Tod des Vermächtnisnehmers vor Erbfall
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Was passiert, wenn der Vermächtnisnehmer vor dem Erblasser stirbt?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Stirbt der Vermächtnisnehmer vor dem Erbe sieht das Gesetz den Wegfall des Vermächtnisses vor
  • Etwas anderes gilt, wenn im Testament ein Ersatzvermächtnisnehmer vorgesehen ist
  • Die Regelung im Testament muss im Zweifel ausgelegt werden

Testamente liegen regelmäßig jahre- oder sogar jahrzehntelang wohl verwahrt im heimischen Wohnzimmerschrank oder beim Nachlassgericht. Nur selten wird der letzte Wille aktuellen Entwicklungen angepasst.

So passiert es immer wieder, dass ein Erblasser in seinem Testament zugunsten einer dritten Person ein Vermächtnis ausgesetzt hat, diese Person aber zum Zeitpunkt des Erbfalls aber gar nicht mehr am Leben ist. Die gleiche Problematik ist gegeben, wenn der Erblasser einer juristischen Person, z.B. einem Verein, ein Vermächtnis zukommen lassen wollte, diese juristische Person aber zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr existiert, weil der Verein beispielsweise aufgelöst wurde.

§ 2160 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) sieht für diesen Fall vor, dass das Vermächtnis unwirksam ist, „wenn der Bedachte zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebt“. Der Anspruch aus dem Vermächtnis geht also in diesem Fall nicht etwa auf die Erben des ursprünglichen Vermächtnisnehmers über.

Die vom Gesetz angeordnete Rechtsfolge besteht im Wegfall des Vermächtnisses. Wenn der Vermächtnisnehmer vor dem Erblasser verstorben ist, dann muss der mit dem Vermächtnis Beschwerte grundsätzlich an niemanden mehr leisten. Diese „Ersparnis“ kommt derjenigen konkreten Person zugute, der mit dem Vermächtnis belastet war.

Das Vermächtnis ist grundsätzlich auch dann unwirksam, wenn der mit dem Vermächtnis bedachte bereits zu einem Zeitpunkt verstorben war, in dem das Testament bzw. der Erbvertrag noch gar nicht errichtet war. Ging der Erblasser also irrtümlich davon aus, dass der Vermächtnisnehmer im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments noch lebt, dann gerät das Vermächtnis in der Regel ebenfalls in Wegfall.

Von dieser Regel, wonach das Vermächtnis bei vorzeitigem Tod des Vermächtnisnehmers unwirksam ist, bestehen freilich Ausnahmen:

Hat der Erblasser in seinem Testament nämlich zum Beispiel ausdrücklich einen Ersatzvermächtnisnehmer benannt, dann besteht die Verpflichtung für den Beschwerten aus dem Testament oder Erbvertrag nach dem Tod des ursprünglichen Vermächtnisnehmers gegenüber diesem Ersatzvermächtnisnehmer weiter.

Das Vermächtnis kann weiter trotz Vorversterbens des ursprünglich Bedachten dann wirksam sein, wenn eine Auslegung des Testaments ergibt, dass der Erblasser nicht den ersatzlosen Wegfall des Vermächtnisses, sondern gewollt hat, dass eine andere Person von dem Vermächtnis profitieren soll. In diesem Zusammenhang kann auch die Auslegungsregel in § 2069 BGB Anwendung finden, wonach dann, wenn der Erblasser eines seiner Kinder bedacht hat, die eigenen Kinder des Vorverstorbenen zum Zug kommen können, wenn das eigene Kind des Erblassers zeitlich vor dem Erblasser selber verstirbt.

Schließlich kann es bei Wegfall eines Vermächtnisnehmers nach § 2158 BGB auch dazu kommen, dass der Anteil des weggefallenen Vermächtnisnehmers auf andere - und noch lebenden - Vermächtnisnehmer übergeht. Man spricht in diesem Fall von "Anwachsung". Voraussetzung für die Anwachsung ist, dass mehreren Vermächtnisnehmern vom Erblasser derselbe Nachlassgegenstand zugewandt wurde.

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