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Die Kunst, Mann zu sein – Paul Newman ist tot

Auf sein strahlendes Aussehen und seine blauen Augen konnte er sich immer verlassen. So wurde Paul Newman zu einem der größten Stars Hollywoods. Jetzt ist der amerikanische Schauspieler im Alter von 83 Jahren gestorben. Er blieb sein Leben lang smart, sogar mit Lungenkrebs scherzte er über sich.


Was immer er spielte, man mochte ihn. Nie verlor Paul Newman den introvertierten Blick und die milde Skepsis, die seinem ebenmäßigen Gesicht Schmelz verlieh. Seine blauen Augen leuchteten im Farbfilm intensiv und wurden so zu einem Markenzeichen.

Noch die dramatischsten Szenen unterspielte der Star mit einer Spur Lässigkeit. Sein strenger Lehrer Lee Strasberg hatte ihm am berühmten New Yorker Actor’s Studio beigebracht, wie man Rebellentum und männlichen Schmerz überzeugend verkörpert, aber später kritisierte er, dass sein Schützling sich auf sein gutes Aussehen verlassen habe und fauler als die Kollegen Marlon Brando und James Dean gewesen sei. Tatsächlich konkurrierten die drei gelegentlich gegeneinander, so dass Newman die Rolle in „Jenseits von Eden“ z. B. an James Dean verlor und manchmal Autogrammkarten mit Marlon Brando unterzeichnete. Doch im Rückblick sieht seine Karrierebilanz wahrlich gut aus.

Am Freitag ist Paul Newman auf einer Farm bei Westport, Connecticut, gestorben. Er war 83 Jahre alt. ( Lesen Sie hier die Reaktionen von Filmemachern aus aller Welt. )

Das neue Bild des Mannes

In Filmen spielte er sich in die Liga der Leinwandlegenden. Seine liebste Rollen waren die sympathischen Antihelden, die zornigen Verlierer seiner frühen Filmerfolge und die unkonventionellen Schlaufüchse im Alter. Paul Newmans diskrete Darstellung schuf neue Männerbilder, in denen Verletzlichkeit, elegante List und Lakonie an die Stelle von roher Gewalt traten.

1925 als Sohn eines Sportartikelkaufmanns und dessen theaterbegeisterter Frau in Cleveland/Ohio geboren, wäre aus dem Schulabgänger beinahe ein Bomberpilot geworden, wenn dies nicht ausgerechnet die Farbenblindheit seiner schönen Augen verhindert hätte. Drei Jahre verbrachte er als Funker auf einem Torpedoboot im Pazifik, danach finanzierte er mit Aushilfsjobs das Studium an der Yale Drama School, anstatt das väterliche Geschäft zu übernehmen.

Später lernte er neben dem Feinschliff im Actor’s Studio auch die harte Praxis als Broadway-Zweitbesetzung und Fernsehkomparse kennen. Für seine erste Filmrolle, in der er 1954 einen edlen Griechen-Sklaven gab, schämte er sich so, dass er in Zeitungsanzeigen um Entschuldigung bat.

Newman verkörperte gern unsichere Existenzen, Spieler, die als Machos in die Krise schlittern oder von rücksichtslosen (Ersatz-)Vätern ausgebeutet werden. Mit dem Drama "Somebody Up There Likes Me" über den Boxer Rocky Graziano stieg 1956 sein Stern. Als angeknackster Billardchampion verdingte er in „Haie der Großstadt“ seine Talente an einen korrupten Manager.

Martin Scorsese bat ihn ein Vierteljahrhundert später, noch einmal in die Rolle des Fast Eddie Felson zu schlüpfen. Gelassen und mit großer Sonnenbrille vor den blauen Augen erträgt er es, dass sein Schüler Tom Cruise ihn dort übertrumpft. Für „Die Farbe des Geldes“ erhielt Paul Newman 1986 den Oscar, der ihm in seiner Sammlung von zehn Nominierungen und zwei Ehren-Oscars noch fehlte.

Darstellerische Manierismen und Spleens, mit denen sich viele amerikanische Stars eine psychopathologische Aura schaffen, waren Paul Newman gänzlich fremd. Er rollte nicht mit den Augen und setzte keine falschen Nasen auf. Keine Rolle konnte seine sympathische Ausstrahlung widerlegen, nie zog man die Hoffnung auf den unzerstörbaren menschlichen Kern seiner Figuren in Zweifel.

Drama mit Liz Taylor

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In „Die Katze auf dem heißen Blechdach“, einem Film seiner frühen Karriere, litt er an einem elenden Vaterkomplex, mindestens ebenso auch an Elizabeth Taylors Liebesdrängen und ertränkte die Angst in Whisky. Viel später drehte er einen eigenen Film, „Harry and Son“, in dem er die Vaterrolle spielte und vom Kampf um Anerkennung zwischen den Generationen erzählte.

Noch in einem seiner letzten Filme, in Robert Bentons Komödie „Nobody’s Fool“ spielte er einen alten Kleinstadtanarcho, der erst durch seinen Enkel erfährt, dass Familienbeziehungen nicht nur stören. Und in „Road to Perdition“ verkörperte er einen sarkastischen Gangsterpatriarchen, der am Verrat seines Sohnes scheitert. Symbolische Vater/Sohn-Paare, ein Urstoff des amerikanischen Kinos, waren ein roter Faden seiner Filmografie.

Newmans gebrochene Westernhelden spiegelten den Wandel des Genres wider, indem sich der Abgesang auf den Mythos mit frivoler Ironie kreuzte. „Billy the Kid“ und „Hud“ läuteten die Ära der Spät-Western mit vertrackter Destruktivität ein. John Huston, der Regisseur von „Judge Roy Bean/Das war Roy Bean“, lobte Newman, weil er mit ihm „Heldenlegenden als Lügengeschichten“ erzählen konnte. Anmut, Intuition und Rhythmusgefühl seien Newmans Talente gewesen.

Ein feiner Westernheld

Auch in Martin Ritts „Man nannte ihn Hombre“ zeigte sich seine Präsenz in der Rolle eines moralisch überlegenen Halbindianers. In Robert Altmans Showbusiness-Satire „Buffalo Bill und die Indianer“ verwandelte er den legendären weißen Westernhelden Bill Cody dagegen kühl ins Abbild eines geschäftstüchtigen Impresarios.

Zwiespältige Kämpfernaturen verkörperte Newman auch in „Exodus“ und Jahrzehnte später in „The Verdict“. In Otto Premingers Film verstrickte sich der junge Newman als Agent einer zionistischen Untergrundorganisation in die dramatischen Richtungskämpfe vor der Entstehung des Staates Israel – eine Rolle, die Newman als einem Nachkommen polnisch-ungarisch-jüdischer Einwanderer wichtig war. In Sidney Lumets Gerichtsdrama spielte der alternde Star einen David, der sich gegen Goliath behaupten muss: Als er die anwaltliche Vertretung einer Klientin in einem Schadensersatzprozess übernimmt, wird er mit Gegnern konfrontiert, die ihn als Trinker bloßstellen, um seine Kompetenz in Zweifel zu ziehen.

Paul Newman machte keinen Hehl aus seinem liberalen politischen Standpunkt. Auf der Liste unliebsamer Prominenter, deren Überwachung im Watergateskandal publik wurde, rangierte er auf einem vorderen Platz. Doch es war verspielte Unterhaltung, die ihn in den letzten Jahren des Vietnamkrieges reich machte.

Weltweit tröstete „Butch Cassidy and the Sundance Kid“, das Märchen um ein smartes Banditen-Duo, über die düsteren Nachrichten aus der Wirklichkeit hinweg. Paul Newman war Koproduzent der Gaunerkomödie, die ihn zusammen mit seinem Ko-Star Robert Redford auch in dem mäßigen Folgefilm „Der Clou“ zu Kultfiguren machte und sein Image des „Radical Chic“ festigte. Selbst stereotype Genrefilme wie „Flammendes Inferno“ oder „Der Mackintosh Man“, zu denen ihn seine Hollywood-Verträge verpflichteten, änderten daran nichts.

Vorliebe für Autorennen

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Den Abenteurern seiner Filme ähnelte er in einer Leidenschaft: Seit dem Rennfahrerfilm „Winning“ Ende der sechziger Jahre war Paul Newman dem Autorennsport verfallen. Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewann er einmal auf dem zweiten Platz. Er gründete Rennställe, kooperierte mit Autoherstellern, fuhr selbst zahllose Rennen in Tourenwagen und produzierte rasante Image-Filme darüber für die Großbildkinos.

Daneben machte er seine Überzeugung, dass man gesellschaftliche Verantwortung übernehmen müsse, in zahlreichen karitativen Projekten wahr. So gründete er in den achtziger Jahren die Lebensmittelmarke „Newman’s Own“, die mit Pasta- und Salatsoßen, Limonade und Müsli Riesengewinne erwirtschaftete. Über 200 Millionen Dollar Erlöse wurden seither für bedürftige Kinder zur Verfügung gestellt.

Eine zweite von ihm gegründete Institution kommt schwer kranken Kindern zugute. Benannt nach „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ veranstaltet die „Hole in the Wall-Gang“ jedes Jahr Feriencamps für Kinder. Anlass für sein soziales Engagement mag Paul Newmans Trauer um seinen Sohn gewesen sein: Scott Newman starb 1978 an einer Überdosis Rauschgift.

Paul Newman war in zweiter Ehe über 50 Jahre mit der Schauspielerin Joanne Woodward verheiratet. Das Paar verabschiedete sich früh von Hollywood und ließ sich in Westport/Connecticut nieder. Drei der fünf Töchter von Paul Newman sind ebenfalls Schauspielerinnen, Tochter Nell folgte dem Vater an die Spitze von „Newman’s Own“.

Joanne Woodward leitete viele Jahre das Westport Country Playhouse an ihrem Wohnort. In den letzten Jahren hatte das Paar ein neues Restaurant eröffnet, dessen Einnahmen dem Theater zufließen.

Im Frühjahr 2007, mit 82 Jahren, erklärte Paul Newman seinen Rückzug vom Film. „Du beginnst, dein Gedächtnis zu verlieren, dein Selbstvertrauen, deine Fantasie", erklärte er. Über seine Krebserkrankung sprach er nicht. Er habe den Job nun 50 Jahre lang gemacht. Außerdem wolle er künftig auf Formalitäten pfeifen und habe deshalb schon seinen Frack verbrannt.

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