1874-2024 Namenstag für das Grand Hotel Heiligendamm - ERSTES SEEBAD
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1874-2024 Namenstag für das Grand Hotel Heiligendamm

Geburtstage feiert man – Namenstage eher nicht. Das Grand Hotel Heiligendamm hatte 2023 seinen 230. Geburtstag, denn es bildet den Mittelpunkt der Gründung des ersten deutschen Seebades im Jahr 1793. Außerdem feierte es den 20. Geburtstag seiner Neueröffnung im Jahr 2003 und das 10. Jubiläum der Übernahme durch die Familie Morzynski im Jahr 2013.

Seinen Namenstag – eigentlich eher ein Namensjahr – hat das Grand Hotel Heiligendamm im Jahr 1874. Ein Jahr zuvor hatte Großherzog Friedrich Franz II. das Seebad an Baron Otto von Kahlden verkauft, der es mit einer Aktiengesellschaft betrieb und zusammen mit seinem Sohn und Erben Rudolf verwaltete.

Drei Generationen gehörte das Bad quasi den Großherzögen von Mecklenburg-Schwerin, auch wenn längst nicht mehr alle Investitionen aus der privaten Schatulle erfolgten, wie einst der Seebad-Gründer Friedrich Franz I. für seine Regentschaft angewiesen hatte.

Ausschlaggebend für den Verkauf waren zwei Dinge: Mecklenburg war einige Jahre zuvor dem Deutschen Bund beigetreten und musste die in diesem Staatenbund verbotenen Spielbanken schließen, wodurch ein großer Teil der Einnahmen wegfiel. Man hatte dem bereits mit dem Bau von neuen Logierhäusern entgegengewirkt, in denen nun nicht mehr nur der Patriarch allein, sondern mit der ganzen Familie die Sommerfrische genießen konnte. Man schuf also mehr Betten.

Nachdem nun aber 1872 das verheerende Sturmhochwasser auch in Heiligendamm alles zerstörte, was nicht sicher an Land stand, war das Geld umso knapper. So entschied sich Friedrich Franz II. für den Verkauf. Die drei großherzoglichen Cottages (Alexandrinencottage, Mariencottage und Villa „Krone“) behielt er und auch das gerade erst 23 Jahre zuvor für seine allerdings 1862 verstorbene Gemahlin gebaute Prinzessin-von-Reuß-Palais wurde nicht verkauft.

(Lithografie, gez. u. lith. v. C. Schultz a Paris (Quelle: ECH-Archiv)

Die Regenten blieben Heiligendamm treu, aber sie zogen sich eher dahin zurück, als sich dort in den Trubel zu stürzen. Ohnehin hatten Friedrich Franz II. und seine inzwischen zweite Frau Marie von Schwarzburg-Rudolstadt nicht die Strahlkraft des Bürgerkönigs Paul Friedrich und der aus Preußen stammenden Großherzogin Alexandrine, die als Tochter der berühmten Königin Luise direkt mit zwei deutschen Kaisern verwandt war.

Heute erinnert man sich bei Friedrich Franz II. – abgesehen von seinem markanten Bart – eher an die Modernisierung Mecklenburgs nach preußischem Vorbild. Allem voran dem Ausbau des Eisenbahnnetzes. Er hat viel vollbracht, aber im Seebad am Heiligen Damm war er nicht mehr so präsent.

 

Heiligendamm wurde 1873 das erste Mal verkauft

Die neue Nummer eins war nur ein Besitzer und Verwalter und der trat scheinbar nicht direkt in Erscheinung. Zumindest gibt es kaum Bilder und Berichte von ihm. Baron von Kalden baute für sich und seinen Sohn kleine abgelegene Sommerhäuser in einen Landschaftspark zwischen Wald und Meer – die Villen „Sporn“ und „Adler“ an der heutigen Seedeichstraße.

Entwurf für einen Ausbauplan von Kayser&Großheim von 1873 (Quelle: ECH-Archiv)

Pläne vom Architekturbüro Kayser & Großheim aus Berlin sahen einen massiven Ausbau Heiligendamms vor. Das Haus „Mecklenburg“ sollte einen Seeflügel bekommen, das Kurhaus Arkadengänge für Spaziergänge bei schlechtem Wetter, neue Häuser sollten entstehen und mit dem Bau eines weiteren Flügels parallel zum Haus „Mecklenburg“ ein Karree geschaffen werden. Aus dem Seebad sollte eine Art „Versailles am Meer“ werden.

Inwiefern das Schloss des Sonnenkönigs die Architekten inspiriert hat, weiß man nicht. Dass die Kaiserproklamation dort aber gerade erst 1871 stattgefunden hatte, macht den Gedanken interessant. Die Zeit war jedenfalls reif für Unternehmer, die sich repräsentieren wollten und der Berliner Entwurf sprach genau diese Sprache. Umgesetzt wurde er so allerdings nie, denn das war dem Regenten schon allein finanziell gar nicht möglich. Mit dem Verkauf gab er dem Seebad die Chance, nach dem „Berliner Plan“ zu wachsen. Allerdings war Baron von Kahlden auch mit einer Aktiengesellschaft nicht so situiert, den kompletten Plan auf einmal umzusetzen. Vielleicht auch deswegen wurden nur Teile umgesetzt.

Das Haus „Mecklenburg“ bekam seinen Seeflügel und damit mehr Zimmer mit Meerblick und tatsächlich entstand auch parallel dazu ein „Neuer Flügel“. Doch der war nicht einfach nur ein neues Logierhaus, sondern hieß nun „Grand Hôtel“.

Hier begann 1874 ein neues Kapitel, denn nun kamen nicht mehr nur Adlige und Menschen mit Rang und Namen, sondern man öffnete das Bad für das wohlhabende Bürgertum. Dieses Haus war nicht nur wegen seiner Dimension ein Großes Hotel, sondern auch wegen seiner Angebote. Es hatte eigene Angestellte – man brauchte kein Personal mehr von zuhause mitbringen.

1874 begann also das Bad zum Hotel zu werden. Die Bezeichnung „Grand Hotel“ wurde bald ausgeweitet auf das ganze Ensemble aus eben diesem, dem Kurhaus, dem Haus „Mecklenburg“, der Burg „Hohenzollern“ und später der Orangerie. Die Vermarktung der Logierwohnungen in den Villen der „Perlenkette“ lief teilweise auch über die jeweiligen Pächter des Grand Hotels – auf jeden Fall profitierten die Bewohner in der ersten Reihe vom Hotelbetrieb und umgekehrt.

Der Begriff „Grand Hotel“ wurde irgendwann zur Marke und auch heute noch darf sich so nur bezeichnen, wer bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Die Größe allein macht es nicht – man muss schon großartig sein. Das Grand Hotel Heiligendamm ist es.

 

Baron öffnete das Seebad für andere Gäste

Doch Baron von Kahlden vermutete auch eine Nachfrage unterhalb dieses Luxussegments und da er mit dem Kauf des Bades viele noch unbebaute Flächen bekommen hatte, schrieb er Baugebiete aus. Vornehmlich entlang des Bollhäger Weges – heute Kühlungsborner Straße – entstanden Pensionen und Hotel garni.

(Quelle: Ansichtskarten-Archiv Joachim Fischer)

Die Investoren waren in der Regel zugleich auch die Betreiber und sie kamen aus dem Raum Hamburg. Die Pensionen hießen, wie die Betreiber: „Pension Peters“, „Pension Mellendorf“, Pension „Scherpeltz“, „Dunker’s Hotel“ und in der Gartenstraße „Krieg’s Hotel“.

Der ausbleibende Erfolg lässt sich an den Namen nach den Besitzerwechseln ablesen: Aus Haus „Waldfriede“ wurde das „Soldaten-Erholungsheim“, aus „Krieg’s Hotel“ ein „Mecklenburgisches Heim der Gesellschaft für Kaufmanns-Erholung“, aus der Pension „Scherpeltz“ wurde das „Schwesternheim Tabea“ und aus dem „Fürstenhof“ ein Altersheim. Heiligendamm für die einfachen Leute funktionierte nicht so wie gedacht. Zwar schuf man mit dem Ökonomiehof und dem Waldrestaurant neue Angebote, baute Kegelbahnen und weitere Sportstätten aber an den Erfolg des Hotels in der ersten Reihe konnte die zweite Reihe insgesamt nicht anknüpfen.

Das Grand Hotel hingegen ging seinen Weg unbeirrt weiter. Luxus, Kultur, Kulinarik und elitärer Sport waren die Zutaten für den Erfolg. Rudolf von Kahlden verkaufte 1911 das Erbe an den Industriellen Walter John, der das Bad noch im selben Jahr in den Ruin stürzte, aus dem es seine Gläubiger gemeinsam durch Kauf retteten.

 

Goldene Zwanziger und dunkle Dreißiger

Terrasse in den Zwanzigern (Quelle: A. Beckmann)

Letztlich war es Baron Oskar Adolf von Rosenberg, der 1922/23 mit dem Kauf eines insolventen Lübecker Bankhauses auch die Aktien an der Heiligendamm-Gesellschaft und das Bad selbst übernahm und in die Goldenen Zwanziger führte: Seine verzweigte Aktiengesellschaft – er war Jude und musste sich hinter einem deutschen Firmengeflecht verstecken – schuf einen Golfplatz, einen Tennisplatz und moderne Sportstätten und durch gute Leute vor Ort – allem voran des Großherzogs Sohn Herzog Adolf Friedrich – glänzte Bad Doberan-Heiligendamm mit den Pferderennen, dem Wasserflugzeugwettbewerb, dem Ozeanflieger-Treffen und internationalen Turnieren in Golf und Tennis. So kamen Prominente und mit ihnen Fans und deren Freunde. Heiligendamm in den Zwanzigern – das war ungezwungen, ungetrübt und frei.

Adolf Hitler auf der Seebrücke Heiligendamm
(Quelle: Bundesarchiv)

Mit dem Nationalsozialismus endete diese Zeit, auch wenn es zunächst elitär weiterging, weil Heiligendamm Hitlers liebstes Seebad gewesen sein soll. Er war hier, Benito Mussolini war zu Gast und Goebbels führte Tagebuch. Gauleiter Friedrich Hildebrandt und Flugzeugbauer Ernst Heinkel bekamen nach der Beschlagnahmung des Bades für Heereszwecke ihre Sommerhäuser in Heiligendamm – die ehemaligen Sommerhäuser der Kahldens – und Albert Speer plante im Auftrag des Bad Doberaner Ehrenbürgers Hitler eine Eliteschule für den Gau Mecklenburg am Rande des Seebades. Letztlich wurde das Luxushotel an die Reichsmarine verkauft und zur Reichskadettenschule, erhielt Tarnanstrich und wurde von den Russen beschlagnahmt, ausgeräumt und gemäß dem Potsdamer Abkommen für die Sprengung vorbereitet.

 

Von Planwirtschaft zu Marktwirtschaft

(Quelle: Heldge Verlag)

Das nächste Kapitel schlug dann die in der Entstehung befindliche Regierung der bald gegründeten DDR auf, indem es aus dem Ex-Luxushotel bzw. der Ex-Reichskadettenschule ein Sanatorium für Werktätige machte. Keinen Ferienbetrieb – dafür wurden nur zwei Häuser ausgewiesen – sondern einen Kurbetrieb. Nicht dem FDGB unterstellt, sondern der Sozialversicherungsanstalt der DDR.

(Quelle: Radke-Verlag)

Bis 1990 konnten tausende kostenlos Kur in Heiligendamm machen, dann begann auch hier die Marktwirtschaft und das war als Kurklinik in einem so weitläufigen Gelände mit so alten Gebäuden wirtschaftlich nicht zu machen. Zu DDR-Zeiten hatte das Sanatorium eine eigene Baubrigade für den Erhalt der Bausubstanz. Große Sanierungen stemmte man auf Staatskosten – zuletzt imageträchtig zum 800. Stadtgeburtstag 1986.

Nach der Wiedervereinigung war das nicht mehr machbar. Verschiedene Optionen schloss man aus: Das Staatsbad ebenso, wie den teilweisen Abriss. Der Bund als Eigentümer des einstigen Volkseigentums entschied sich für den Verkauf. Nachdem man zuerst alles einzeln verkaufen wollte und befürchten musste, gerade die großen Gebäude nicht loszuwerden, bündelte die Treuhand das Paket als Ganzes mit 26 Immobilien und Grundstücken.

Zwei Interessenten sprangen letztlich ab und übrig blieb einer, den Helmut Kohl und Theo Waigel quasi darum gebeten hatten: Anno August Jagdfeld mit seiner FUNDUS-Gruppe, die nach dem Wunder von Berlin – der Wiederauferstehung des legendären Adlon-Hotels – nun dasselbe Wunder in Heiligendamm vollbringen sollte.

(Quelle: ECH-Archiv)

Offensichtlich ist das – nicht zuletzt mit Hilfe von 1900 privaten Anlegern und Fördermitteln – gelungen, wenngleich es noch ein langer Weg ist, auch die zweite Reihe wieder in altem Glanz erstrahlen und neue Funktionen erfüllen zu lassen und den Badeort als Ortsteil zu entwickeln.

Das Grand Hotel eröffnete 2003 ohne Zäune
Das Grand Hotel eröffnete 2003

Das Grand Hotel eröffnete 2003 als 5-Sterne-Hotel wieder seine Pforten, die kleinen Logierhäuser werden seit 2010 Stück für Stück saniert und auch die Insolvenz des FUNDUS-Fonds und damit des Hotelbetriebs in 2012 hat das Luxushotel letztlich auch überstanden.

Quelle: Grand Hotel Heiligendamm

Der seit 2013 neue Eigentümer Paul Morzynski mit seiner Familie ist sehr engagiert und auch im 11. Jahr mit ganzem Herzen dabei. Investitionen in Renovierungen, Modernisierungen und auch Erweiterungen – allem voran der Außenpool – zeigen das.

So ist es dann auch im Grand Hotel nicht vergessen, dass 2024 der 140. Namenstag des Grand Hotels ist – und der Beginn eines neuen Kapitels, welches das Grand Hotel zu dem machte, was es heute wieder ist: Ein Place to be für alle, die den Spirit der Weißen Stadt am Meer erleben wollen. Das Grand Hotel macht es dabei auch denen leicht, die nicht gleich das ganze 5-Sterne-Verwöhn-Paket wollen: Kultur und Kulinarik sind für jeden zu haben und der ganz neu aufgelegte Kulinarik-Kalender richtet sich an alle.

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