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Wulff, das Haus und der 500.000-Euro-Kredit

Privathaus von Bundespräsident Wulff Privathaus von Bundespräsident Wulff
Das Privathaus von Bundespräsident Christian Wulff in Niedersachsen. Das Bundespräsidialamt hat einen Bericht zurückgewiesen, wonach er im Verdacht steht, 2010 als Ministerpräsiden...t von Niedersachsen den Landtag von Hannover getäuscht zu haben
Quelle: dapd/DAPD
2008 ließ sich Christian Wulff ein Darlehen von der Frau eines befreundeten Unternehmers geben. Hat er als niedersächsischer Ministerpräsident die Umstände vertuscht?

Ein handtellergroßer Kasten auf der ersten Seite der „Bild“-Zeitung vom Dienstag, es ist eine schlechte Nachricht für Bundespräsident Christian Wulff. „Wirbel um Privatkredit.“ Und: „Hat er 2010 als niedersächsischer Ministerpräsident den Landtag hinters Licht geführt?“ Wulff sah sich offenbar gezwungen, schnell zu reagieren. Noch am selben Morgen verschickte sein Sprecher eine Mitteilung.

Die Anfrage zweier niedersächsischer Landtagsabgeordneter aus dem vergangenen Jahr sei „korrekt beantwortet“ worden , heißt es darin. Das mag stimmen, trotzdem wirft der Vorgang einige Fragen auf.

500.000 Euro für sein Einfamilienhaus

Hintergrund der Angelegenheit ist ein Kredit über eine halbe Million Euro , den Wulff vor drei Jahren aufgenommen hat, um sein Einfamilienhaus in Burgwedel zu finanzieren. Zinssatz: vier Prozent. Die Kreditgeberin ist Wulff gut bekannt: die Ehefrau von Egon Geerkens, einem Geschäftsmann aus Osnabrück, Wulffs Heimatstadt.

Geerkens geht auf die 70 zu, er ist schon lange ein Freund Wulffs. Er war sein Trauzeuge, als der seine erste Frau heiratete. Und er ist Unternehmer, ein Mann mit dem, was man eine schillernde Karriere nennt.

Geerkens soll heute am Vierwaldstätter See wohnen, in der Schweiz. Und in Florida. Ein gelernter Elektriker, der teure Unfallautos reparierte, mit Antiquitäten handelte, einen Juwelierladen hatte und etliche Immobilien besitzt. In Osnabrück geht die Geschichte um, Geerkens habe, um eines seiner Penthäuser auszustatten, eine gewaltige Badewanne mit goldenen Wasserhähnen mit einem Autokran in die sechste Etage hieven lassen.

Er durfte Geerkens Penthouse nutzen

Als Wulff im Jahr 1988 seine erste Frau Christiane heiratete, durfte er jedenfalls Geerkens Penthouse nutzen, hoch über Osnabrück. „Wulff hatte damals nicht das Geld für ein teures Restaurant“, soll Geerkens mal gesagt haben. Er selbst habe finanziell nie einen Vorteil aus der Verbindung gezogen.

Zwei Dinge lassen den Kredit nun brisant erscheinen, den Geerkens Frau Christian Wulff gewährt hat. Erstens: Was jetzt bekannt wird, hat eine Vorgeschichte, die Wulff schon einmal politisch gefährlich wurde. Zweitens: Das Zustandekommen und die Rechtfertigung des Kredits erscheinen vor diesem Hintergrund problematisch.

Seit fünf Jahren ist Wulff von seiner ersten Frau getrennt, seit 2008 wieder verheiratet. Scheidungen sind oft teuer. Zwei Jahre ist es her, dass der Bundespräsident und seine neue Ehefrau Bettina ihren Weihnachtsurlaub in Florida verbracht haben, in einer Villa von Geerkens. Für den Flug dorthin hatte sich das Paar mit beiden Söhnen kostenlos von der Economy-Klasse in die Business-Klasse hochstufen lassen.

Das kam heraus, es brachte Wulff die „Air-Berlin-Affäre“ ein. Dass Air-Berlin-Chef Joachim Hunold zu Christian Wulffs persönlichen Freunden zählt, machte die Sache nicht besser. Ausgerechnet Wulff, der politische Saubermann. So schien es. Die Frage stand im Raum, ob der CDU-Politiker womöglich zu enge Kontakte zu Unternehmern pflegt und daraus persönliche Vorteile zieht.

Grünen stellten eine parlamentarische Anfrage

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Nein, sagte Wulff. Er zahlte den mehrere Tausend Euro teuren Differenzbetrag für das Upgrade später zurück. Und er sagte, er habe das damals gar nicht so richtig mitbekommen. Die Opposition im Niedersächsischen Landtag aber ließ sich dadurch nicht beruhigen.

Im Gegenteil. Wenige Wochen später, im Februar 2010, wenige Monate bevor Wulff zum Bundespräsidenten gewählt wurde, stellten die Grünen eine parlamentarische Anfrage. Sie wollten wissen, ob Wulff geschäftliche Beziehungen zu Air-Berlin-Chef Hunold oder zu Villa-Besitzer Geerkens gepflegt habe.

Wulffs Antwort: nein. Die offizielle Mitteilung: „Zwischen Ministerpräsident Wulff und den in der Anfrage genannten Personen und Gesellschaften hat es in den letzten zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben.“ Es habe keine geschäftlichen Beziehungen zu Geerkens gegeben, sagt Wulff auch heute. So jedenfalls steht es in der Erklärung seines Sprechers vom Dienstag.

„Die Anfrage bezog sich auf geschäftliche Beziehungen zu Herrn Egon Geerkens oder zu einer Firma, an der Herr Geerkens beteiligt war. Solche geschäftlichen Beziehungen bestanden und bestehen nicht.“

Aber das ist nur das eine. Denn in der Erklärung aus dem Präsidialamt steht auch: „Es bestand eine Vereinbarung mit Frau Edith Geerkens zu einem Darlehen aus ihrem Privatvermögen.“ Eine rein private Angelegenheit also.

Geerkens – keine geschäftliche Beziehung

Edith Geerkens, die Kreditgeberin, will es genauso sehen. Auch sie spricht nicht von einer geschäftlichen Beziehung. Sie habe darauf verzichtet, ins Grundbuch des Wulff-Hauses eingetragen zu werden, um so das Darlehen abzusichern. Tatsächlich ist sie dort nicht eingetragen.

Das geht aus einem entsprechenden Auszug hervor, der "Welt Online“ vorliegt. Ein Grundbuch ist in der Regel nicht ohne Weiteres einzusehen, es genießt einen besonderen Schutz. Umso erstaunlicher war deshalb, mit welcher Deutlichkeit der Bundesgerichtshof Mitte August dieses Jahres das Informationsinteresse der Öffentlichkeit über diesen Schutz gestellt hat.

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Der „Spiegel“ hatte Einsicht in das Grundbuch für das Objekt der Wulffs verlangt. Das wurde abgelehnt, der „Spiegel“ zog bis nach Karlsruhe. In der Entscheidung der Richter heißt es, die Redaktion habe den Verdacht gehabt, den Wulffs „seien für den Erwerb des Grundstücks finanzielle Vergünstigungen durch einen bekannten Unternehmer gewährt worden“.

Das Darlehen, so sagt es Edith Geerkens, habe aus ihrer Sicht „keinen Bezug zum Haus der Familie Wulff“ gehabt, sondern wurde „privat zur freien Verfügung gewährt“. Das berichtet „Stern.de“. Trotzdem stehen nun zwei Fragen im Raum. Trennt Wulff sauber genug zwischen politischen und privaten Dingen? Oder gibt es eine Verquickung der beiden Sphären, die seine Unabhängigkeit infrage stellen?

Denn der Kredit ist nicht alles. Man erinnert sich nun wieder daran, dass Christian Wulff die Dinge einmal selbst ganz anders bewertet hat.

"Mit dem Amt des Ministerpräsidenten nicht vereinbar"

1999, Wulff war damals Oppositionsführer in Hannover, Niedersachsens Ministerpräsident hieß Gerhard Glogowski, ein SPD-Mann. Glogowski stand unter Druck. Medien hatten berichtet, Glogowski habe Urlaub auf Kosten des Reiseunternehmens TUI gemacht, das in der Landeshauptstadt ihren Firmensitz hat. Es war noch nichts bewiesen, da machte Wulff seinem Widersacher schon schwere Vorwürfe.

Solch eine Vorteilsannahme sei „mit dem Amt des Ministerpräsidenten nicht vereinbar“. Glogowski verliere seine Unabhängigkeit und damit seine politische Handlungsfähigkeit. Wenig später musste Glogowski als Regierungschef zurücktreten.

Man erinnert sich jetzt auch daran, dass Wulff noch einen anderen denkwürdigen Urlaub machte, diesmal auf Mallorca. Das war kurz nach Wulffs Wahl zum Bundespräsidenten. Die Wulffs erholten sich in der prächtigen Villa des Hannoveraner Finanzunternehmers und Multimillionärs Carsten Maschmeyer. Mit ihm und seiner Ehefrau Veronica Ferres ist das Ehepaar Wulff ebenfalls befreundet. Man habe den üblichen Preis bezahlt, hieß es.

Merkwürdiger Umgang mit wohlhabenden Freunden

Und man erinnert sich auch wieder daran, dass Geerkens nicht zu den Wirtschaftsdelegationen gehörte, die Wulffs Vorgänger als Ministerpräsident, Gerhard Schröder (SPD), oder sein Nachfolger David McAllister (CDU) ins Ausland mitnahmen.

Den Ministerpräsidenten Christian Wulff dagegen soll Geerkens mehrfach begleitet haben. Eine Reise nach China hat Geerkens nach eigener Aussage selbst bezahlt. Es sieht zumindest so aus, als würde Wulff einen merkwürdigen Umgang mit wohlhabenden Freunden pflegen.

Alles sauber getrennt, ein Privatkredit in diesem einen Fall, nichts weiter, so legt es die Erklärung des Präsidialamts vom Dienstag nahe. Die unmissverständliche Anfrage der Grünen-Abgeordneten sei „wahrheitsgemäß verneint“ worden.

Man bekommt allerdings andere Antworten, wenn man sich unter Juristen umhört. Die Kreditvergabe sei natürlich ein geschäftlicher Vorgang unter Privatleuten gewesen. Zudem sei recht eindeutig gewesen, worauf die Anfrage der Grünen im Landtag zielte: nämlich auf etwaige Geschäftsbeziehungen zu Geerkens und seinem nahen Umfeld. Und dazu gehöre auch seine Frau.

Wulff habe wahrscheinlich die politische Pflicht gehabt, diese Frage entsprechend zu beantworten. Stattdessen habe er nur den Teil der Frage beantwortet, der ihn nicht in weitere Erklärungsnot gebracht hätte. So sei die Formulierung zu verstehen, zu Egon Geerkens habe er keine geschäftlichen Beziehungen. Auch die Juristen stellen die Frage: War das Weglassen womöglich eine Täuschung?

"Jeder Volksbankdirektor bekommt mehr als ein Ministerpräsident“

Und was tat Wulff schließlich? Er löste den Kreditvertrag mit Geerkens Frau im Februar vergangenen Jahres durch ein Darlehen bei der Baden-Württembergischen Bank in Stuttgart ab, obwohl der laut „Bild“-Zeitung noch bis zum Jahr 2013 gelaufen wäre. Und das nur wenige Tage nach der Anfrage im Parlament. Die Bankfinanzierung habe es zu einem „niedrigeren Zinssatz“ gegeben. Auch das lässt Wulff erklären.

Es gibt schließlich noch etwas, woran man sich nun erinnert. Wulff hat einmal offen über seine finanzielle Lage gesprochen, in einem langen Interview mit dem Journalisten Hugo Müller-Vogg, für eine Art Biografie, die vor vier Jahren erschien.

Er verdiene weniger, als man denken könnte, weniger als 120.000 Euro im Jahr, sagte Christian Wulff. „Jeder Direktor der Sparkasse, jeder Volksbankdirektor bekommt mehr als ein Ministerpräsident.“ Er wolle sich „keineswegs“ beschweren. „Ich habe mich immer gefragt: Was erwarten die Bürger von glaubwürdiger Politik? Und mein Empfinden war immer: Die erwarten vor allem, dass die da oben bei sich anfangen.“

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