Wer in Havard studiert, holt morgens seinen Hafer-Cappuccino im "Black Sheep Bagel Café" in der John F. Kennedy Street, wenige Meter vom Campus entfernt. Und joggt abends durch den John F. Kennedy Memorial Park oder besucht ein Konzert im John F. Kennedy Forum. Für Jack Schlossberg, 29, war das "seltsam", wie er gesteht. Denn der Mann, dem diese Orte gewidmet sind, ist sein Großvater – der legendäre US-Präsident, der unweit der Elite-Uni geboren wurde.
"In den ersten Tagen war das verwirrend, aber nun denke ich nicht mehr groß drüber nach", sagte Jack Schlossberg in seinem ersten Harvard-Jahr. Vorige Woche feierte er seine Abschlüsse in Jura und BWL. Und nun fragt sich Amerika: Geht endlich wieder ein Kennedy in die Politik?
Jack Schlossberg: Führt sein Weg ins Weiße Haus?
Eine Frage, die jedem halbwegs smarten Nachkommen der weit verzweigten Polit-Dynastie gestellt wird. Doch für die meisten sind die Fußstapfen von John F. Kennedy zu groß. Jack Schlossberg aber könnte den Weg ins Weiße Haus schaffen – auch, weil er nicht diesen berühmten Namen trägt. Wer "Schlossberg" hört, denkt nicht gleich an die schillernde Ostküsten-Familie mit ihrer an Tragödien und Glamour so übervollen Geschichte.
Caroline Kennedy: Erwartungen einer ganzen Nation
Jacks Mutter Caroline Kennedy, 64, einzige Tochter JFKs, war sechs Jahre alt, als der 35. US-Präsident in Dallas getötet wurde – und musste fortan nicht nur ohne Vater leben, sondern mit den Erwartungen der ganzen Nation. Sie selbst warf 2009 nach wenigen Wochen als Senatorinnen-Kandidatin von New York das Handtuch, sie ist einfach kein politisches Schwergewicht.
Ihr Sohn Jack, der den Nachnamen ihres Mannes Edwin Schlossberg, 76, trägt, könnte eines werden. Ob er das aber wirklich will, ist unklar. Denn die Erwartungen an ihn werden hoch sein, sobald er in den Ring steigt. Als Jack 2020 auf dem Parteitag der Demokraten für Joe Biden, 79, warb, hieß es in den Kommentaren seines Insta-Accounts "we need you!", wir brauchen dich.
Er selbst sagte bisher zu seinen politischen Ambitionen: "Es inspiriert mich, wie meine Familie der Öffentlichkeit gedient hat." Aber: "Ich suche noch nach meinem eigenen Weg." Nun, mit knapp 30, am Ende des Studiums, ist es Zeit für eine Weichenstellung.
Das wird ein Balance-Akt
Denn der Name Kennedy ist Fluch und Segen zugleich. Jack und seine zwei Schwestern wuchsen weitestgehend ungestört von der Öffentlichkeit in New Yorks Upper West Side auf, konnten in Ruhe zu gefestigten Persönlichkeiten heranreifen. Dafür sorgte ihre Mutter, die ihnen auch beibrachte: Privilegien verpflichten dazu, Schwächeren zu helfen.
Schon als Schüler gründete Jack die Non-Profit-Firma RelightNY, die mittellose US-Familien mit Energiesparlampen versorgt, und weiß seither, dass der Name Kennedy jede Tür öffnet. Die Resonanz auf seine Schülerfirma war enorm. Später, nach einem ersten Studium in Yale, schickte ihn das US-Außenministerium nach Japan, um seine Mutter zu unterstützen, die dort als Botschafterin arbeitete. "New York Times" und "Washington Post" bitten ihn um Gastbeiträge. Die Welt steht einem Kennedy offen.
Steht ihm der "Fluch der Kennedys" im Weg?
Der Fluch der Kennedys – die vielen tragischen Familienmitglieder, die mit ihrem großen Namen nicht zurechtkamen. Alkohol, Drogen, Unglücke. Jacks Onkel John F. Kennedy Jr. stürzte in einem Flugzeug ab, das er selbst steuerte – trotz Nebels. Kühn sein, sportlich, ein Frauenheld – das ist der Inbegriff des männlichen Kennedy. 2022 passt das nicht mehr. Wenn Jack Schlossberg sagt: "Wir leben heute wirklich in ganz anderen Zeiten als mein Großvater", heißt das auch: Selbst wenn ich in die Politik gehe, werde ich kein JFK 2.0 sein.
Als Kontrast zu den staatstragenden Erwartungen zeigt sich Jack in den Sozialen Medien betont albern. Postet Wortspiele, streckt auf dem Examensfoto die Zunge raus. Und in einem Instagram-Filmchen stellt er seinem Vater philosophische Fragen wie "Hey Dad, ist es besser, etwas zu tun, was falsch und leicht ist, oder was richtig und schwer ist?" Mal nickt Papa Schlossberg, mal tut er unbeteiligt, mal schaut er vielsagend. Im Hintergrund hört man Jack kichern. Und diese Leichtigkeit wird ihm vielleicht helfen, eine schwere Entscheidung zu treffen.