie

Die erste Kategorie der Umfrage betrachtete die vorhandenen Erfahrungen mit Robotik in deutschen Bauunternehmungen. Als Ergebnis besitzt die Mehrheit der Befragten (insgesamt 73,7 %) noch keine Kenntnisse über den Einsatz von Roboter- und Automatisierungstechnologien. Demgegenüber haben 26,3 % der Befragten bereits Erfahrungen mit dem Einsatz von Robotern gesammelt, entweder direkt in der traditionellen In-Situ-Ausführung (11,6 %) oder in der industriellen Vorfertigung (14,7 %) (s. Abb. 22.2). Als nächstes wurde nach dem erwarteten Zeithorizont für die Einführung von Robotik und Automatisierungstechnik gefragt. Nur 5,30 % planen bereits die Einführung. Für 23,2 % ist die Einführung in 5 Jahren vorgesehen, für 12,5 % in 10 Jahren, für 14,3 % in 15 Jahren und für 17,9 % überhaupt nicht. Die Ergebnisse der ersten Untersuchungskategorie zeigen das fehlende Wissen über Robotik- und Automatisierungssysteme sowie die noch sehr zurückhaltende Auseinandersetzung und Planung der Implementierung der Systeme in nationalen Bauunternehmen. Die beiden nachstehenden Kategorien der Umfrage untersuchen die existierenden Barrieren (Kategorie 2) und Treiber (Kategorie 3) für die Implementierung und Nutzung von Robotik- und Automatisierungssystemen in der Bauausführung.Die Rangfolge der wichtigsten Barrieren (s. Tab. 22.2) basiert auf der kumulierten Summe (dargestellt als kumulierter Prozentsatz) des Zustimmungsgrades Sz (Sz: Summe der positiven Antworten von Option 5 & 6). Die Barrieren und Treiber mit einem Zustimmungsgrad Sz > 50 % wurden nach der Auswertung als Hauptbarrieren und Haupttreiber bezeichnet. Insgesamt wurden aus den 32 Hypothesen je Kateogrie mit dem entsprechenden Zustimmungsgrad 12 Hauptbarrieren auf sozialer, technischer und wirtschaftlicher Ebene identifiziert. Im Zusammenhang der Barrieren wurden im wirtschaftlichen Bereich insgesamt sieben Barrieren identifiziert. Dies ist zugleich der Bereich mit der größten Anzahl an Barrieren. Diese beziehen sich zum einen auf monetäre Aspekte wie fehlende Ressourcen im Unternehmen, hohe Anschaffungskosten und fehlende Anreize durch den Staat. Zum anderen betreffen sie strategische Fragen, wie eine fehlende konsequente Umsetzungsstrategie oder fehlende Best Practice. Die hohe Zahl der wirtschaftlichen Hemmnisse verdeutlicht die Bedeutung des Feldes für die zukünftige Baurobotik. Hier sind vor allem klare übergreifende Strategien und finanzielle Unterstützung notwendig. Auf gesellschaftlicher Ebene wurden drei Barrieren identifiziert. Diese stehen alle im Zusammenhang mit einem Mangel an Fachwissen und Ausbildungsmöglichkeiten sowie einem Mangel an Wissen über die Einsatzmöglichkeiten der Robotik. Ohne ein größeres Wissen über die Technologie sehen die Unternehmen noch keinen Sinn darin, sie einzuführen, da der langfristige Mehrwert noch nicht offensichtlich ist. Auf der technischen Ebene wurden zwei Hindernisse festgestellt. Als Haupthindernisse sehen die Befragten das dynamische und heterogene Baustellenumfeld sowie die fehlende Standardisierung der Prozesse. Aus dem Vergleich der Ergebnisse der Literaturanalyse und der empirischen Studie lässt sich ableiten, dass jede identifizierte Einzelbarriere der Studien auch den Meta-Barrieren zugeordnet werden kann (s. Tab. 22.2). Dies unterstreicht die Allgemeingültigkeit der Meta-Barrieren und ihre breite Anwendbarkeit. Die weiteren 20 Hypothesen aus der Befragung betrachten beispielsweise Aspekte der Datennutzung in der Bauwirtschaft, der Mensch-Maschine-Kollaboration auf der Baustelle oder der mangelnden Akzeptanz und Widerstände bei den Mitarbeitern. Diese Aspekte wurden von den Befragten als überschaubar und eingestuft (Jäkel et al. 2022).

Abb. 22.2
figure 2

Vorhandene Erfahrungen mit Robotik in deutschen Bauunternehmungen

Im Zusammenhang mit den erforschten Treibern für eine Implementierung und Nutzung der Baurobotik wurde das identische vorgehen unter Betrachtung der Zustimmungsgrades Sz und der Ableitung von Haupttreiber aus den betrachteten Hypothesen angewendet. Insgesamt wurden sechs Haupttreiber für die Implementierung von Robotersystemen in der deutschen Bauindustrie festgelegt (s. Tab. 22.3). Dabei ist die Signifikanz der Treiber in allen drei Leveln (technisch, sozial, wirtschaftlich) ausgewogen. Der wichtigste Treiber ist nach der Auswertung der emprischen Untersuchung die Entlastung der Mitarbeitenden in der Operative (T.A.1) und die damit verbundene Übernahme von schwerer körperlicher Arbeit (T.A.2) auf der sozialen Ebene. Dadurch werden Roboter einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung sowie Entlastung des Menschen auf der Baustelle und zur Attraktivitätssteigerung der Berufe des Bauhandwerks leisten. Auf technsicher Ebene wird die Arbeitsqualität durch die optimerte Ausführungsgenauigkeit der Roboter steigen (T.B.1) und zeitgleich die Integration mit zunehmender Digitalisierung der Branche vereinfacht (T.B.2). Zudem liefern digitale Bauwerksmodelle eine qualitative Datenbasis (T.B.3) zur Ansteuerung und Verwendung der Robotiksysteme. Im wirtschaftlichen Zusammenhang sind die wesentlichen Treiber die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit (T.C.1) durch eine verbesserte Produktivität (T.C.3). Des Weiteren wird der Automatisierungsgrad vorhandener Prozesse mit dem Robotereinsatz erhöht. Zusätzlich erhalten die Unternehmen die Möglichkeit zur Erweiterung der Geschäfts- und Tätigkeitsfelder sowie der Kreation neuer Geschäftsmodelle (T.C.2).

Zusammenfassend kann aus der empirischen Studie abgeleitet werden, dass für eine flächendeckende Implementierung von Robotersystemen die vorhandenen Barrieren überwiegen (12 Barrieren: 8 Treiber (Sz > 50 %), jedoch die wesentlichen Treiber und Mehrwehrte bereits bekannt sind. Dabei spielen nicht nur technische Aspekte für die Implementierung von Robotersystemen in die Bauprozesse eine Rolle, sondern vielmehr muss die ganzheitliche und interdisziplinäre Betrachtung unter Berücksichtigung von sozialen, technischen und wirtschaftlichen Aspekten erfolgen. Für die Überwindung dieser Barrieren und der vollständigen Nutzung der Treiber bedarf es weiterführende Implementierungsmodelle von Robotersystemen auf strategischer und operativer Ebene für Unternehmen in der Ausführung.

4 Zusammenfassung

In anderen industriellen Sektoren ist der Mehrwert von Robotern in den operativen Prozessen schon seit mehreren Jahrzehnten bekannt (McKinsey Global Institute 2017). Zudem werden Robotiksysteme umfänglich und erfolgreich entlang der Wertschöpfungskette eingesetzt (Carra et al. 2018). In der Bauindustrie gibt es zwar schon verschiedene Entwicklungsansätze (Bock 2015; Chu et al. 2008; Saidi et al. 2016) und Verwendungszwecke (Elattar 2008), dennoch schreitet die Integration lediglich sehr langsam voran (Bock 2015).

Dies resultiert aus der mehrdimensionalen Komplexität von Bauprojekten sowie vorhandenen Herausforderungen auf verschiedensten Ebenen. Zeitgleich sind die Mehrwerte bekannt (Carra et al. 2018; Martinez et al. 2008) und die wesentlichen Treiber für eine Integration und Nutzung identifiziert (Jäkel et al. 2022). Diese existierenden Herausforderungen und Treiber für eine Integration und Verwendung von Robotiksystemen entlang der Wertschöpfungskette der Bauwirtschaft werden in diesem Kapitel dargestellt. Zudem wird zuvor die Thematik der Robotik durch eine Begriffsdefinition und einer Klassifikation erklärt. Zusätzlich werden die grundlegenden Spezifika von Baurobotern aufgeführt.

Dieses grundständige Wissen über Robotik und Baurobotik sowie die vorhandenen Herausforderungen und Treiber für deren Einsätze schaffen ein grundlegendes Verständnis über die wichtigen Themenbereiche der Bauindustrie der Zukunft. Dadurch wird die generelle Akzeptanz für diese neuartigen Technologien gestärkt und mittelfristig die Hemmschwelle für Personen sowie die vorhandenen Eintrittsbarrieren für Unternehmen minimiert. Resultierend daraus wird die Robotisierung des Bausektors in den nächsten Jahren weiter voranschreiten und der Grad der Automatisierung und Digitalisierung gesteigert.