ᐅ Selbsthilfegruppe, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes?

Selbsthilfegruppe, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes?

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Theto

Neues Mitglied
Selbsthilfegruppe, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes?

Hallo,

eine Art Selbsthilfegruppe genannt SG, die sich in Präsenz und zu Zeiten des Lockdown auch Online traf, hat diverse Audioaufnahmen AA für die Teilnehmenden TN angefertigt.
Auf den Aufnahmen AA ist auf der einen Seite zum Großteil eine leitende Person zu hören, aber es gibt auch sehr viele persönliche Berichte und Austausch der Teilnehmenden TN selbst.

Es gab eine selbsterstellte Vereinbarung, einerseits mündlich, andererseits bei Online-Treffen auch schriftlich durch Klick auf eine Checkbox, dass man als TN die Vereinbarung gelesen hat und dieser zustimmt.

Es zeigte sich, dass öfters von TN's die Vereinbarung nicht eingehalten wurde und an Personen XY Aufnahmen AA weitergeben wurden.


Fragen:
Wie sieht der Sachverhalt in Bezug zur "Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes" § 201 StGB aus?

Frage 1) Wenn ohne Absprache TN's Aufnahmen AA anfertigen, trifft dann § 201 Abs. 1 S. 1 StGB zu?
"...wer unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder"


Frage 2) Wenn Aufnahmen AA an Personen XY weitergegeben werde, die erst später zur Selbsthilfegruppe SG dazukamen, also zum Zeitpunkt der Aufnahmen nicht TN's waren, oder dieser Gruppe SG nicht angehörten, trifft dann § 201 Abs. 1 S. 2 StGB zu?
"...wer unbefugt eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht."


Frage 3) Um in Zukunft die potenziellen Straftaten (Aufnahmen, Weitergabe) zu unterbinden, würde es Sinn machen, von jedem TN eine strafbewehrte Unterlassungserklärung (mit vereinbarter Vertragsstrafe), unterschreiben zu lassen?
Ist es ratsam für einen Entwurf mit diesem Sachverhalt, Anwalt/Anwältin mit Fachgebiet Strafrecht zu nehmen?

Frage 4) Welche rechtlichen Möglichkeiten, zur Einschränkung der illegalen Audioaufnahmen, bzw. Weitergabe gäbe es noch?

Danke.
 
P

Phil79

V.I.P.
AW: Selbsthilfegruppe, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes?

Vorausgesetzt, dass die Sprechenden mit der Anfertigung von Aufnahmen nicht einverstanden waren, wäre grds. der Tatbestand des § 201 StGB eröffnet. In diesem Falle wäre zwischen demjenigen zu unterscheiden, der die Aufnahme anfertigt (§ 201 I Nr. 1 StGB), und demjenigen, der sie - ohne sie selbst aufgenommen zu haben - verwendet oder Dritten zugänglich macht (§ 201 I Nr. 2 StGB).

Einzig könnte womöglich fraglich sein, ob der Anwendungsbereich des § 201 StGB auch bei online-Meetings via bspw. Zoom oder Skype eröffnet ist, aber im Lichte der Anwendbarkeit auf Telefongespräche sähe ich da keinen Grund, weshalb die Norm nicht auch auf (i. w. S.) "Videotelefonie" anwendbar sein sollte. Von daher könnte eine Strafanzeige grds. erfolgversprechend sein. Einer Unterlassenserklärung bedürfte es mE nicht. Hinzukämen auch etwaige privatrechtliche Verletzungen.

Allerdings wäre vielleicht die Möglichkeit zu überlegen, zunächst mal auf die Illegalität des Verhaltens hinzuweisen und ggf. mit einer Strafanzeige zu drohen, sofern sich keine Veränderung einstellt. Man sollte nämlich im Hinterkopf haben, dass man regelmäßig als Geschädigter keinen Vorteil aus einer strafrechtlichen Verurteilung zieht. Sprich, von einer womöglich zu verhängenden Geldstrafe sieht der Geschädigte keinen Cent.
 
T

th-h

V.I.P.
AW: Selbsthilfegruppe, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes?

eine Art Selbsthilfegruppe genannt SG, die sich in Präsenz und zu Zeiten des Lockdown auch Online traf, hat diverse Audioaufnahmen AA für die Teilnehmenden TN angefertigt.
Wer hat die Aufnahmen angeferigt? Jeder für sich? Einer für alle? War das den Teilnehmern bekannt? Haben sie zugestimmt oder nicht widersprochen?
Es gab eine selbsterstellte Vereinbarung, einerseits mündlich, andererseits bei Online-Treffen auch schriftlich durch Klick auf eine Checkbox, dass man als TN die Vereinbarung gelesen hat und dieser zustimmt.
Je nun, und was steht zu Aufzeichnungen in der Vereinbarung?
Es zeigte sich, dass öfters von TN's die Vereinbarung nicht eingehalten wurde und an Personen XY Aufnahmen AA weitergeben wurden.
Was steht denn in der Vereinbarung? Aufnahmen sind zulässig, dürfen aber nicht weitergegeben werden?
Fragen:
Wie sieht der Sachverhalt in Bezug zur "Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes" § 201 StGB aus?

Frage 1) Wenn ohne Absprache TN's Aufnahmen AA anfertigen, trifft dann § 201 Abs. 1 S. 1 StGB zu?
"...wer unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder"
Grundsätzlich ja, aber es scheint zu dem Thema ja eine Vereinbarung zu geben.
Frage 2) Wenn Aufnahmen AA an Personen XY weitergegeben werde, die erst später zur Selbsthilfegruppe SG dazukamen, also zum Zeitpunkt der Aufnahmen nicht TN's waren, oder dieser Gruppe SG nicht angehörten, trifft dann § 201 Abs. 1 S. 2 StGB zu?
"...wer unbefugt eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht."
Nur dann, wenn bereits die Aufnahme an sich unzulässig war. Wenn die Aufnahme mit dem - konkludenten - Einverständnis der Teilnehmer erfolgte, ist die Weitergabe dieser dann legalen Aufnahme an Dritte kein Fall des § 201 StGB.
Frage 3) Um in Zukunft die potenziellen Straftaten (Aufnahmen, Weitergabe) zu unterbinden, würde es Sinn machen, von jedem TN eine strafbewehrte Unterlassungserklärung (mit vereinbarter Vertragsstrafe), unterschreiben zu lassen?
Hinsichtlich der unbefugten Aufnahme macht das keinen Sinn; die wäre bereits strafbar und könnte auch zivilrechtlich unterbunden werden.

Hinsichtlich der unbefugten Weitergabe einer befugt hergestellten Aufnahme wäre das m.E. ein gangbarer Weg.
Einzig könnte womöglich fraglich sein, ob der Anwendungsbereich des § 201 StGB auch bei online-Meetings via bspw. Zoom oder Skype eröffnet ist, aber im Lichte der Anwendbarkeit auf Telefongespräche sähe ich da keinen Grund, weshalb die Norm nicht auch auf (i. w. S.) "Videotelefonie" anwendbar sein sollte.
Da habe ich keine Bedenken. Problematisch ist nur, ob und wenn die Aufzeichnung für die anderen Teilnehmer im Client sichtbar angezeigt wird. Wenn diese das wahrnehmen und nicht widersprechen, wird man ggf. von einem konkludenten Einverständnis auszugehen haben.
 
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Theto

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AW: Selbsthilfegruppe, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes?

Zweck der Aufnahmen:
Zum persönlichen Gebrauch, Dokumentation, späteres nachhören.

Wer hat die Aufnahmen angefertigt?
Meistens eine bestimmte Person (Admin). Teils auch einzelne Teilnehmende mit Diktiergerät oder Smartphone.

Zustimmung:
Bei Präsenz nicht widersprochen, online explizit zugestimmt. (Siehe Vereinbarung)
Da die Teilnahme an eine Voraussetzung gebunden war, ist wohl bei den Präsenztreffen bei dieser festen Gruppe SG auch ein konkludentes Einverständnis der Vereinbarung anzunehmen? Vor allem, da die Vereinbarung allgemein gehalten ist, was die Teilnahme an der Gruppe SG betrifft. Richtig?

Vereinbarung:
Über Kommunikation und Schutzbedürfnisse aller Beteiligten der Gruppe SG.
- Zustimmung der erforderlichen Verarbeitung sowie vorgesehenen teilweisen internen Veröffentlichung und Übermittlung meiner Stimme und sonstiger zur Kommunikation benötigten Daten.
- Verzicht auf alle sich ergebenden Rechte an Stimme und Wort.
- Opt-out von einem Beitrag muss zeitnah erfolgen, damit entfernt oder unkenntlich gemacht werden kann.
- Verpflichtung Zugangsdaten (zu einer internen Cloud) in keinem Fall weiter zu geben und bei Verlust Admin melden.
- Analoge u. digitale Kommunikation der Gruppe vertraulich behandeln, nicht an Gruppenfremde, Externe weitergeben.
- ausdrücklich nicht erlaubt z.B. US Anbieter (siehe Schrems-I-Urteil, Schrems II-Urteil)
- Bei Unklarheiten bemüht sich TN unverzüglich um Klärung.
- Mit Zugriff auf die digitale Infrastruktur bzw. deren beabsichtigte Nutzung stimme ich der Vereinbarung zu. (Willenserklärung?)

Unzulässige Aufnahme?
In der Vereinbarung steht dazu nichts, das war nur mündlich.
In der Videokonferenz wurde immer (rotes Symbol) angezeigt, wenn aufgenommen wurde.

Unzulässige Weitergabe?
Auf die Vertraulichkeit wird mehrmals hingewiesen.
Die Einschränkung der Weitergabe auf nur "interne Gruppe" scheint eine klare Willenserklärung?

Lösung:
Um diese "Altlasten" mit den Aufnahmen zu klären, scheint doch eine Unterlassungserklärung, die die Weitergabe der vorhandenen Aufnahmen untersagt, noch mal klärt, sinnvoll?

Danke.
 
P

Phil79

V.I.P.
AW: Selbsthilfegruppe, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes?

Problematisch ist nur, ob und wenn die Aufzeichnung für die anderen Teilnehmer im Client sichtbar angezeigt wird. Wenn diese das wahrnehmen und nicht widersprechen, wird man ggf. von einem konkludenten Einverständnis auszugehen haben.
Zustimmung, nur hatte ich den EP so verstanden, dass ausdrücklich die Vereinbarung bestanden habe, dass nicht aufgezeichnet würde. Womöglich habe ich das jedoch missverstanden.
 
T

th-h

V.I.P.
AW: Selbsthilfegruppe, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes?

Zustimmung, nur hatte ich den EP so verstanden, dass ausdrücklich die Vereinbarung bestanden habe, dass nicht aufgezeichnet würde. Womöglich habe ich das jedoch missverstanden.
Ich versteh's ehrlich gesagt auch nicht ganz. :cool:
 
T

Theto

Neues Mitglied
AW: Selbsthilfegruppe, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes?

Zusammenfassung (Aufnahmen mit Zustimmung und "unbefugte" Aufnahmen)


1)
§ 201 Abs. 1 S. 1 StGB
"...wer unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder"
1a) Es gab "unbefugte" Aufnahmen, die einzelne Teilnehmende ohne Absprache gemacht haben... Man kann dabei teils konkludentes Einverständnis unterstellen.
1b) Es gab ganz offizielle Aufnahmen, die auch über eine private Cloud an die Teilnehmende (nur diese) weitergegeben wurden.
Aber Thema der Anfertigung von Aufnahmen ist nicht aktuell das Problem.
Es ist nur noch nicht klar, wie das das Zugänglichmachen beeinflusst.

2)
Das Problem sitzt hier:
§ 201 Abs. 1 S. 2 StGB
"...wer unbefugt eine so [?] hergestellte [nichtöffentliche] Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht."
In der Vereinbarung steht ausdrücklich, dass keine Aufnahme an Dritte (Nicht-Teilnehmende) "zugänglich" gemacht oder weitergegeben werden darf.

Frage:
Wie kann man das Zugänglichmachen der vorhandenen Aufnahmen auf den Kreis der Gruppe SG begrenzen.

Lösung?
Um den Umgang mit den vorhandenen Aufnahmen schriftlich zu klären, scheint eine Unterlassungserklärung, die die Weitergabe (das "Zugänglichmachen") der vorhandenen Aufnahmen regelt/untersagt sinnvoll?
 
P

Phil79

V.I.P.
AW: Selbsthilfegruppe, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes?

@Theto: § 201 I StGB bezieht sich in beiden Tatbestandsvarianten auf unbefugt hergestellte Aufnahmen. Sofern also hinsichtlich der Aufzeichnung Einverständnis bestand (konkludentes reicht aus), unterfällt die Weitergabe nicht dem § 201 StGB.
 
T

Theto

Neues Mitglied
AW: Selbsthilfegruppe, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes?

Ist dann die Weitergabe von Aufnahmen (an Dritte), die an die Gruppe SG verteilt wurden, "nur" eine "Pflicht- bzw Vertragsverletzung" der Vereinbarung der Gruppe SG?
 
P

Phil79

V.I.P.
AW: Selbsthilfegruppe, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes?

Ist dann die Weitergabe von Aufnahmen (an Dritte), die an die Gruppe SG verteilt wurden, "nur" eine "Pflicht- bzw Vertragsverletzung" der Vereinbarung der Gruppe SG?
Womöglich ist es eine Ordnungswidrigkeit... da müsste man mal die DSGVO behelligen. Aber eine Straftat ist es gem. dem Bilde, das sich mir nunmehr bietet, mE weder gem. Haupt- noch Nebenstrafrecht.
 

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