Nachruf auf Richard Wagner: Der hinterlistige „Herr Parkinson“ hat gewonnen

Nachruf auf Richard Wagner: Der hinterlistige „Herr Parkinson“ hat gewonnen

Der aus dem Banat in Rumänien stammende deutsche Schriftsteller lebte seit 1987 in Berlin. Richard Wagner kam von der Lyrik, das machte auch seine Prosa dicht. 

Der rumäniendeutsche Schriftsteller Richard Wagner ist im Alter von 70 Jahren in Berlin gestorben.
Der rumäniendeutsche Schriftsteller Richard Wagner ist im Alter von 70 Jahren in Berlin gestorben.Arno Burgi/dpa

Die Parkinson-Krankheit, stellt der Erzähler in Richard Wagners letztem Prosawerk fest, habe zwar keinen erkennbaren Plan, aber ein Prinzip. „Sie verlangt nicht ausdrücklich die Unterwerfung, doch wo der Parkinson Herr der Lage ist, hat der Erkrankte nicht mehr viel zu sagen.“ Das Ich in dem 2015 erschienenen Buch hat sehr viel mit dem Autor gemein – vor allem die Auseinandersetzung mit einem unangenehmen, herrischen Bekannten, der sich sogar im Titel breitmacht: „Herr Parkinson“.  Am Dienstag ist Richard Wagner im Alter von 70 Jahren in Berlin gestorben.

In der dpa-Meldung ist von einer schweren Krankheit die Rede. Wer das Buch gelesen hat, macht sich ungefähr eine Vorstellung von der einerseits extremen Steifheit und den andererseits teuflischen nicht steuerbaren Bewegungen, die den Autor plagten. Parkinson sei eine Krankheit für Einzelgänger, sagte Richard Wagner, als wir ihn damals besuchten. Es war ihm nur noch schwer möglich, zu anderen Menschen Kontakt zu halten. Und weil er fand: „Über Parkinson gibt es nur schlechte Bücher“, schrieb er ein eigenes, hochliterarisches, keinen Ratgeber und keine Biografie. Zwölf Jahre plagte er sich da schon, nun sind es insgesamt zwanzig geworden.

Und wenn doch eigentlich vieles bleiben sollte von seinen Büchern, den Romanen wie „In der Hand der Frauen“, „Giancarlos Koffer“ und Miss Bukarest“, den Bänden mit pointierten Kürzestgeschichten und den kühl assoziierenden Gedichten, ist es vor allem dieses eine Buch, das dringend seinen Tod überdauern sollte.

Richard Wagner, 1952 im rumänischen Banat geboren, veröffentlichte bereits mit 17 erste Gedichte, studierte Germanistik und gründete bald mit Studienfreunden, zu denen auch der Autor, Übersetzer und langjährige Chef des Literaturhauses Berlin Ernest Wichner gehört, die Aktionsgruppe Banat. Die jungen Leute damals wollten anders auf Deutsch schreiben, keine Heimatliteratur, sondern modern und in die Gesellschaft wirkend. Die allerdings war sozialistisch organisiert, was für Wagner nach weiteren Gedichten den Verlust der Arbeitsstelle als Journalist bedeutete, und bald auch Bespitzelung.

Im Jahr 1984 stellte er gemeinsam mit seiner Ehefrau, der späteren Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, einen Ausreiseantrag. Sie mussten bis 1987 warten, ehe sie nach West-Berlin gehen konnten. Die Ehe hielt der Belastung nicht lange stand. Aber Wagner begann in Deutschland, sich der Prosa zuzuwenden, erst ganz kurz und knapp, dann wurden seine Texte immer länger. Doch auch den Romanen merkt man das Feilen des Dichters an, das Streichen alles Überflüssigen. 2017 erschien noch einmal ein Gedichtband, „Gold“, im Aufbau-Verlag, mit einer Auswahl aus den Jahrzehnten und einigen letzten Texten. „Ich bin nicht mehr mein Körper / Mein wegfallender Körper / Mein Abfall / von wessen Fahne / auch immer“, heißt es in dem Gedicht „Tapas“ direkt zwischen Versen, die Momentaufnahmen enthalten. Ein nur sechszeiliges Gedicht heißt „Katharinenhof“, das war der Ort, wo Richard Wagner zuletzt in Berlin-Friedenau lebte, ein Pflegeheim.