Der N�rnberger Proze�, Materialien und Dokumente, Urteil - Zeno.org

URTEIL.

Am 8. August 1945 haben die Regierung des Vereinigten K�nigreiches von Gro�britannien und Nordirland, die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, die Provisorische Regierung der Franz�sischen Republik und die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken ein Abkommen getroffen, wonach dieser Gerichtshof zwecks Aburteilung von solchen Kriegsverbrechern gebildet wurde, f�r deren Verbrechen ein geographisch bestimmbarer Tatort nicht vorhanden ist. Gem�� Artikel 5 haben die nachfolgend angef�hrten Regierungen der Vereinigten Nationen ihren Beitritt zu dem Abkommen erkl�rt:

Griechenland, D�nemark, Jugoslawien, die Niederlande, die Tschechoslowakei, Polen, Belgien, Abessinien, Australien, Honduras, Norwegen, Panama, Luxemburg, Haiti, Neuseeland, Indien, Venezuela, Uruguay und Paraguay.

Durch das dem Abkommen angef�gte Statut sind die Zusammensetzung, die Zust�ndigkeit und das Verfahren des Gerichtshofes geregelt worden.

Dem Gerichtshof ist die Vollmacht verliehen worden, alle Personen abzuurteilen, die Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach den im Statut festgelegten Begriffsbestimmungen begangen haben.

Im Statut ist ebenfalls vorgesehen, da� der Gerichtshof im Proze� gegen ein Mitglied einer Gruppe oder Organisation (in Verbindung mit irgendeiner Handlung, derentwegen der Angeklagte verurteilt wird) erkl�ren kann, da� die Gruppe oder Organisation, deren Mitglied der Angeklagte war, eine verbrecherische Organisation war.

In Berlin wurde am 18. Oktober 1945 gem�� Artikel 14 des Statuts eine Anklage gegen die vorstehend genannten Angeklagten, die durch einen Ausschu� der Hauptanklagevertreter der Signatarm�chte als Hauptkriegsverbrecher bezeichnet worden waren, eingereicht.

Eine deutsche Ausfertigung der Anklage wurde jedem in Haft befindlichen Angeklagten wenigstens 30 Tage vor Proze�beginn zugestellt.

Diese Anklage legt den Angeklagten Verbrechen gegen den Frieden zur Last, die durch Planen, Vorbereitung, Einleitung oder Durchf�hrung von Angriffskriegen, die zugleich auch Kriege unter Verletzung internationaler Vertr�ge, Vereinbarungen und Zusicherungen waren, begangen wurden, ferner Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Den Angeklagten wird auch [189] Teilnahme an der Ausarbeitung oder Ausf�hrung eines gemeinsamen Planes oder einer Verschw�rung zur Begehung aller dieser Verbrechen zur Last gelegt. Der Gerichtshof ist ferner von der Anklagebeh�rde ersucht worden, alle die erw�hnten Gruppen oder Organisationen im Sinne des Statuts als verbrecherisch zu erkl�ren.

Der Angeklagte Robert Ley beging am 25. Oktober 1945 im Gef�ngnis Selbstmord. Am 15. November 1945 beschlo� der Gerichtshof, den Proze� gegen den Angeklagten Gustav Krupp von Bohlen und Halbach wegen seines k�rperlichen und geistigen Zustands nicht zu f�hren, die gegen ihn in der Anklageschrift erhobenen Vorw�rfe jedoch f�r einen sp�ter abzuhaltenden Proze� zur�ckzustellen, wenn dies der k�rperliche und geistige Zustand des Angeklagten gestatten sollte. Am 17. November 1945 beschlo� der Gerichtshof, den Proze� gegen den Angeklagten Bormann gem�� den Bestimmungen des Artikels 12 des Statuts in dessen Abwesenheit zu f�hren. Nach Verhandlung sowie nach Ber�cksichtigung ausf�hrlicher �rztlicher Gutachten und einer vom Angeklagten selbst abgegebenen Erkl�rung entschied der Gerichtshof am 1. Dezember 1945 dahin, da� f�r eine Verschiebung des Prozesses gegen den Angeklagten He� im Hinblick auf seinen geistigen Zustand kein Grund bestehe. Eine gleichartige Entscheidung wurde bez�glich des Angeklagten Streicher getroffen.

Gem�� Artikel 16 und 23 des Statuts wurden die Verteidiger entweder von den in Haft gehaltenen Angeklagten selbst gew�hlt oder auf deren Verlangen vom Gerichtshof ernannt. In Abwesenheit des Angeklagten Bormann ernannte der Gerichtshof f�r ihn einen Verteidiger und bestimmte auch Verteidiger zur Vertretung der erw�hnten Gruppen oder Organisationen.

Der Proze� wurde in vier Sprachen gef�hrt: englisch, russisch, franz�sisch und deutsch; er begann am 20. November 1945 und alle Angeklagten mit Ausnahme Bormanns erkl�rten sich �Nicht schuldig�.

Das Beweisverfahren und die Reden der Verteidigung und der Anklagevertretung waren am 31. August 1946 abgeschlossen.

Der Gerichtshof hat 403 �ffentliche Sitzungen abgehalten. 33 von der Anklagebeh�rde benannte Zeugen haben m�ndlich gegen die einzelnen Angeklagten ausgesagt, und 61 Zeugen, zu denen noch 19 der Angeklagten hinzukommen, sagten f�r die Verteidigung aus.

Weitere 143 Zeugen machten ihre Aussagen f�r die Verteidigung in Form schriftlicher Antworten auf Fragebogen.

Der Gerichtshof ernannte beauftragte Richter zur Beweisaufnahme �ber die Organisationen, und 101 von der Verteidigung beigebrachte Zeugen wurden von den beauftragten Richtern vernommen, und 1809 Affidavits von anderen Zeugen wurden vorgelegt.[190] Ferner wurden 6 Berichte vorgelegt, in denen der Inhalt einer gro�en Anzahl weiterer Affidavits zusammengefa�t war.

38000 Affidavits, versehen mit 155000 Unterschriften, wurden f�r die Politischen Leiter vorgelegt, 136213 f�r die SS, 10000 f�r die SA, 7000 f�r den SD, 3000 f�r den Generalstab und OKW und 2000 f�r die Gestapo.

Vor dem Gerichtshof selbst wurden 22 Zeugen f�r die Organisationen verh�rt. Die als Beweismaterial zwecks Verfolgung der einzelnen Angeklagten und der Organisationen eingereichten Dokumente belaufen sich auf mehrere Tausend. Es wurde ein vollst�ndiges stenographisches Protokoll von allem was im Gericht gesprochen worden ist, aufgenommen; ferner wurde eine elektrische Tonaufnahme des ganzen Verfahrens durchgef�hrt.

Kopien aller im Beweisverfahren seitens der Anklagebeh�rde vorgelegten Dokumente sind der Verteidigung in deutscher Sprache �berlassen worden. Die seitens der Angeklagten f�r die Heranschaffung von Zeugen und Dokumenten eingebrachten Gesuche haben in gewissen F�llen, infolge der ungeregelten Lage im Lande, schwierige Aufgaben gestellt. Es war auch notwendig, die Anzahl der aufzurufenden Zeugen zu beschr�nken, um einen schnelleren Ablauf der Verhandlungen im Sinne des Artikel 18 (c) des Statuts zu erzielen. Nach Pr�fung hat der Gerichtshof allen jenen Gesuchen stattgegeben, von denen er der Ansicht war, da� sie f�r die Verteidigung eines Angeklagten oder einer erw�hnten Gruppe oder Organisation von Bedeutung waren und nicht eine �berfl�ssige Materialanh�ufung darstellten. Zur Heranschaffung der genehmigten Zeugen und Dokumente wurden von dem beim Gerichtshof bestellten B�ro des Generalsekret�rs die entsprechenden Vorkehrungen getroffen.

Ein gro�er Teil der dem Gerichtshof seitens der Anklagebeh�rden vorgelegten Beweisst�cke bestand in Dokumenten, die von den alliierten Armeen in deutschen milit�rischen Dienststellen, Regierungsgeb�uden und an anderen Stellen aufgefunden worden waren.

Einige dieser Dokumente wurden in Salzbergwerken gefunden, andere in der Erde vergraben, hinter blinden Mauern versteckt oder an anderen Orten, die, wie man glaubte, vor Entdeckung gesch�tzt waren. So ruht also die Anklage gegen die Beschuldigten in weitem Ma�e auf von ihnen selbst stammenden Dokumenten, deren Echtheit au�er in ein oder zwei F�llen nicht angefochten worden ist.


Quelle:
Der Proze� gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof N�rnberg. N�rnberg 1947, Bd. 1, S. 186-187,189-191.
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