In seiner letzten Regiearbeit, dem Altersheim-Stück "Schon wieder Sonntag", hatten sich Regisseur Helmuth Lohner und Hauptdarsteller Otto Schenk viel mit Lebensabend und Lebensende beschäftigt. "Ich möchte keinen Plan fassen. Das Schicksal soll sich selber den Kopf zerbrechen", sagte Schenk in einem Doppelinterview. "Wie bisher", bekräftigte sein Lebensfreund. Heute Früh ist Lohner 82-jährig gestorben.

Helmuth Lohner war ein leiser, nachdenklicher, zurückhaltender Mensch, als Schauspieler von klassischer Sprechkultur trifft auf ihn wohl wie für wenige andere die Bezeichnung Charakterdarsteller zu. Er war in allen Genres zu Hause und hat fast alles dargestellt, was einen Schauspieler reizen kann: Shakespeares abgründig-bösen Richard, den zwiespältigen Dänenprinzen Hamlet, den Titus Feuerfuchs in Nestroys "Talisman", den Faust ebenso wie den Mephisto. Er hat die vielfältigen Facetten von Schnitzler-, Tschechow- und Horvath-Figuren transparent gemacht und in komischen Rollen die Lachmuskeln der Zuschauer strapaziert. "Wenn man ihn auf ein Genre einengen will, wird man ihm nicht gerecht", meinte sein Lebensfreund Otto Schenk, künstlerischer Partner in mehr als 20 Produktionen allein an der Josefstadt, tief betroffen in einer ersten Reaktion.

Doch Lohner war dem Theater auch als Regisseur und als Direktor verbunden. Er inszenierte Opern und Operetten und ließ sich gleich zweimal dazu überreden, das Haus zu leiten, dem er am meisten von allen Bühnen verbunden war - nicht nur weil "der erste feste Vertrag, den ich in meinem Leben unterschrieben habe, der Direktionsvertrag mit dem Theater in der Josefstadt war". "Man geht mit riesigen Ambitionen hinein und muss Stück um Stück Federn lassen. Die Realität wird immer härter und man kommt in eine Verzweiflung", resümierte Lohner einmal im APA-Interview seine Direktionserfahrungen. "Diese Jahre gehören zu meinem Leben wie alles andere auch. Nie im Leben würde ich mich davon distanzieren wollen. Und ich habe bezahlt, weil ich dafür als Schauspieler auf vieles verzichten musste."

"Unersetzbarer Verlust"

Der Tod Helmuth Lohners bedeute "einen unersetzbaren Verlust für die Josefstadt, für das deutschsprachige Theater und großen Schmerz für alle, die ihn kennen und ihm nahestanden", hieß es heute in einer ersten Reaktion des Theaters in der Josefstadt. "Helmuth Lohner war ein hinreißender Darsteller feinnerviger Charaktere, ein Sprachkünstler, dessen schauspielerische Präzision, Phantasie und Hingebungskraft bewundert wurde", wurde Direktor Herbert Föttinger in einer Aussendung zitiert. "Abseits der Bühne war er ein bescheidener Mensch von feiner Gesinnung, der auch als Direktor der Josefstadt für Toleranz, Mitmenschlichkeit und Güte stand."

"Jedermann"

Helmuth Lohner, der am 24. April 1933 in Wien geboren wurde, war einer der profiliertesten Charakterdarsteller seiner Generation. Neben seinem Stammhaus, der Josefstadt, spielte er an zahlreichen großen Bühnen des deutschsprachigen Raums, darunter auch am Wiener Burgtheater und bei den Salzburger Festspielen, wo er u.a. insgesamt zehn Jahre (darunter fünf Sommer in der Titelrolle) in Hofmannsthals "Jedermann" auf der Bühne am Domplatz stand. Zu seinen Auszeichnungen zählen die Kainz-Medaille (1980), der Titel Österreichischer Kammerschauspieler (1993) und die Ehrenmitgliedschaft der Josefstadt (2003).

1997 wurde er Direktor des Theaters in der Josefstadt. Bereits zum Ende seiner ersten Direktionszeit hatte er 2003 mit Molières "Menschenfeind" seinen Bühnen-Abschied gefeiert, sich aber ebenso zum Comeback überreden lassen wie zu seiner Rückkehr als künstlerischer Leiter nach einer einzigen Saison von Hans Gratzer. Nach zwei Saisonen übergab Helmuth Lohner Mitte 2006 die Theaterleitung an Herbert Föttinger und war seither vorwiegend als freier Regisseur tätig.

Chemigraph

Lohner, der am 24. April 1933 in Wien geboren wurde, absolvierte zunächst eine Lehre als Chemigraph und nahm dann privaten Schauspielunterricht. Sein Theaterdebüt gab er 1952 am Stadttheater Baden, am Stadttheater Klagenfurt war er als Operetten-Buffo bekannt. Sein Filmdebüt gab Lohner 1955 in Josef von Bakys "Hotel Adlon", seine wichtigste TV-Rolle war wohl die des Carl Joseph Trotta in der "Radetzkymarsch"-Verfilmung von Michael Kehlmann.

Helmuth Lohner mit seiner Ehefrau Elisabeth Gürtler
Helmuth Lohner mit seiner Ehefrau Elisabeth Gürtler © APA/HERBERT PFARRHOFER

Lohner war zweimal mit der deutschen Schauspielerin Susanne Cramer verheiratet, danach mit der deutschen Schauspielerin Karin Baal und der österreichischen Journalistin Ricarda Reinisch-Zielinski. 2011 heiratete er seine langjährige Lebensgefährtin Elisabeth Gürtler.

In der Josefstadt, wo Helmuth Lohners letzte Inszenierung von "Schon wieder Sonntag" ab Herbst wieder an den Kammerspielen zu sehen sein wird, wurde das morgige Saisonabschlussfest abgesagt. Das Theaterleben geht jedoch weiter: Ab morgen sind drei Vorstellungen von Thomas Bernhards "Am Ziel" angesetzt, mit Helmuth Lohners Tochter Therese in der Rolle der "Tochter". 

Programmänderungen

Der ORF ändert sein Programm, unter anderem steht der ganze ORF-III-Abend am 24. Juni im Zeichen von Helmuth Lohner, ORF-2 zeigt am 27. Juni nachmittags ein Porträt und "Sonny Boys".