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Film Walter Giller gestorben

Begnadeter Plauderer mit charmanter Frivolität

Filmredakteur
Walter Giller und Nadja Tiller waren das Traumpaar des deutschen Films. Nach 55 Ehejahren ist Walter Giller in Hamburg seiner Krebserkrankung erlegen.

Die meistgestellte Frage, die Walter Giller und seiner Frau – nein, besser: Nadja Tiller und ihrem Mann – über die Jahrzehnte gestellt worden ist, wollte wissen, ob es sich bei ihren fast deckenden Namen um Künstlerpseudonyme handele. „Nein, wir heißen wirklich so“, pflegte Giller zu antworten, und manchmal fügte er hinzu: „Unsere Kinder heißen beide Giller, aber unser Sohn wollte sich umtaufen lassen, als er herausgefunden hatte, dass wir beide Schauspieler sind. Das war ihm schrecklich peinlich. Er ist eben Schweizer. Und er ist Finanzmakler geworden.“

Das ist die Antwort eines Komikers, der nichts wirklich ernst nimmt, auch Familiendramödchen nicht, und die korrespondierende Frage ist, wie ernst Giller seine Schauspielerkarriere genommen hat. Er hat immer vom Theater geschwärmt, wo er 1947 angekommen war, nach drei Jahren Kriegseinsatz und amerikanischer Gefangenschaft, und wo er seine erste Rolle an den Hamburger Kammerspielen erhielt, in einem Stück mit dem programmatischen Titel „Wir sind noch einmal davongekommen“.

Schüchterner jugendlicher Liebhaber

Vier Jahre später sollte ihn ganz Deutschland kennen, durch seine Hauptrolle in „Primanerinnen“ , einem Hohen Lied auf Jugendliebe, das ein Ex-Primaner mitten im Krieg schrieb, der in Stalingrad fiel und nicht mehr erlebte, wie sein Roman Hunderttausende Landser zum Flennen brachte. Giller spielte den Gymnasiasten mit schlaksiger Unbefangenheit, sein erster schüchterner jugendlicher Liebhaber von vielen, und von nun an sollte er sich vom bundesdeutschen Unterhaltungskino schmählich korrumpieren lassen. Es war so leicht.

Für „Primanerinnen“ erhielt er die damals für eine Nachwuchskraft beachtliche Summe von 7500 Mark, und die Gagen wuchsen, je mehr Giller zur Verkörperung des Nochmal-davongekommen-Vergessens wurde: der grimassierende Faxenschneider, der ideale Schwiegersohn, der schröckliche Kalif, der brotlose Komponist, der musikalische Clown, der minderbemittelte Ganove, der Tourist, der Angler, der Neffe, der Hundehalter, der Matrose. Er verführte die Frauen nicht, und wenn er sie doch bekam, hatten sie Sex mit ihm eher aus Mitleid.

"Seitdem heiße ich für viele ,Herr Tiller’"

Dieser Giller wurde ein Markenzeichen, und die Marke hatte eine leicht lispelnde, mit kleinen Krächzen unterlegte Stimme – und doch noch etwas Anderes, wovon Tiller/Giller in einem Interview über ihr Kennenlernen erzählten:

„Giller: Ich war 25, Nadja 23 und wir begegneten uns nach der ,Schlagerparade’ in einem Berliner Studio auf dem Flur. Seitdem sind wir zusammen. Sie war wunderschön, ich engbrüstig, schiefschultrig, kurzatmig und arbeitsscheu. Aber extrem drahtig und verwegen.

Tiller: Ich fand ihn sehr anziehend, aber anfangs wollte ich Walter nicht heiraten. Zu meiner Mutter habe ich gesagt: ,Wenn ich den heirate, werde ich ihn nie wieder los’.

Giller: Nach drei Wochen fragte ich: ,Wann haben Sie Ihren nächsten freien Tag? Da könnten wir heiraten’.

Tiller: Ich fand das unmöglich. So unromantisch! Ich habe nicht einmal geantwortet. Ein paar Jahre später wollte ich aber nicht mehr Fräulein Tiller sein.

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Giller: Also sind wir aufs Standesamt und abends ins Kino zur Feier des Tages. Seitdem heiße ich für viele ,Herr Tiller’.“

„Grimms Märchen von den lüsternen Pärchen“

Es gab eine Phase Ende der Fünfziger, als seine Frau sich durch „Das Mädchen Rosemarie“ vom Sexsymbol zur ernsthaften Schauspielerin emanzipierte, da schien dies auch Walter Tiller zu gelingen. Bei den meisten Spaßmachern kommt der Moment, in dem ein ernsthafter Regisseur tief in ihre Seele blickt und mehr entdeckt als komische Leere; Käutner sah in Rühmann den „Hauptmann von Köpenick“, Toelle in Juhnke den „Trinker“, Haußmann in Bully den Hitler-Imitator vom „Hotel Lux“.

Wolfgang Staudte sah in Walter Giller den Gefreiten, der am Kriegsende von einem Durchhaltestaatsanwalt zum Tode verurteilt wird, überlebt und Jahre später vom selben Juristen wieder drangsaliert wird. Giller gewann für „Rosen für den Staatsanwalt“ den Bundesfilmpreis und zwei Jahre später für seinen Ost-Berliner Lkw-Fahrer Paulchen in der Fluchtgeschichte „Zwei unter Millionen“ noch einen – aber dann folgten wieder „Der Traum von Lieschen Müller“, „Schneewittchen und die sieben Gaukler“ und – noch schlimmer, als Opas Kino am Ende war – „Grimms Märchen von den lüsternen Pärchen“.

Im Fernsehen wurde er zum richtigen Star

Als ihm das Kino nichts mehr zu bieten hatte, ging Giller folgerichtig ins Fernsehen. Das entwickelte ihm jenes Format, das seiner Saloppheit vielleicht am besten angemessen war: den Plauderer, der in „Locker vom Hocker“ lässig auf nämlichen Stuhl sitzt, Glas in der Hand, und Sketche mit bekannten Kollegen verbindet, mit unschuldigen Hundeaugen, spitzbübischem Lächeln und ziemlich undeutscher Frivolität.

Da war er endlich der Star, er, der sonst damit zufrieden war, ein guter Zweiter zu sein, auch im Gespann mit seiner Frau. 29 Filme haben sie zusammen gedreht und 55 Ehejahre miteinander verbracht. Am Donnerstag ist Walter Giller in Hamburg seinem Krebsleiden erlegen. Er wurde 84 Jahre alt.

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