Die Heimatstube Fürstenwerder hat sich längst zum Museum gemausert
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Die Heimatstube Fürstenwerder hat sich längst zum Museum gemausert

Fürstenwerder / Lesedauer: 6 min

1974 begann die Geschichte des Museums in zwei Räumen als „Uckermärkische Heimatstuben“. Ein Kreis ehrenamtlicher Helfer ist mit Herz bei der Sache, wenn es um die Historie des Heimatortes geht.
Veröffentlicht:13.05.2024, 18:51

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Das „Uckermärkische Heimatmuseum“ Fürstenwerder könnte als erstes Haus am Platze gelten. Obwohl einst ein Städtchen mit heute noch teilweise erhaltener Stadtmauer, gibt es hier kein historisches Rathaus. Und die Kirche steht am Ortsrand, kurz vor dem Woldegker Tor. So wird die Ortsmitte vom Schnittpunkt der durch den märkisch-mecklenburgischen Grenzort ziehenden Hauptwege bestimmt. Genau dort, wo die heutige Thälmannstraße auf die Berliner Straße trifft, steht das ehemalige Ackerbürgerhaus Nr. 26, das mit seiner Tordurchfahrt seit einem halben Jahrhundert Heimstatt des Museums ist.

Bernhard Schulz (links) und Henning Ihlenfeldt sind zwei Aktivposten in dem kleinen aber feinen Heimatmuseum.
Bernhard Schulz (links) und Henning Ihlenfeldt sind zwei Aktivposten in dem kleinen aber feinen Heimatmuseum. (Foto: Monika Strehlow)

„Dadurch, dass es mit seiner Front gerade vor der Berliner Straße aufstößt, ist es so schön gelegen, sodass man aus seinen Fenstern alles beobachten kann, was in den Hauptstraßen vorgeht und was in den Nebenstraßen hinein- und herauskommt…“ So schilderte es der Fürstenwerder Dachdeckermeister und Heimatforscher Paul Wiede in seiner Chronik, die er im Dezember 1940 seinen Enkelkindern widmete.

Sprudelnde Quelle an Informationen

„Diese Schrift ist ein einzigartiges Dokument“, erklärt Henning Ihlenfeldt, der seit 1998 das Museum leitet. Auf mehr als 400 Seiten notierte Wiede, was zwischen 1875 und 1925 in Fürstenwerder geschah. Helga Strauß und ihre Tochter Dr. Rita Strauß übertrugen die Sütterlinschrift in heute lesbare Zeilen und fügten sie zum Buch zusammen. Als Wiede 1947 mit 78 Jahren starb, hinterließ er Fürstenwerder eine sprudelnde Quelle an Informationen. Über 20 Jahre hatte er Wissenswertes über jedes Grundstück notiert.

Erich Blietschau ist einer der frühen Väter des Heimatmuseums Fürstenwerder.
Erich Blietschau ist einer der frühen Väter des Heimatmuseums Fürstenwerder. (Foto: Archiv Heimatmuseum)

Zwei Drittel der Stadt brannten

Auch über das Haus Nummer 26, von dem 1740 ein verheerender Stadtbrand ausging. Damals litten viele Bürger nach schlechten Ernten Hunger; die Menschen stöhnten unter den von der Herrschaft auferlegten Abgaben. „Es heißt, dass ein Knecht des Besitzers, Jakob Meso, das Haus angezündet haben soll, weil er keinen Lohn erhalten habe. Danach versanken einschließlich der Kirche zwei Drittel der Stadt in Schutt und Asche“, erzählt Henning Ihlenfeldt. Er steckt mit seinen Mitstreitern mitten in den Vorbereitungen zum Jubiläum des Heimatmuseums, das am 7. Oktober 1974 just im Haus Nr. 26 eröffnet wurde.

Paul Wiede, Chronist von Fürstenwerder
Paul Wiede, Chronist von Fürstenwerder (Foto: Archiv Heimatmuseum )

Gefeiert wird schon früher

Gefeiert wird das Jubiläum bereits kommenden Wochenende, am 19. Mai, zum Internationalen Museumstag. Die Geschichte des Museums begann 1974 in zwei kleinen Räumen als „Uckermärkische Heimatstuben“, die sich seit einigen Jahren Heimatmuseum nennen. Und das zurecht angesichts der vielschichtigen Präsentation der Geschichte des Ortes wie des dörflichen Handwerks und Wohnens bis hin zum Wirken besonderer Persönlichkeiten, die den Ruf Fürstenwerders teilweise sogar in die Welt trugen. Am Beginn der musealen Arbeit stand Anfang der 1970er-Jahre ein Beschluss des Rates des Bezirkes Neubrandenburg zur Förderung von Kultur und Heimatgeschichte.

Henning Ihlenfeldt zeigt alte Dachziegel aus Fürstenwerder, die bewahrt wurden.
Henning Ihlenfeldt zeigt alte Dachziegel aus Fürstenwerder, die bewahrt wurden. (Foto: Monika Strehlow)

Das Anliegen stieß bei Bürgermeister Jürgen Ohlbrecht auf offene Ohren, zumal es schon eine Sammlung potenzieller Exponate gab. Vor allem Gastwirt Erich Blietschau war bekannt für seine Leidenschaft, vermeintlich Unbrauchbares vor der Entsorgung zu retten. Seine Gaststätte „Seeblick“, wurde vor 1945 unter dem Namen „Zum Hohenzollern“ lange im Familienbesitz geführt. Mit gerade 31 Jahren übernahm Blietschau am 1. April 1946 die Regie hinter dem Tresen. Seine besondere Ausstrahlung und Gemütlichkeit machten das Haus zu einem der beliebtesten, in dem auch der eine oder andere Gemeindebeschluss reifte.

„Die Heimatstube war einer seiner größten Verdienste und sein Herzensprojekt“, ist Henning Ihlenfeldt überzeugt, der den vielseitig interessierten Gastwirt selbst erlebte. Sein Wissen habe er immer gern mit anderen geteilt. „Wenn er erzählte, wurden Gegenstände zu neuem Leben erweckt.“ Viele Einwohner brachten dem Gastwirt Dinge aus ihrem Alltag und Arbeitsleben oder aus den Familienarchiven. Legendär blieb, wie er zu einer einmaligen Sammlung historischer Dachsteine kam. „Er hatte Dachdecker oft gebeten, ihm aus Abrissobjekten ausrangierte Steine mitzubringen. Dafür spendierte er dann das Feierabendbier“, weiß Ihlenfeldt, der Besuchern gern die Präsentation der schönsten von 70 handgefertigten Ton-Dachsteinen zeigt und vieles über die Verzierungen und Motive weiß.

Viele Helfer und Gönner

Zur Eröffnung der Heimatstuben ließ die Verwaltung, die 1945 in das leerstehende Haus gezogen war, zwei Räume renovieren. Schenkungen und Leihgaben von Firmen und Handwerkern, Vereinen und Künstlern bildeten den Grundstock für ein Museumsdepot, Dauer- und Sonderausstellungen. Bis heute ehrenamtlich geführt, wäre die Erweiterung der Sammlung ohne tatkräftige Helfer und Gönner nicht möglich gewesen. An die Stelle von Erich Blietschau als erstem Chef der Heimatstuben trat nach der Wende Günter Markert.

Als die Verwaltung 1991 auszog, konnten bis heute 19 Räume für die verschiedensten Sammlungen umgestaltet werden. Seit 1997 arbeitet das Heimatmuseum nach einer von Ortschronistin Ute Bleich erarbeiteten und den Gemeindevertretern bestätigten Konzeption. Anfang der 2000er-Jahre konnte das gesamte Objekt vor allem dank des Einsatzes des Bauamtsleiters der neuen Gemeinde Nordwestuckermark und ehemaligen Bürgermeisters von Fürstenwerder, Dr. Hans-Christof Heymann, mit rund 400.000 Euro grundsaniert werden.

Sammeln, bewahren, erforschen

Der Ruf des Hauses, das nicht nur Museum, sondern auch Begegnungsort und Kommunikationszentrum ist, reicht längst über die Uckermark hinaus. Waren es vor 1989 Mitglieder von Dorfklub und Kulturbund, sind es heute die des Tourismusvereins Fürstenwerder Seenlandschaft und der Ortsgruppe Fürstenwerder des Uckermärkischen Geschichtsvereins zu Prenzlau, die es sach- und fachkundig betreuen. Da geht es nicht nur ums Sammeln, Bewahren, Erforschen, sondern auch um die Betreuung der Besucher und unterschiedliche Aktionstage.

Nach den Aktiven gefragt, nennt Henning Ihlenfeldt als erstes Angelika Seiler. Die ehemalige Kindergärtnerin kennt jeder im Ort und sie hält engen Kontakt zu den Menschen. „Außerdem ist sie die PC-Expertin bei uns“, sagt Ihlenfeldt lächelnd, der selbst Bäckermeister im Ruhestand ist. Auch Lydia Füssel, die hier als Kind bei den Großeltern Ferien machte, gehört zu den Getreuen. Im Ruhestand zog sie nach Fürstenwerder und hilft nun, etwa Öffnungszeiten abzusichern. So wie Monika Wiels, die aus Papenburg in die Uckermark kam, oder Bernhard Schulz. Über zwei Jahrzehnte hatte er in Niedersachsen gearbeitet, bis es ihn als Ruheständler vor einem Jahr wieder in die Heimat zog und er im Museum eine neue Aufgabe fand.

Bescheidener Aktivposten

Bescheidenerweise nennt sich Ihlenfeldt selbst nicht als Aktivposten, der aber ohne Zweifel ist. So ist es auch sein Verdienst, dass die Maler, die es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder nach Fürstenwerder zog, nicht in Vergessenheit geraten sind. An erster Stelle ist hier Hans Klohß (1879-1954) zu nennen, der 1905 bis 1909 in dem Ort lebte und arbeitete, ehe er nach Burg Stargard zog. Dort war jüngst eine viel beachtete Sonderausstellung mit einer Auswahl von Werken zu sehen. Henning Ihlenfeldts Steckenpferd ist aber die DDR-Geschichte. In einem extra Raum finden sich zahlreiche außergewöhnliche ostdeutsche Produkte, angefangen vom Krawatten-Bügler bis hin zum ersten Robotron-Computer.