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126 pages, Kindle Edition
First published January 1, 1914
»Es genügt nicht, als Edelmann geboren zu sein, man muß auch Edelmann sein wollen.«Was aber, wenn niemand mehr recht Edelmann sein möchte? Mit dieser Problemlage sehen sich die adeligen Häuser konfrontiert, um die es in Eduard von Keyserlings 1914 erschienenem Roman geht. Der Wandel der Zeit hat mittlerweile auch die verschlafenen Landgüter des alteingesessenen baltischen Adels ergriffen, wenn sich die alten Herrschaften noch so sehr bemühen mögen ihre feudalen Konventionen zu bewahren. Die jüngere Generation hat bereits andere Vorstellungen vom Leben, die nicht mehr mit den Traditionen in Einklang zu bringen sind. Die Alten verstehen die Jungen nicht mehr.
»Ansichten, die jungen Leute wollen jetzt allerhand Ansichten haben.«Umgekehrt ersticken die jungen Leute an den von ihnen, als nicht mehr zeitgemäß empfundenen, auferlegten Pflichten.
»Sie wollen ruhig und melancholisch ihren Lebensabend feiern, gut, aber wir wurden in diesem Lebensabend erzogen, wir müssen ihm dienen, wir müssen in ihm leben, wir fangen sozusagen mit dem Lebensabend an.«Vor dem Hintergrund idyllischer Landschaften vollzieht sich der schleichende Niedergang einer festgefügt geglaubten Gesellschaftsordnung. Keyserling war selbst Zeuge dieser Veränderungen, entstammte er doch demselben Milieu, als Spross eines baltisch-deutschen Adelsgeschlechts. Die Tragödie besteht nun offenkundig darin, dass die Dekadenz soweit fortgeschritten zu sein scheint, dass allen irgendwie die nötige Kraft zu einem Ausbruch aus ihrer Lage fehlt.
»… das Leben vergeht in Müdigkeit und Melancholie«Stattdessen flüchtet man sich in "Erlebnisse", so wie die Hauptfigur Fastrade von Warthe, die in einer Mischung aus Mitleidskomplex und Abenteuerlust den spielsüchtigen Baron Dietz von Egloff zu ehelichen beabsichtigt. Obwohl sie zuvor in Hamburg ganz emanzipiert als Krankenpflegerin gearbeitet hatte. (Aus heutiger Sicht möchte man ihr zurufen, "Mädchen, lass den Baron sausen und geh lieber wieder arbeiten!".) Um die beiden Verlobten entwickelt sich eine melodramatische Liebeshandlung, in deren absehbar unglücklichen Verlauf noch weitere Personen verstrickt werden. Die Unfähigkeit sich von traditionellen Ehrvorstellungen des eigenen Standes zu lösen, die inzwischen nur noch lächerliche Hüllen sind, führen zum absehbaren verhängnisvollen Ende. Eigentlich eine auf den ersten Blick konventionell anmutende Geschichte, die aber Keyserling im Stil des Impressionismus, zu Bildern von überwältigender Schönheit geformt hat.