Mondfische: Die Rekordhalter der Meere

Die äußere Erscheinung der Mondfische mit ihren gedrungenen, scheibenförmigen Körpern und dem vermeintlichen Fehlen ihrer hinteren Körperhälfte löst auf den ersten Blick Verwunderung aus. Ihr Äußeres entspricht nicht der stromlinienförmigen Gestalt, die man von anderen Fischen kennt und sich im Laufe der Evolution vermehrt durchgesetzt hat. Dabei fehlt es den Mondfischen an nichts.

Mondfisch in Gewässern vor der Küste Kaliforniens. © Michael Zeigler via iStock

Der Mondfisch (Mola mola) und seine Artverwandten sind Meeresbewohner der Extraklasse. Mit einer Körpergröße bis zu 3,3 Metern sind sie echte Riesen und überragen mit ihrem Gewicht weltweit alle anderen Knochenfische (Osteichthyes), denen sie angehören.

Bis vor Kurzem hielt ein Mondfisch der Art Mola mola mit einem Gewicht von 2,3 Tonnen den Weltrekord als schwerster Knochenfisch. Im Jahr 2022 wanderte der Titel an einen Verwandten der Art Mola alexandrini, der ein stolzes Gewicht von 2.744 Kilogramm auf die Waage brachte. Das ist in etwa so viel wie ein kleiner Transporter. Nur innerhalb der Knorpelfische gibt es schwerere Vertreter, wie den Walhai (Rhincodon typus).

Eine schwimmende Scheibe

Der Mondfisch fällt besonders wegen seiner außergewöhnlichen Morphologie auf. Er besitzt einen flachen, stark verkürzten Körper mit vergrößerten, vertikal angeordneten Rücken- und Afterflossen. Mit diesen zwei Flossen kann er sich fortbewegen, während seine kleinen Brustflossen zum Halten seines Gleichgewichtes dienen.

Überraschenderweise vermisst man bei den sanften Riesen sowohl die Bauchflosse als auch die Schwanzflosse. Letztere bildete sich im Laufe der Evolution langsam zurück, bis sie heutzutage nur noch eine Art verwachsener Hautlappen ist. Dieser sogenannte Clavus dient ihnen beim Schwimmen als Ruder. Gemeinsam mit der verkürzten Wirbelsäule entsteht dadurch das unverwechselbare, gedrungene Erscheinungsbild der Mondfische.

Ihre weiße bis gräuliche Haut unterscheidet sich von der Haut anderer Fische. Unter der oberen, schuppenlosen Schicht verbirgt sich eine dicke Unterhaut, die gummiartig und extrem unflexibel ist. Diese trägt maßgeblich zum starren Körperbau der Mondfische bei, bietet aber auch einen gewissen Schutz vor Fressfeinden.

Vielseitige Fortbewegung

Während andere Fische sich mithilfe ihres gesamten Körpers fortbewegen, verschaffte die Unbeweglichkeit der Mondfische ihnen lange Zeit den Ruf als schlechte Schwimmer. Es wurde vermutet, dass sie sich nur mithilfe der Meeresströmungen fortbewegen und ansonsten nahezu unbeweglich an der Oberfläche treiben. Aktuelle Studien mit getrackten Mondfischen widerlegen diese Annahme. Dank ihrer großen Brust- und Afterflossen sind sie zu kräftigen Schlägen und gezielter Fortbewegung aus eigenem Antrieb fähig. Das ist besonders für die Nahrungssuche essenziell.

Ungeachtet dessen nutzen Mondfische vorhandene Meeresströmungen, um sich mit möglichst wenig Energieaufwand über weite Entfernungen treiben zu lassen und neue Gebiete und Jagdgründe zu erreichen. Gelegentlich gelangen sie dadurch in unsere heimischen Gewässer der Nord- und Ostsee. Aufgrund des vorherrschenden Nahrungsmangels und der niedrigen Temperaturen können sie dort allerdings nur schlecht überleben.

Sonnenbaden ist mehr als ein Hobby

Mondfische leben weltweit in tropischen und gemäßigten Meeren. Als ektotherme Fische sind warme Gewässer für sie überlebenswichtig, da sie ihre Körpertemperatur nicht selbst regulieren können, sondern sich diese an die Umgebungstemperatur anpasst. Wenn sie sich zu lange in kalten Gewässern unter 12 °C aufhalten, riskieren sie Orientierungslosigkeit und schlimmstenfalls den Tod.

Zur Temperaturregulierung begeben sie sich an die Meeresoberfläche und verweilen dort auf der Seite liegend, um sich aufzuwärmen. Mithilfe des Sonnenlichts und des wärmeren Oberflächenwassers steigern sie ihre Körpertemperatur, bevor sie erneut zur Nahrungssuche abtauchen. Das Sonnen an der Oberfläche verschaffte ihnen die englische Bezeichnung „ocean sunfish“, während sie im Deutschen aufgrund ihrer auffallenden Erscheinung als Mondfisch bekannt sind.

Mit ihren großen Flossen vermitteln sie an der Wasseroberfläche gelegentlich den Eindruck einer riesigen Schildkröte oder eines dahin treibenden Hais.

Mondfisch beim Sonnenbaden an der Wasseroberfläche. © Andrea Izzotti via iStock

Ein lebendiger Fahrstuhl im Meer

Mondfische sind Teil der größten Wanderung der Erde: der täglichen Vertikalwanderung. Bei dieser vertikalen Migration wandern Milliarden mariner Organismen, darunter vorwiegend Plankton und Fische, im Laufe des Tages durch verschiedene Tiefenzonen des Meeres auf und ab. Dieses Verhalten dient vorwiegend der Nahrungssuche oder der Vermeidung von Fressfeinden.

Bei Tagesanbruch tauchen Mondfische gemeinsam mit ihrer Lieblingsbeute, dem Zooplankton, in tiefere Gewässer ab. Während Plankton und andere Fische tagsüber Schutz in der dunklen Tiefsee suchen und erst bei Anbruch der Abenddämmerung zurückkehren, müssen Mondfische regelmäßig zur Oberfläche zurückkehren, um sich aufzuwärmen. Bei ihren Tauchgängen halten sie sich meist in Tiefen von 200 bis 500 Meter auf, können aber je nach Art eine Tiefe bis zu 1.000 Metern erreichen (Bereich des Mesopelagials). Die größeren Exemplare können die weitesten Tiefen erreichen, da sie mehr Wärme für ihren Tauchgang speichern können. Im Dämmerlicht und bei Nacht fressen sie das Plankton anschließend im warmen Oberflächenwasser (Bereich des Epipelagials), bevor die Reise am nächsten Morgen erneut beginnt.

Dass Mondfische ihre Beute auch bei Dunkelheit gut sehen können, verdanken sie ihren großen, gut entwickelten Augen. Mit einer erhöhten Anzahl Photorezeptoren auf der Netzhaut ihrer Augen können sie in der dunklen Tiefsee und hellen Nächten an der Oberfläche mehr Licht aufnehmen und selbst schwache Umrisse erkennen. Ihre Sehschärfe ist etwa mit der von ausgewachsenen Haien vergleichbar, wodurch sie auch auf Entfernung durchsichtig erscheinende Quallen ausmachen können.

Lieblingsspeise Plankton

Das Fressverhalten der Mondfische ändert sich im Laufe ihrer Entwicklung. Junge Mondfische jagen oft gemeinsam in Schwärmen, werden aber mit zunehmendem Alter zu Einzelgängern.

Erwachsene Mondfische ernähren sich überwiegend von Zooplankton und zählen damit ebenso wie Riesenhaie und andere Meeresgiganten zu den Planktivoren. Ihre bevorzugte Beute ist gelatinöses Megazooplankton, zu dem unter anderem kleine Quallen und Salpen gehören. Den geringen Energiegehalt ihrer Beute kompensieren sie mit der schieren Masse an gefressener Nahrung. Forscher vermuten, dass Mondfische bei ihren mehrstündigen Tauchgängen in die Tiefsee ununterbrochen fressen.

Magenuntersuchungen verstorbener Mondfische zeigen, dass sie gelegentlich auch andere Organismen fressen. Neben kleinen Fischen, Weichtieren, Tintenfischen und Krebstieren wurden auch benthische (am Boden lebende) Tiere wie Seesterne und Schlangensterne gefunden. Ob sie diese gezielt jagen oder Teile der Tiere versehentlich verschlucken, ist noch nicht bekannt.

Im Gegensatz zu anderen Planktivoren besitzen Mondfische nur ein kleines Maul und können weder viel, noch große Nahrung schlucken. Zu große Beutetiere werden wiederholt eingesaugt und ausgespuckt, um sie in kleinere Teile zu zerlegen und leichter verschlucken zu können.

Reinigungsprozedur der Extraklasse

Nicht selten bringen Mondfische ungewollte Souvenirs von ihren Ausflügen in die Tiefsee mit. Laut der amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) tummeln sich bis zu 54 Arten von Parasiten auf dem Mola mola. Dabei handelt es sich größtenteils um Ektoparasiten, die sowohl die Haut, als auch die Kiemen und den Mundraum der Fische befallen. Mehr als die Hälfte der unerwünschten Besucher zählt zu den Plattwürmern, darunter Bandwürmer und Saugwürmer, die bis zu den Organen der Mondfische vordringen können.

Der Boxenstopp an der Oberfläche dient demnach nicht nur dem Aufwärmen und Ausruhen nach ausgiebigen Tauchgängen, sondern auch dem Reinigungsvorgang. Um die Schädlinge abzuschütteln, springen sie meterhoch aus dem Wasser und werfen sich mit ihrem flachen Körper auf die Oberfläche. Wenn diese Taktik nicht ausreicht, warten sie darauf, dass Putzerfische oder Seevögel die Reinigung übernehmen und sie von ihren Parasiten befreien. Für die tatkräftige Putzkolonne gibt es im Gegenzug eine kostenlose Mahlzeit.

Neben den zahlreichen Vorteilen birgt der Aufenthalt an der Oberfläche auch Gefahren für die Meeresgiganten. Es häufen sich Beobachtungen von verletzten oder toten Mondfischen, die mit Schiffen und Schiffsschrauben kollidiert sind und starke Wunden aufweisen.

Durch Propeller verletzter Mondfisch (Mola mola). © Alex Goldblum via iStock

Auch Giganten leben gefährlich

Die Rote Liste der gefährdeten Arten der IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) stuft den Mola mola aktuell als gefährdete Art ein. Der Status ist primär auf die hohen Beifangzahlen in der kommerziellen Fischerei und nicht auf ihre natürlichen Fressfeinde wie größere Haien, Orcas und Seelöwen zurückzuführen. Die genauen Auswirkungen des Beifangs und Möglichkeiten seiner Vermeidung sehen Wissenschaftler als wichtigen Gegenstand zukünftiger Forschungen an.

Obwohl es nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist, gehören Mondfische zu den Kugelfischartigen (Tetraodontiformes). Aufgrund ihres Giftes werden sie nur vereinzelt in Asien als Speisefisch oder für die Verwendung in der traditionell chinesischen Medizin gefangen.

Das Setzen auf Zahlen

Ihre Verwandtschaft zu anderen Kugelfischartigen wie Igelfischen (Diodontidae), Kofferfischen (Ostraciidae) und Kugelfischen (Tetraodontidae) sieht man ihnen nur im Larvenstadium an. Die nur wenige Millimeter großen Larven sind mit zahlreichen Stacheln bedeckt, die sie vor Fressfeinden schützen sollen und sich während ihres Wachstums vollständig zurückbilden.

Dass Mondfisch-Weibchen so winzige Nachkommen zur Welt bringen, hat einen guten Grund: Es ermöglicht ihnen, zeitgleich bis zu 300 Millionen Eier in verschiedenen Entwicklungsstadien bei sich zu tragen. Ein Fruchtbarkeitsrekord im Reich der Fische. Für das Überleben ihrer Art setzen sie damit auf eine hohe Reproduktionsrate. Sie zeugen möglichst viele Nachkommen, um sicherzustellen, dass selbst bei hoher Sterblichkeit eine ausreichende Anzahl überleben wird.

Um sich effektiv gegen Fressfeinde zu schützen, setzen Mondfische auf ein immenses Wachstum und entwickeln sich von den nur 0,25 Zentimeter großen Larven zu mehreren Meter großen Giganten. Mit dem enormen Größenunterschied sichern sie sich einen weiteren Rekord im Tierreich. In Gefangenschaft zeigen größere Mondfische eine Gewichtszunahme bis zu einem halben Kilogramm pro Tag. Über ihre Wachstumsgeschwindigkeit in freier Wildbahn hingegen ist noch wenig bekannt.

Andersartigkeit als Überlebensstrategie

Die Familie der Mondfische (Molidae) ist mit nur drei Gattungen und fünf Arten wirklich überschaubar. In der Gattung Mola gibt es neben dem bekanntesten Mondfisch Mola mola noch zwei weitere Arten: Mola alexandrini, den größten Vertreter der Mondfische und Mola tecta, der erst im Jahr 2017 durch Zufall entdeckt wurde. Außerdem gibt es noch zwei weitere Gattungen, die jeweils nur eine Art enthalten: Masturus lanceolatus, den Spitzschwanz-Mondfisch und Ranzania laevis, der mit Abstand die kleinste Art bildet.

Während Fische im Allgemeinen seit etwa 500 Millionen Jahren auf der Erde existieren und lebende Fossilien wie Quastenflosser seit etwa 400 Millionen Jahren unsere Meere bewohnen, zählen Mondfische mit ihren 50 Millionen Jahren noch zu den evolutionären Neulingen. Trotz oder gerade wegen ihrer Neuartigkeit haben sie sich schnell an ein Nischendasein im Meer angepasst und damit ihr Überleben gesichert.

Von ihrem starren, klobigen Körper bis hin zu ihrer Angewohnheit des Sonnenbadens an der Oberfläche ist an ihnen kaum etwas gewöhnlich. Gäbe es eine Trophäe für die meisten Rekorde im Meer, wären Mondfische ganz vorne mit dabei. Mit ihrem tonnenschweren Gewicht, der mit Abstand höchsten Anzahl ihrer Nachkommen und dem immensen Größenunterschied zwischen Larven und erwachsenen Tieren überholen sie alle anderen Fische. Damit sind sie ein perfektes Beispiel für die hochgradige Diversität und Anpassungsfähigkeit im Meer.

Weiterführende Literatur

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