Gewalt gegen Frauen: „Sich aus einer gewaltvollen Beziehung zu befreien, dauert oft Jahre“ - WELT
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Deutschland Gewalt gegen Frauen

„Sich aus einer gewaltvollen Beziehung zu befreien, dauert oft Jahre“

Politik-Redakteurin
Quelle: Getty Images
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Beleidigung, Kontrolle, sexualisierte Gewalt. Die Übergriffe auf Frauen in Partnerschaften sind vielfältig. Das zeigt eine Befragung der Organisation Terre des Femmes. Doch auch nach dem schweren Prozess einer Trennung endet für viele die Gewalt nicht – gerade, wenn Kinder im Spiel sind.

Die Berichte, die die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes für ihre jüngste Studie zur Partnerschaftsgewalt gesammelt hat, sind bedrückend. So etwa diese Aussage einer Mutter, die sich nach einer gewaltvollen Beziehung vom Vater ihres Kindes getrennt hat – und sich auch danach nie sicher fühlen konnte.

„Durch die Umgänge hat mein Ex-Partner immer eine Möglichkeit, in mein Leben und das Leben meines Sohnes einzugreifen. So entmachtet wie jetzt habe ich mich selbst während des Missbrauchs in der Beziehung mit meinem Ex-Partner nicht gefühlt. Ich werde zu Hause kontrolliert. Ich muss immer wieder in die Beweisleistung treten, dass ich eine gute Mutter bin. Ich muss meinen Sohn zu etwas nötigen, was weder er noch ich wollen.“

848 Frauen mit Gewalterfahrungen in der Partnerschaft hat Terre des Femmes für die Online-Umfrage „Nachtrennungsgewalt und institutionelle Gewalt bei Gewaltbetroffenheit in Umgangs- und Sorgerechtsangelegenheiten“ befragt. Ihre Erfahrungen sind nicht im strengen Sinne repräsentativ, da der Link zum Fragebogen nur über Mailings und nur auf Deutsch zur Verfügung gestellt werden konnte. Doch was die betroffenen Mütter schildern, wirft ein Schlaglicht auf die Probleme, die ihnen auch nach der Trennung drohen – vor allem, weil der gewalttätige Partner über das Sorge- und Umgangsrecht für die gemeinsamen Kinder nach wie vor Zugang zu ihnen hat.

„Sich aus einer gewaltvollen Beziehung zu befreien, dauert oft Jahre und erfordert viel Mut. Die Mütter, die an unserer Umfrage teilgenommen haben, haben das geschafft“, sagt Christa Stolle, Geschäftsführerin von Terre des Femmes. „Doch dann mussten sie feststellen, dass ihre Ex-Partner nicht zulassen, dass sie ein freies, selbstbestimmtes Leben führen. Die Frau und Kind als ihren Besitz ansehen und die nichts unversucht lassen, um Macht und Kontrolle auszuüben.“

Mehr als ein Drittel erlebte sexualisierte Gewalt

Der Umfrage zufolge erlebten Frauen in der Partnerschaft vor allem psychische Gewalt wie Beleidigungen, Demütigungen und Drohungen (94 Prozent), extremes Kontrollverhalten (78 Prozent) sowie körperliche und finanzielle Gewalt (je 60 Prozent). Mehr als ein Drittel erlebte zudem sexualisierte Gewalt – Mehrfachnennungen waren möglich. Der Großteil der Frauen gab an, dass der Ex-Partner gedroht habe, ihnen gerichtlich das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder zu entziehen oder einen Umgang mit den Kindern zu erwirken, den sie für nicht sicher halten.

Quelle: Infografik WELT

Zudem wurde den Müttern auch mit dem Entzug der finanziellen Unterstützung gedroht. 21 Prozent der Väter zahlten keinen, weitere 27 Prozent nur unvollständigen Kindesunterhalt. „Diese Ergebnisse belegen, dass Gewalttäter das Recht auf Sorge und Umgang aktiv missbrauchen, um psychische Gewalt gegen die Mutter auszuüben und sie in Bedrängnis zu bringen“, heißt es in der Studie.

Besonders auffällig seien dabei die von den Müttern als unehrlich wahrgenommenen Angaben, die gewalttätige Väter gegenüber Fachkräften in Umgangs- und Sorgerechtsangelegenheiten äußern. Weit über 80 Prozent der Frauen beklagten demnach, ihr Ex-Partner manipuliere ihr Umfeld, mache gegenüber Fachkräften und Verfahrensbeteiligten unwahre Angaben über ihren Charakter, ihre psychische Gesundheit und ihre Befähigung als Mutter oder werfe ihnen vor, die Beziehung zum Vater zu sabotieren.

Auch von Jugendämtern und Gerichten fühlen viele Mütter sich missverstanden und übervorteilt. Mit 72 Prozent der häufigste Vorwurf, der ihnen gemacht werde: Bindungsintoleranz gefolgt von einer „zu engen“ Mutter-Kind-Bindung mit 54 Prozent. „Man behandelt mich wie eine Schwerverbrecherin. Obwohl ich nichts getan habe. Man wirft mir Bindungsintoleranz vor – also, dass ich nicht in der Lage wäre, den Kontakt zwischen meinem Kind und dem biologischen Vater zuzulassen – dem Mann, der mich vergewaltigt hat“, gab eine Mutter zu Protokoll.

Auch die Berliner Rechtsanwältin Farzana Soleimankehl-Hanke, die seit Jahren Mütter vor dem Familiengericht vertritt, berichtete von einer ungerechten Behandlung betroffener Frauen. Die häufig geäußerte Annahme, Mütter würden in Sorge- und Umgangsprozessen regelmäßig mehr Rechte zugesprochen, teile sie explizit nicht. Und auch Gewalt gegen die Kindesmutter spiele bei der Kindeswohl-Beurteilung vor Gericht eine zu geringe Rolle. „Man orientiert sich in erster Linie am Kindeswohlaspekt, aber der Gewaltaspekt wird vollkommen ausgeblendet.“ Dabei sei Gewalt gegen die Mutter zumindest mittelbare Gewalt gegen das Kind.

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Hier allerdings soll es künftig eine Korrektur geben. In den von Justizminister Marco Buschmann (FDP) vorgelegten Eckpunkten zum Kindschaftsrecht soll künftig explizit festgehalten werden, dass ein gemeinsames Sorgerecht nicht nur bei Gewalt gegenüber dem Kind, sondern auch bei Partnerschaftsgewalt „regelmäßig nicht in Betracht kommen“ soll. Zudem heißt es dort. „Es soll klargestellt werden, dass das Familiengericht den Umgang beschränken oder ausschließen kann, wenn dies erforderlich ist, um eine konkrete Gefährdung des gewaltbetroffenen betreuenden Elternteils abzuwenden.“ Damit komme man auch den Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt nach.

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Johanna Wiest, Referentin für häusliche und sexualisierte Gewalt bei Terre des Femmes, nannte das nicht ausreichend. Auch weiterhin werde etwa ein Umgangsausschluss, der schon jetzt möglich sei, von der Prüfung des individuellen Falles abhängig gemacht. „Das Problem besteht eher in der Rechtspraxis. Es fehlt das Wissen über Täterstrategien und Opferverhalten von Nachtrennungsgewalt.“

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