Die CD enthält folgende Sessions:
(1) Eine Session vom Mai 1960 mit Bud Freeman (ts), Harold "Shorty“ Baker (tp), Claude Hopkins (p), George Duvivier (b) und J.C. Heard (dr)., damals unter Prestige’s Swingville Sub-Label veröffentlicht.
(2) Vier veröffentlichte Titel einer Session aus dem Jahr 1935, auf der Freeman mit Bunny Berigan (tp), Claude Thormhill (p), Eddie Condon (g), Grachan Moncur (b) und Cozy Cole spielte.
(3) 3 Tracks aus einer Swingville-LP unter der nominellen Leadership des Bassisten Leonard Gaskin, mit Pee Wee Erwin (tp) und "Big Chief" Russell Moore (tb), aufgenommen 1962.
Das Kernstück bildet sicherlich das Swingville-Album von 1960. Die Paarung von Freeman mit "Shorty“ Baker mag überraschend sein, aber sie funktioniert ausgezeichnet. Baker war lange Jahre bei Duke Ellington, und vom Duke wie alle seine Solisten mit ausreichend Solo Space versehen, aber hier kann er sich doch mehr ausleben. Er bläst eine gute Swing-Trompete, immer geschmackvoll und zurückhaltend (ähnlich wie sein Tenorsax-Partner Freeman), sehr direkt, saubere Phrasierung und mit der Souveränität des Pros, der weiß wie er ein Stück zum Swingen bringt.
Freeman wiederum, der erste Tenorsaxophonist, der eigentlich parallel zu Coleman Hawkins einen eigenständigen Sound entwickelte (ganz ischer aber der erste weiße Tenorsaxophonist mit eigenständigem Sound). Seine Phrasierung war immer spezial, tief verwurzelt im Chicago Stil, aber unverwechselbar – Freeman ist einer der wenigen Individualisten, die man schon nach wenigen Noten erkennt. Der Bud Freeman des Jahres 1960 ist interessanterweise durchaus verfeinerter und – in Ermangelung eines geeigneten deutschen Worts – mehr "sophisticated“ als der des Jahres 1935.
Noch ein Wort zum Pianisten Claude Hopkins: Gutes rhythmisches Swing Piano, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das muss man erst mal können.
Es liegt in der Natur des Albums, dass es keine herausstechenden Höhepunkte gibt, vielmehr ist alles von einer gleichbleibenden hohen Qualität. Persönliche Lieblingsstücke: "Shorty’s Blues“ mit Baker auf der "muted“ Trompete, sowie "Love Me Or Leave Me“, das hier die Quintessenz von Small Group Swing destilliert. So unaufgeregt, gelassen, aufeinander abgestimmt, einfach Klasse.
Die 1962er Titel überspringe ich – die sind o.k. Guter New Orleans/Chicago Stil mit den Trompetern Pee Wee Erwin und Herman Autrey, sowie den Posaunisten Big Chief Russell Moore und Dickie Wells.
Auf jeden Fall eingehen möchte ich noch auf die 1935er Session. Und zwar nicht nur wegen Bud Freeman, sondern wegen des Trompeters Bunny Berigan. Produziert wurden die vier Titel von John Hammond, der die britische Parlophone davon überzeugt hatte, Jazz-Platten herauszubringen. Die amerikanische Musikindustrie war noch 1935 von Swing nur mäßig begeistert, insbesondere wenn er von weißen Musikern gespielt wurde.
Freeman ist hier rauher, ursprünglicher, näher am Chicago-Stil. Berigan, einer der ganz Großen, wenn auch Tragischen, reißt einen mit seinem Spiel buchstäblich vom Hocker. Unverkennbar in der Beiderbecke-Tradition, aber was für ein Spieler! Er konnte offensichtlich "hot“ spielen wie der Teufel und auf allen vier Titeln finden wir sein strahlendes klares Horn, jedoch eine Spur leichter, eleganter und zurückhaltender als der große, alles beherrschende Louis Armstrong. Wow.