Es ist kein Zufall, dass sich der amerikanische Westen so problemlos �ber die Landkarte von Tatooine st�lpen l�sst, dass die Sandleute so gut als gef�hrliche Indianer, die Cantina als Saloon und Cad Bane als 12-Uhr-Mittags-Protagonist taugen. Neben den Science-Fiction-Comics aus George Lucas' Jugend, den 30er-Jahre-Fortsetzungskinofilmchen rund um Buck Rogers und Flash Gordon, Akira Kurosawas gelebten Geschichtswelten und der Heldenreise Joseph Campbells ist auch der Western eine der unersch�pflichen Quellen, aus denen der Krieg der Sterne seine Ikonen bezogen hat.
George Lucas selbst formulierte die Westernurspr�nge seines Sternenkriegs in einem Interview f�r die Ausstellung The Magic of Myth 1996 so:
Nachdem ich American Graffiti fertiggestellt hatte, wurde mir klar, dass seit dem Niedergang des Westerns kaum Werke der mythischen Phantastik ihren Weg zum Kinopublikum gefunden hatten. Ich war besessen von dem Gedanken, wodurch wir diesen au�er Mode gekommenen Mythos ersetzen k�nnten.
Dabei passen Drachent�ter, Prinzessinnen und Cowboys im Krieg der Sterne nicht ohne Grund so nahtlos zueinander, war der Western doch selbst nie so sehr Historiengem�lde denn moderner amerikanischer Mythos. Seine Helden lebten nach den gleichen zeitlosen Geboten wie Jahrtausende vorher die Argonauten, die Sieben gegen Theben oder die Krieger im Nibelungenlied. Der Cowboy des Westerns taugt nicht zum Kuhhirten, sehr wohl hingegen zum einsamen Helden, der aus seiner kleinen, endlosen Welt in die Gebiete jenseits seines Horizonts aufbricht, um � je nach Lesart � entweder f�r das Gute und Gerechte zu k�mpfen und b�se Tyrannen zu st�rzen, seien sie nun machthungrige Rinderbarone, grausame Banditen oder wilde Indianer, oder der amerikanischen Zivilisation im Sinne des Amerikanischen Exzeptionalismus als Gegenentwurf zur transatlantischen im reinigenden Feuers des ewigen Kampfes gegen die mystifizierte Wildnis zu beispielloser Kraft zu verhelfen.
Im Zentrum des Westernmythos stand dabei stets der gro�e amerikanische Traum, die Vorstellung der Grenze, der Frontier, als zeit- und grenzenlosem Nicht-Ort jenseits des Sonnenuntergangs, unerreichbar fern und doch erreichens- und eroberungswert.
An diesem geheimnisvollen Ort hinter dem Horizont war alles m�glich, sodass man aus einem reichen Bilderschatz sch�pfen konnte. Der einzige Ort, der dies heute noch bietet, ist der Weltraum. Das ist unsere Grenze.
-George Lucas
Kein Western-Regisseur hat den Mythos Grenze in so unvergesslichen Bildern verewigt wie John Ford, der der Wildnis durch seine Kavallerie-Trilogie (Bis zum letzten Mann, Der Teufelshauptmann, Rio Grande) und in gesteigerter Weise in seinem vielleicht gr��ten Meisterwerk Der schwarze Falke ein Denkmal zu setzen wusste.
Eben diesen Film w�hlte Lucas zum Vorbild, um seine Grenze - seinen Planeten, der am weitestens vom hellen Zentrum des Universums entfernt liegt - zum Leben zu erwecken. Zwar erw�hlte er seinen Farmern die tunesische W�ste anstelle des amerikanischen Monument Valleys zur Heimat, doch orientierte er sich ansonsten eng an Fords Klassiker: Seinem Farmerehepaar gab er den Namen Lars - bei Ford gibt es einen Farmer namens Lars Jorgensen -, bevor er dessen Farm in deutlicher Anlehnung an Fords Film niederbrannte.
Sieht man sich dann die fr�hen Drehbuchentw�rfe von Krieg der Sterne an, findet man bereits im 2. Drehbuchentwurf weitere Parallelen zu Fords Klassiker, die erst 2002 in Angriff der Klonkrieger endg�ltig umgesetzt werden sollten:
Ford erz�hlt in seinem Film von einem M�dchen, das von den Komantschen geraubt wird und von der Suche nach diesem Kind. In Lukes Familie gab es, als der noch Starkiller hie�, eine Leia Lars. Am Ende jenes 2. Drehbuchentwurfs fand sich der Hinweis, der n�chste Film werde die "Suche nach der Prinzessin von Ondos" behandeln, die - so l�sst sich zumindest mutma�en - diese fr�he Leia-Variante wohl in Wahrheit war. W�re es so gekommen, h�tte Krieg der Sterne II gute Chancen gehabt, zu einer galaktischen Variante des Schwarzen Falken zu werden.
Stattdessen griff Lucas erst in Angriff der Klonkrieger auf das alte Entf�hrungsszenario zur�ck und inszenierte die fehlgeschlagene Rettung von Shmi Skywalker in enger Anlehnung an Fords Klassiker. Das Lager seiner Sandleute legte er exakt so in die W�ste Tatooines wie Ford einst sein Komantschenlager im Monument Valley platzierte. Wo Anakin allerdings nur seine sterbende Mutter findet, bringt John Wayne Natalie Wood relativ unbeschadet heim.
Wie gef�hrlich die Tatooine-Komantschen f�r die Siedler der W�stenwelt sind, sollte Luke urspr�nglich in einem kurzen Gespr�ch mit seinem alten Freund Biggs Darklighter erz�hlen:
Unter den Sandleuten hat es sehr viel Unruhe gegeben, seit Du weggegangen bist, Biggs. Sie haben sogar die Au�enbezirke von Anchorhead �berfallen.
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Sieht man sich abseits der Larsfarm auf Tatooine um, begegnen einem weitere Westernelemente: Selbst wenn man die Banthas nicht als Tatooine-B�ffel sehen will, sind die �hnlichkeiten der Cantina mit einem Wild-West-Saloon genausowenig zu �bersehen wie Obi-Wans Auftritt als Sheriff im Stile Gary Coopers in 12 Uhr mittags, John Waynes in Rio Bravo oder Robert Mitchums in El Dorado. Das Drehbuch f�r die letzten beiden Film schrieb �brigens Leigh Brackett, die bis kurz vor ihrem Tod 1978 die erste Drehbuchfassung von Das Imperium schl�gt zur�ck erarbeitete. Dass Lucas sich hier neben ihren Science-Fiction-Liebesromanen auch ihre Westernerfahrungen zunutze machen wollte, l�sst ihr Drehbuchentwurf zumindest in den Szenen auf dem sp�teren Bespin vermuten, wo "hochgewachsene, edel aussehende Kriegern [mit] Druckluft-Pfeilwaffen" auftauchen, die "auf riesigen, blassen Teufelsrochen durch die Luft [reiten]" und einen "H�uptling" haben, der dem "Wei�en-Vogel-Klan des Wolkenvolkes" vorsteht. Als Indianer-Ersatz h�tten die Sandleute damit ernste Konkurrenz bekommen.
Der Revolverheld des ersten Kriegs der Sterne ist - fr�her un�bersehbar, seit der Special-Edition zumindest noch erahnbar - Han Solo, den Lucas in seinem Drehbuch wie folgt beschrieb:
Ein rauer Raumpilot von der Art eines James Dean, etwa 25 Jahre alt. Ein Cowboy in einem Raumschiff: Einfach, sentimental und felsenfest von sich �berzeugt.
In bester Westernmanier gibt Lucas seinem Revolverhelden dann in Das Imperium schl�gt zur�ck den klassischen Gegenspieler: Einen echten Kopfgeldj�ger in bester Sergio-Leone-Tradition, dem seither mit Durge und Cad Bane weitere mehr oder minder direkte Nachfolger von Lee van Cleefs Douglas Mortimer folgten.
Und auch im gro�en Finale der Klassischen Trilogie fahren wieder Westernszenen auf: Jabbas Palast ist die ideale Kaschemme wie sie sich jeder Western �ber eine Stadt im W�rgegriff einer Verbrecherbande w�nschen w�rde, Lukes Auftritt als schwarzer R�cher aus der W�ste passt entsprechend perfekt ins Bild.
Und auch der gro�e Showdown �ber der Sarlaccgrube greift das zentrale Westernbild �berhaupt auf, das Duell zwischen dem Helden und dem Schurken. Eine Hauptstra�e mit vorbeifliegenden Strohballen mag es nicht geben, aber die Inszenierung des schnellen Griffs zur Waffe ist bestes Westernmaterial, von der wilden Schie�erei im Anschluss mal ganz zu schweigen.
Als George Lucas anderthalb Jahrzehnte nach Die R�ckkehr der Jedi-Ritter zum Krieg der Sterne zur�ckkehrte, kn�pfte er bewusst nicht an den Stil seiner ersten drei Filme an, sondern ersetzte den romantischen Kampf zwischen Gut und B�se, der Westernelementen viel Raum geboten hatte, durch sehr viel komplexere und gleichzeitig prosaischere Motive aus der Science-Fiction. Deutlich wird das beispielsweise an den Gunganern, die unter nur wenig anderen Vorzeichen als unterdr�ckte Unterwasserindianer ihrem pers�nlichen Sitting Bull in den Kampf gegen L�nderdiebe und Eindringlinge h�tten folgen k�nnen. Stattdessen spielte Lucas lieber die Symbiose-Karte aus und machte sein Unterwasservolk zu Science-Fiction-K�mpfern f�r ein kulturelles Miteinander und gegen die lebensfeindliche Technik. Der Film-Winnetou w�re sicher stolz, doch weitere Western-Verbindungen sucht man hier vergebens.
Selbst auf dem Planeten, der einst Lucas' und Lukes Grenzwelt war, hat sich der Fokus un�bersehbar verschoben. Wo Lukes Sonnenuntergang die romantische Sehnsucht nach Abenteuern jenseits des Horizonts vermittelte, ist Anakins Blick in die Sterne von einer sehr n�chternen Debatte �ber Planetensysteme und ihre Zahl begleitet. Auch hier w�re Lucas eine westernhaft-romantische Gewichtung leichtgefallen, doch Anakins Welt ist, anders als Lukes, eine technisch-rationale. So sind auch die Sandleute, die einst die Wildheit der Grenze verk�rperten, hier nur Sci-Fi-Staffage, w�hrend Anakins technisches K�nnen, seine wissenschaftlich �berpr�ften Blutwerte und sein soziales Umfeld die zentrale Rolle einnehmen. Sogar Qui-Gons kurzer Ritt auf einem Eopie bedient, zusammen mit Darth Mauls Gleiterradeinsatz, das Natur-gegen-Technik-Thema und nicht die Westernromantik eines Cowboys auf seinem Pferd im Sonnenuntergang.
In Angriff der Klonkrieger zitierte Lucas dann, wie oben gesehen, zwar Fords Der Schwarze Falke, doch �bernahm er bewusst nur die Bildwelten seines Vorbilds, nicht dessen eigentliches Thema: Im Schwarzen Falken gelingt es den Rettern, die Wildheit der Grenze zu �berwinden und die lange Jahre in dieser Wildheit gefangene Natalie Wood nach Hause zur�ckzubringen. Hier siegt die Zivilisation, so sehr zum Schaden der "Wilden" wie zu dem von John Waynes Figur, die als Kind dieser verhassten Wildnis nach deren Untergang allein zur�ckbleibt. Das Ende des Films bringt das Ende der Pionierzeit und den Beginn der Moderne.
Lucas hingegen nutzte seine Sandleute, um Anakins Weltanschauung ihre Grenzen aufzuzeigen: Die Wildnis, die die Sandleute verk�rpern, ist Akt und Ausl�ser von Irrationalit�t, der Anakin mit dem Tod seiner Mutter erliegt, anstatt sie zu �berwinden. Nicht ohne Grund gesteht er seine Tat danach ausgerechnet in einer Werkstatt und bekennt dabei, nicht in der Lage gewesen zu sein, das "Wilde" in sich selbst zu reparieren. Anakins Welt der Technik und der Vernunft wurde auf die Probe gestellt, und Beides konnte ihm hier nicht helfen. Was beibt, ist Padm�, Anakins personifizierte Irrationalit�t. Nicht die Pionierzeit endet hier, sondern die �ra der kontrollierten Gef�hle.
Mit Die Rache der Sith trieb Lucas seine Umdeutungen dann auf die Spitze: In bester Sergio-Leone-Manier stehen sich Obi-Wan und Grievous gegen�ber, doch was sich da anstarrt, sind nicht zwei Revolverhelden wie einst �ber der Sarlaccgrube, sondern �bersteigerte Technik und kontrollierte Natur. Dass Obi-Wan am Ende die Waffe der k�nftigen Revolverhelden nutzt, um diesen Kampf zu entscheiden, ist als ironischer Schlusspunkt schwerlich zu �berbieten.
Und doch gibt es ihn, den Kampf der Revolverhelden: Als eigentlich schon alles verloren ist, als die sterile Sci-Fi-Welt bereits Tr�mmern liegt, werden aus den kalt abw�genden H�tern von Frieden und Gerechtigkeit pl�tzlich doch noch traditionelle Helden, die entsprechend traditionell in ihre letzten Gefechte ziehen. Mit einem Wyatt-Earp-w�rdigen Aufmarsch im B�ro des Kanzlers wird das Zeitalter der Romantik im Sternenkrieg eingel�utet.
Nach diesem ebenso heldenhaften wie nutzlosen Kampf k�nnen sowohl das Duell von Yoda und Palpatine, als auch der Kampf zwischen Obi-Wan und Darth Vader als R�ckkehr zum Mythos des Westerns betrachtet werden. Aus dem Sonnenuntergang der alten Welt tauchen die letzten Streiter f�r das Gute auf, um sich - bewusst gef�hlsbezogene - Gefechte auf Leben und Tod zu liefern, die jedoch - eher von Fatalismus, als von Hoffnung getragen - am Ende in kaum mehr als einer Pattsituation enden. Wer �brig bleibt, ist Darth Vader, die irrationale Technik auf zwei Beinen.
Am Ende der Trilogie steht der Anfang des Westerns im Krieg der Sterne: Ein neuer Blick in den Sonnenuntergang, hinaus zu jenem "geheimnisvollen Ort hinter dem Horizont", wo eines fernen Tages wieder alles m�glich sein wird. Mit Blick auf die gesamte Saga, siegt am Ende der Mythos - auch der des Westerns - �ber Rationalit�t, Technik und Science-Fiction.
Mit Krieg der Sterne wollte Lucas das in Vergessenheit geratene Westerngenre in eine neue Dimension f�hren und seinen Kernmythos weitertragen, mit neuen Cowboys an einer neuen Grenze. Eine neue Generation sollte endlose Abenteuer jenseits der greifbaren Welt erleben und den alten Kampf zwischen Gut und B�se, Revolverheld und Bandit, Siedler und Indianer in neuem, zeitgem��em Gewande kennenlernen. Blickt man nur auf den ersten Krieg der Sterne, ist Lucas dies auf grandiose Weise gelungen, bot dieser Film doch alles auf, was Westernherzen h�herschlagen lie�, von der Farm in der Wildnis bis zum Showdown am O.K. Corral des Todessterns. Mit dem Film Krieg der Sterne wurde in der Tat ein neuer Typ Western geschaffen.
L�sst man seinen Blick aber vom Film zur Saga weiterschweifen, auf die anderen 5 Kinofilme, die Serien, Computerspiele, Comics und Romane, so muss man konstatieren, dass in der weit entfernten Galaxis heute andere Elemente den Ton angeben. Von der einstigen Weite unter den Zwillingssonnen Tatooines ist in einer Welt, in der inzwischen jeder jeden zu kennen scheint, nur noch wenig geblieben. Klontechnologie, Raumschiffe, Droiden und Jedi-Magie sind heute die Markenzeichen von Krieg der Sterne. Der Western liegt dort wieder einmal auf dem Totenbett.
Und ist doch - nicht zuletzt die Popularit�t Cad Banes hat es bewiesen - wie eh und je nicht totzukriegen.
Dieser Text entstand urspr�nglich zur Einordnung unseres Star-Wars-Western-Aprilscherzes 2011.
25.05.1944 - geb.: Frank Oz (Yoda)
25.05.1977 - US-Kinostart Episode IV
25.05.1983 - US-Kinostart Episode VI
26.05.1913 - geb.: Peter Cushing (Tarkin, gest. 1994)