Manuel Valls: Wie ein französischer Ex-Premier Barcelona rettete - WELT
WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Politik
  3. Ausland
  4. Manuel Valls: Wie ein französischer Ex-Premier Barcelona rettete

Ausland Katalonien

Der französische Ex-Premier, der Barcelona vor den Separatisten rettete

Die Spanier lieben und hassen ihn: Frankreichs Ex-Premier Manuel Valls hat Barcelona als seine Heimat wiederentdeckt Die Spanier lieben und hassen ihn: Frankreichs Ex-Premier Manuel Valls hat Barcelona als seine Heimat wiederentdeckt
Die Spanier lieben und hassen ihn: Frankreichs Ex-Premier Manuel Valls hat Barcelona als seine Heimat wiederentdeckt
Quelle: AFP
Frankreichs ehemaliger Regierungschef Manuel Valls trat bei den Kommunalwahlen in Barcelona an. Nun war seine Stimme entscheidend, um die katalanischen Separatisten von der Macht fernzuhalten. Doch damit handelte er sich auch Ärger ein.

Einst war er Frankreichs Premierminister, nun ist er Stadtrat in Barcelona. Ein steiler Abstieg, möchte man meinen, doch Manuel Valls weiß ihn in einen heroischen Triumph zu verwandeln –wird doch der Politiker, den in Frankreich niemand mehr sehen mochte, in Spanien als der Mann gefeiert, der Barcelona gerettet hat, indem er das dortige Rathaus vor den katalanischen Separatisten bewahrte.

In dem Land, das seit zwei Jahren von der Katalonienkrise paralysiert wird, gilt das vielen als Großtat. Und einigen, merkwürdigerweise nicht nur den Separatisten, als Verrat.

Barcelona hatte immer den Ruf, mehrheitlich gegen die Unabhängigkeitsbewegung zu sein, viele Spanier, auch Katalanen, halten die Hauptstadt Kataloniens für ein Bollwerk gegen den katalanischen Nationalismus. Dass dort ein Separatist Bürgermeister werden und die bisher auf Vielfalt setzende Stadtpolitik radikalisieren könnte, wäre ein Albtraum. Doch als bei den Kommunalwahlen Ende Mai die Republikanische Linke, eine Partei der Unabhängigkeitsverfechter, die meisten Stimmen bekam, schien er Wirklichkeit zu werden.

Ausgerechnet der große Verlierer dieser Kommunalwahl hat das nun verhindert. Manuel Valls, in Barcelona geboren und in Frankreich aufgewachsen, wollte eigentlich selbst Rathauschef werden. Für seine überraschende Kandidatur erntete der 56-Jährige viel Spott. Hatte er doch den Ruf, Frankreichs unbeliebtester Politiker gewesen zu sein, ein glückloser noch dazu. Die Sozialisten haben ihn rausgeworfen, bei Macrons République En Marche konnte er nicht landen.

Dass er sich plötzlich auf seine spanischen Wurzeln besann und Barcelona als seine Heimat wiederentdeckte, hat Valls stets mit seinem Engagement gegen Nationalismus und Populismus erklärt. Er wolle verhindern, dass dieses so europäische Barcelona in die Hände der Separatisten falle. Beobachter erklären sich diesen Missionseifer allerdings auch mit der neuen Frau in Valls Leben: eine sehr wohlhabende katalanische Industrieerbin und erklärte Gegnerin der Unabhängigkeitsbewegung.

Das Rathaus jedenfalls eroberte Valls nicht, trotz der Unterstützung der liberalen Ciudadanos, die den Parteilosen als ihren Trumpfkandidaten ins Rennen schickten. Valls kam im Kampf um den Bürgermeisterposten nur auf Platz vier und muss sich nun mit einem Sitz im Stadtparlament begnügen.

Exklusiv für Abonnenten

Doch mit diesem bescheidenen Mandat rettete er nun das Rathaus: Valls’ Stimme war ausschlaggebend dafür, dass die linksalternative Bürgermeisterin Ada Colau dank einer parteiübergreifenden Unterstützung weiterregieren kann und nicht der Kandidat der Separatisten, Ernest Maragall, das Rathaus übernimmt.

Dafür wird Valls nun gefeiert. Aber auch gehasst – und das nicht nur von den Anhängern der Unabhängigkeitsbewegung, die sofort gegen die neue Stadtregierung auf die Straße zogen. Den meisten Ärger hat Valls mit der Partei, die ihn eigentlich unterstützt hat. Das mag nicht ungewöhnlich bei Valls sein, der sich auch mit seinen französischen Parteikollegen nichts geschenkt hat. Typisch aber ist der Streit vor allem für Spanien, wo man im Schmieden von Parteienbündnissen ziemlich ungeübt ist.

Ciudadanos, die einst gegründet wurden, um die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien zu bekämpfen, wollen nun keineswegs in den Chor einstimmen, der Valls als Helden von Barcelona preist. Im Gegenteil: Wegen seiner Unterstützung der Bürgermeisterin haben Ciudadanos mit Valls gebrochen. Sie ist den Liberalen zu links, zu populistisch. Viele halten sie für genauso „sektiererisch“ wie die Separatisten. Richtig ist: Colau will zwar, dass die Katalanen das Recht haben, ein Referendum über die Unabhängigkeit abzuhalten, doch sie ist gegen die Abspaltung von Spanien.

Anzeige

Valls jedenfalls scheint den Bruch mit den Liberalen geradezu zu genießen, erlaubt er ihm doch, nun höchst medienwirksam mit Ciudadanos abzurechnen: Die Partei sei im vergangenen Jahr nach rechts gerutscht, erklärte Valls auf einer Pressekonferenz. Während sie ihm Vorhaltungen mache, Bündnisse zu schließen, die immerhin die separatistische Macht eindämmten, setze sie auf Rechtspopulisten: Ciudadanos sei eine liberale, europäische Partei gewesen, „jetzt paktiert sie mit einer reaktionären und antieuropäischen Gruppierung“. Das sei eine „unverantwortliche Strategie“.

Erstmals ultrarechte Partei in spanischem Abgeordnetenhaus

Erstmals seit dem Ende der Franco-Diktatur ist eine ultrarechte Partei in einem spanischen Abgeordnetenhaus vertreten. Und die Partei Vox wird auch gleich eine entscheidende Rolle bei der Regierungsbildung spielen.

Quelle: WELT/Kevin Knauer

Tatsächlich beabsichtigen Ciudadanos nach den Kommunalwahlen in Madrid eine Koalitionsregierung mit den Konservativen, die auf die Unterstützung von Vox, der neuen ultrarechten Partei, angewiesen ist. Eine Konstellation, wie sie die Region Andalusien vorgelebt hat: Konservative und Liberale regieren, Vox besorgt die Stimmenmehrheit. „Wer sich auf Vox einlässt, wird sich die Hände schmutzig machen müssen und irgendwann auch die Seele“, sagte Valls in einem Interview mit der „El País.“

Für die Liberalen ist diese Kritik unangenehm, zumal Valls auch die Europakarte spielt. Er habe viel mit den Leuten von République En Marche geredet, deutete Valls in dem Interview an. Mit der von Frankreichs Präsident Macron gebildeten Bewegung gehört Ciudadanos zur Gruppe der Liberalen im Europaparlament. Von En Marche gibt es seit Langem harsche Kritik an dem Rechtskurs der spanischen Liberalen, und auch die französische Regierung teilte kürzlich mit, dass „eine Allianz mit der extremen Rechten, wie wir sie in Spanien sehen, keine Option“ sei. Ciudadanos werden also bei den europäischen Liberalen wohlmöglich nicht die bedeutende Rolle spielen, die sie sich erhofft hatten.

Und Valls tut offenbar alles, um an dieser Niederlage mitzuwirken. So viel Einfluss kann ein einfacher Stadtrat haben.

Exklusiv für Abonnenten

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema