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„Politiker erleben extrem viel Hass“

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Jan-Denis Wulff sorgt als Personenschützer für die Sicherheit von Bundesministern. Im Interview spricht er darüber, wie die Stimmung immer aggressiver wird.

Nach der brutalen Attacke auf den sächsischen SPD-Politiker Matthias Ecke haben am Dienstag die Innenminister der Länder getagt, um über Sicherheit für Politiker zu beraten. Wie aggressiv die Stimmung im Land ist, weiß auch der Grünen-Politiker Jan-Denis Wulff aus Berlin. Er ist Personenschützer für das Bundeskriminalamt und betreut Spitzenpolitiker, kandidiert aber für das Europaparlament. Am Montagabend sprach er bei einer Veranstaltung der bayerischen Grünen in München über Sicherheitspolitik. Im Interview berichtet der 31-Jährige über seine Erfahrungen.

Jan-Denis Wulff aus Berlin ist Personenschützer und will für die Grünen ins Europaparlament einziehen
Zu Besuch am Stachus in München: Jan-Denis Wulff aus Berlin ist Personenschützer und will für die Grünen ins Europaparlament einziehen. Am Montagabend hielt er einen Vortrag zum Thema Sicherheitspolitik. © Marcus Schlaf

Herr Wulff, Sie waren mal Erzieher – wie sind Sie Personenschützer geworden?

Ich bin seit 2016 bei der Polizei und habe in Nordrhein-Westfalen mein Studium zum Kommissar abgeschlossen. Erst bin ich in Bochum und Dortmund Streife gefahren, dann habe ich eine Fortbildung zum Personenschützer beim Bundeskriminalamt gemacht. Meine erste Schutzperson war der frühere CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn, den ich auf Veranstaltungen begleitet habe. Ich habe auch schon Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang geschützt. Zuletzt war ich Karl Lauterbach (SPD) zugeteilt, derzeit habe ich Urlaub genommen für den Europawahlkampf.

Das sind ja lauter Polit-Promis. Ist es besonders schwierig, die zu schützen?

Klar, der Bekanntheitsgrad macht einen großen Unterschied auch in der Bewertung der Sicherheitslage. Diese Spitzenpolitiker können nicht einfach in den Supermarkt gehen, ohne erkannt zu werden. In der Menschenmenge ist es besonders kompliziert. Wir können uns keine Unaufmerksamkeit erlauben, keine Pause im Kopf. Das ist sehr anstrengend.

Angriffe auf Politiker nehmen zu. Merken Sie das auch als Personenschützer?

Als ich 2022 angefangen habe, war Corona noch aktuell. Damals wurde Stimmung immer aggressiver. Als Polizist habe ich damals bei unseren Einsätzen auf Montagsdemos mitbekommen, dass sich in der Gesellschaft eine Verrohung breit macht. Seither hält sich das auf einem hohen Niveau, das hat sich leider nicht aufgelöst. Ich mache mir weniger Sorgen um Berufspolitiker, die bereits Personenschutz haben. Die Landeskriminalämter und das BKA machen eine hervorragende Arbeit. Aber ich bekomme immer mehr Meldungen von Ehrenamtlichen, die für uns plakatieren und so oft angegriffen werden, dass sie Angst haben rauszugehen.

Was erleben diese Menschen?

In München ist das leichter als im Osten, wo der Rechtsextremismus stark ist. Neulich erst wurden Helfer, die für die Grünen Plakate in Berlin-Pankow geklebt haben, beleidigt, ein Mann drohte, die Plakate wieder abzureißen.

Welches Verhalten empfehlen Sie in solchen Situationen? Sie geben auch Workshops zum Thema Sicherheit im Wahlkampf.

Gehen und die Polizei rufen. Außerdem rate ich, dass sie nur in Gruppen arbeiten und nicht nachts alleine in dunkle Straßen gehen. Das ist eine Gratwanderung, wir wollen ja auch sichtbar bleiben. Aber wenn man in so einem Fall wie in Berlin die Konfrontation sucht, bin ich sicher, dass es nicht beim Wortgefecht bleiben würde. Und das ist gefährlich. Viele Ehrenamtliche ziehen sich aus Angst, auch um ihre Familien, zurück.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). © Carsten Koall

Trotz Ihrer Erfahrungen wollen Sie selbst Berufspolitiker werden. Haben Sie Angst?

Ich bin ausgebildet, mich zu verteidigen und weiß auch, wie ich mich rechtlich wehren kann. Aber ich höre schon von einfachen Abgeordneten, dass sie sich Gedanken machen, ob sie nicht auch Personenschutz brauchen.

Sind auch Spitzenpolitiker nervöser als früher?

Die haben diesen Prozess schon hinter sich, sie sind an dauernde Polizeipräsenz gewöhnt. Aber es ist schon unglaublich, was die zum Teil aushalten müssen. Ricarda Lang zum Beispiel wird mit extrem viel Hass überschüttet. Aber jetzt schwenkt das um, jeder kann zum Opfer werden. Und auch die Täter sind schwerer zu identifizieren.

Petersberger Klimadialog
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). © Kay Nietfeld

Was bedeutet das auch für ihre Arbeit als Personenschützer?

Früher haben wir das rechte Spektrum klar mit Springerstiefel und Glatze definiert. Aber durch Corona hat sich die Szene weiterentwickelt, es gibt auch Verschwörungstheoretiker und Reichsbürger. Selbst für mich ist es oft nicht leicht zu erkennen, wer da auf mich zukommt.

Statistiken zeigen, dass Grüne besonders oft attackiert werden. Entspricht das Ihrer Erfahrung?

Es trifft alle Demokraten. Es ging in der Vergangenheit ja auch stark gegen Spahn und auch Lauterbach von der SPD. Nach dem schlimmen Vorfall in Sachsen wird den anderen Parteien stärker bewusst werden, dass der Hass einzelne Personen trifft. Das hat sich drastisch verändert. Es ist daher gefährlich, wenn Markus Söder zum Beispiel den Grünen das Bayern-Gen abspricht, also damit behauptet, wir seien nicht Teil der Gesellschaft. Ich habe große Sorge, dass sich diese Anti-Stimmung auf Politiker aller Parteien überträgt. Wir müssen uns in der Gesellschaft wieder ausreden lassen – ohne Hass.

Faeser will mehr Polizeipräsenz im Wahlkampf

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dringt auf mehr Schutz von Wahlkämpfern – mit schnellen Strafverfahren, mehr Polizeipräsenz und wenn nötig einem schärferen Strafrecht. „Wir brauchen ein ganz deutliches Stopp-Signal: Dafür ist neben der Polizei und den Sicherheitsbehörden auch die Justiz gefordert“, sagte Faeser. „Gewalttäter, die Demokraten attackieren, müssen die volle Härte des Rechtsstaats spüren: durch schnelle und konsequente Verfahren und Strafen. Wenn wir das Strafrecht dafür weiter verschärfen müssen, um antidemokratische Taten härter zu ahnden, werde ich mit dem Bundesjustizminister hierüber schnell beraten.“

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