Rede des Bundesministers der Finanzen, Hans Eichel,

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Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Deutschland steht am Anfang des 21. Jahrhunderts vor großen Herausforderungen: die deutsche Einheit zu gestalten – wir sind auf halbem Wege; wir brauchen noch eine halbe Generation; die Einheit zu vollenden haben wir uns mit dem Solidarpakt II vorgenommen –, die europäische Einheit mit zu gestalten, offensiv in den Binnenmarkt hineinzugehen – das wird eine Menge von Verhaltensänderungen auch in unserem Lande erfordern –, die Situation Deutschlands und vor allem die Situation der deutschen Wirtschaft in einer globalisierten Welt zu stärken – dies alles vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft.

In der Mitte dieses Jahrhunderts wird sich die Zahl der Älteren, die dann Rentenempfänger sein werden, im Verhältnis zu der Zahl derer, die dann Beitragszahler sein werden, verdoppelt haben. Dies wirft schwerwiegende Fragen nach der Generationengerechtigkeit in unserer Gesellschaft auf, die nicht einfach zu beantworten sind.

Deutschland braucht deshalb am Beginn des 21. Jahrhunderts tief greifende Reformen. Die Regierung Schröder hat damit begonnen. Wir waren dabei erfolgreich. Man muss immer wieder daran erinnern: Wenn Sie mit der Haushaltskonsolidierung begonnen hätten, hätten wir heute eine Reihe von Problemen weniger.

Die Haushaltskonsolidierung können Sie an Zahlen ablesen. 1999, als ich das Amt antrat, waren 21,4 Prozent unserer Steuern für Zinsen zu zahlen. Wir sind im nächsten Jahr bei 19 Prozent. Diese Differenz von 2,4 Prozentpunkten ist der Konsolidierungsgewinn der letzten vier Jahre. Er wurde mühselig erarbeitet, und zwar von uns und nicht von Ihnen. Sie haben das nicht zuwege gebracht.

Wir haben, entgegen der Mär, die Sie noch immer verbreiten, obwohl der Wahlkampf längst vorbei ist, auf der Ausgabenseite konsolidiert. Der Bundeshaushalt 1998 hatte am Bruttoinlandsprodukt einen Anteil von 12,1 Prozent. Der Bundeshaushalt des Jahres 2003 hat einen Anteil von 11,3 Prozent. Das sind 0,8 Prozentpunkte beziehungsweise 16 Milliarden Euro weniger. Das ist die Konsolidierung auf der Ausgabenseite, die Sie nicht zuwege gebracht haben.

Der Staat spart bei sich selber. Im Bereich des öffentlichen Dienstes haben schon Sie damit begonnen – das will ich an dieser Stelle gerne sagen – und wir haben das konsequent weitergeführt: 1998 hatten wir 314.000 Beschäftigte beim Bund, im Jahre 2002 noch 288.000. Die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Bundes liegt im wiedervereinigten Deutschland also unter der Zahl, die die alte Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung an Beschäftigten aufzuweisen hatte. Das ist unser Konsolidierungserfolg.

Wir haben die entscheidende Rentenstrukturreform gemacht: Neben die umlagefinanzierte Rente tritt die kapitalgedeckte Eigenvorsorge, die steuerlich gefördert wird. Das war eine grundlegende Weichenstellung. Kein anderes großes Land auf dem Kontinent hat bisher eine solche Rentenstrukturreform geschafft.

Bei allen Problemen, die wir in diesem Winter bekommen werden – ich komme noch darauf zu sprechen –, will ich daran erinnern: Wir haben Arbeitslosigkeit abgebaut und Beschäftigung aufgebaut. Sie wollen das alles vergessen. Lassen wir einmal die Zahlen sprechen: Von 1994 auf 1998 ist die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland, und zwar immer zum ersten Halbjahr, um 106.000 gestiegen und von 1998 auf 2002 um 1,3 Millionen. Das ist der Zugewinn an Beschäftigung in unserer Regierungszeit.

Wir haben die Erwerbstätigenquote in Deutschland spürbar erhöht: Im Jahr 1994 lag sie bei 64,7 Prozent, im Jahr 1998 – damals haben wir die Regierung übernommen – bei 63,9 Prozent und im vergangenen Jahr – das sind die neuesten Zahlen – bei 65,7 Prozent. Das ist die Bilanz unserer Beschäftigungspolitik. Dass wir im Winter Probleme bekommen, weiß ich auch, aber man muss auch erkennen, dass wir weiter vorangekommen sind als Sie.

Wir sind durch die Wachstumsschwäche in 2001 und 2002 zurückgeworfen worden. Aber wir als die größte Volkswirtschaft in der Europäischen Union mit der stärksten Exportverflechtung aller großen Volkswirtschaften in der Europäischen Union sind durch die bisherige Wachstumsschwäche der Weltwirtschaft besser hindurchgekommen als die beiden anderen großen Industrienationen dieser Erde. Japan hatte 2001 minus 0,1 Prozent zu verzeichnen, die USA – sie werden von Ihnen immer als Vorbild propagiert – plus 0,3 Prozent und Deutschland – die Zahlen waren auch nicht gerade toll – plus 0,6 Prozent. Das ist doppelt so viel wie die Vereinigten Staaten. Das ist unsere Lage in der Weltwirtschaft.

Wir haben das im Bundeshaushalt im Jahr 2001 trotz zwei Prozent weniger Wachstum, als alle Institute vorausgesagt haben, mit einer Punktlandung verkraftet. Die Probleme im vergangenen Jahr, die mir die Diskussion um den blauen Brief im Frühjahr eingetragen haben, waren nicht vom Bund gemacht; die Länderhaushalte sind im vergangenen Jahr aus dem Ruder gelaufen. Das ist die Wahrheit. Im Jahr 2002 allerdings, im zweiten Jahr der Wachstumsschwäche, konnten wir nichts mehr daran ändern, dass es auch den Bundeshaushalt getroffen hat, und zwar, anders als die Länderhaushalte, die nur auf der Einnahmeseite getroffen sind, auf der Einnahmeseite wie auch, weil wir für den Arbeitsmarkt und die sozialen Sicherungssysteme verantwortlich sind, auf der Ausgabenseite.

Man muss deutlich sagen: Die Veränderungsrate beim Defizit in Deutschland lag von 2001 auf 2002 bei einem Prozent. Ich vergleiche das mit dem, was 2001 in Europa war und 2002 nach den Prognosen der Europäischen Kommission sein wird. Das Defizit ist um einen Prozentpunkt von 2,8 auf 3,8 Prozent gestiegen. Dabei kommt heraus, dass acht Länder in der Europäischen Union eine weitaus stärkere Zielverfehlung als Deutschland haben. Diese Länder aber hatten günstigere Ausgangsbedingungen. Bei uns war dies nicht der Fall. Das ist unser Problem. Das heißt, wir sind bei der Konsolidierung in einer Phase erwischt worden, als wir noch keinen ausgeglichenen Haushalt hatten. Das ist größtenteils der "Erfolg" Ihrer Politik in den 90er Jahren. Bei acht Ländern ist die Abweichung in der Wachstumsabschwächung auf den Staatshaushalt zum Teil dramatisch stärker durchgeschlagen als bei uns: Luxemburg, Schweden, Irland, Österreich, Großbritannien, Frankreich, Finnland und Dänemark. All diese Länder haben eine stärkere Abweichung als wir. Ihr dauerndes Gerede, wir seien das Schlusslicht in Europa, ist schlicht Unfug.

In diesem Winter wird die Arbeitslosigkeit, wie ich fürchte, wieder deutlich über vier Millionen steigen. Herr Hundt sprach heute Morgen von 4,3 Millionen Arbeitslosen. Aber auch dann gilt: Es sind 500.000 Arbeitslose weniger als im Winter 1997/98, als Sie die Verantwortung trugen. Das wollen wir nicht vergessen. Wir lassen es auch nicht zu, dass es vergessen wird. Das heißt nicht, dass man nicht alles dagegen tun muss. Aber das heißt auch, alles dagegen zu tun, was Sie an Falschmünzerei in die öffentliche Debatte in Deutschland bringen. Mit uns nicht!

Auch wenn die Ausgangslage schwieriger geworden ist, bleibt es dabei: 2006 wird es einen ausgeglichenen gesamtstaatlichen Bundeshaushalt geben. 2003 werden wir alle Anstrengungen unternehmen – unser Konzept beweist dies –, um wieder unter die Defizitgrenze von drei Prozent zu kommen. Sie und Ihre Landesregierungen werden daran gemessen werden, ob Sie dazu Ihren Beitrag leisten. Dem werden Sie nicht mehr lange ausweichen können.

Diesen Kurs einzuhalten – so schwierig das auch ist – ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass wir unserer Verpflichtung im Rahmen des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes und für unsere gemeinsame Währung nachkommen. Damit geben wir der Europäischen Zentralbank die Möglichkeit, mit der Geldpolitik zum Wachstum beizutragen. Voraussetzung dafür ist die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Dies ist auch gegenüber unseren Kindern und Enkeln angesichts einer alternden Gesellschaft unsere Verantwortung.

Der Weg freilich wird anstrengender. Der Nachtragshaushalt 2002 bringt – natürlich hat mir das keine Freude gemacht – eine massive Erhöhung der Neuverschuldung über das hinaus, was ich geplant hatte: von 21,1 auf 34,6 Milliarden Euro. Im Rahmen von Art. 115 des Grundgesetzes liegt dem eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zugrunde.

Es gibt keinen anderen vernünftigen Weg. Als sich die Situation abzeichnete, wäre andernfalls ein Gegensteuern in einem sich abflachenden Wirtschaftswachstum nur noch durch das Stilllegen einer Reihe von Investitionsvorhaben möglich gewesen. Ich kenne keinen Ökonomen, insbesondere nicht unter denen, die intensiv am europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt festhalten, wie auch ich das tue, die das für eine vernünftige Alternative gehalten hätten.

Hier gilt, dass die automatischen Stabilisatoren wirken müssen. Das heißt, dass man in einer konjunkturellen Schwächephase die Mindereinnahmen, die sich durch geringere Steuereinnahmen ergeben, und die Mehrausgaben, die man für den Arbeitsmarkt braucht, hinnehmen muss, um in der nächsten Aufschwungsphase umso konsequenter zu konsolidieren. Genau das machen wir.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich einige Sätze zu der unsäglichen Diskussion sagen, die heute Morgen in dem von Herrn Altmaier geäußerten Vorwurf der Bilanzfälschung gipfelte. Ich weiß nicht, ob Ihnen noch bewusst ist, wohin Sie sich mit einer solchen Verrohung der politischen Sprache in diesem Land begeben. Glauben Sie, dass es besser würde, wenn ich mit dem Begriff "Verleumder" antworten würde?

Wer so die Politik in diesem Lande gestaltet, hat zwar nicht dieselbe ökonomische Basis wie die Weimarer Republik geschaffen, aber er hat einen fundamentalen Fehler von Weimar wiederholt, nämlich sich selber, die politische Klasse insgesamt, kaputtzumachen. Das aber tun Sie! Hans Mommsen hat mit seinem Artikel in der "Süddeutschen Zeitung" sehr Recht. Mir ist bekannt, dass es in Ihren Reihen viele gibt, die das auch nicht in Ordnung finden. Sie sollten langsam dafür sorgen, dass Sie sich in Ihrer Partei durchsetzen.

Es ist wirklich abenteuerlich. Alle Fakten werden monatlich vom Bundesfinanzministerium veröffentlicht. Der verehrte neue stellvertretende CDU/CSU-Vorsitzende, Herr Böhr, forderte kürzlich eine gläserne Bundesregierung. Zu diesem Zweck müssten vierteljährlich Einnahmen, Ausgaben und andere Daten veröffentlicht werden. Aber bereits seit August 2001 wird auf meine Entscheidung hin monatlich veröffentlicht, wie sich die Steuereinnahmen und Ausgaben entwickeln und wie die Finanzierungssalden beim Bund und bei den Ländern aussehen. Prognosen allerdings erstellen wir nur dreimal im Jahr – dabei bleibt es auch, und zwar im Wahljahr wie in allen anderen Jahren –, und zwar im Mai und November im Zusammenhang mit den beiden Steuerschätzungen und im Januar für den Jahreswirtschaftsbericht und das Stabilitätsprogramm.

Was Ihre negative Einschätzung angeht, gebe ich zu, dass ich sie nicht in dem Maße teile, weil nämlich, als wir im Frühjahr das Wachstum für 2002 auf drei Viertel Prozent geschätzt haben, alle wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute darüber lagen. Ich möchte aus dem Frühjahrsgutachten der Forschungsinstitute zitieren: "Das Bruttoinlandsprodukt wird im Jahresverlauf 2002 um 21 ein Viertel Prozent steigen, im Jahresdurchschnitt wegen der niedrigen Ausgangsbasis jedoch nur um 0,9 Prozent."

Noch im August lagen fast alle Wirtschaftsforschungsinstitute über unseren Voraussagen: Ifo 0,7 Prozent, das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv 0,7 Prozent, das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung 0,6 bis 0,7 Prozent, das Institut für Weltwirtschaft 1,2 Prozent. Das einzige Institut, das unter unseren Voraussagen lag, war das DIW mit 0,6 Prozent. Aber auch das DIW ist ausdrücklich von einer Beschleunigung in der zweiten Jahreshälfte ausgegangen. Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle ist von 0,9 Prozent ausgegangen, der Internationale Währungsfonds ebenfalls von 0,9 Prozent, die OECD von 0,7 Prozent, Deutsche Bank 1,2 Prozent, Dresdner Bank ein Prozent und wir sind von drei Viertel Prozent ausgegangen. Dass es im Herbst zu einer dramatisch schnellen Abwärtsentwicklung gekommen ist, ist wohl wahr. Aber auch das ist klar: Der deutsche Finanzminister kann nur dann feststellen: "Wir reißen die drei Prozent", wenn es zweifelsfrei feststeht und er muss auch die internationalen Konsequenzen eines solchen Schritts bedenken.

Für mich war hinsichtlich des Eingangs der tatsächlichen Steuern von September – denn das war der Abbruch in 2001 – klar: Wenn wir 2002 unter den drei Prozent hätten bleiben wollen, hätten die Steuern deutlich über das Vorjahresergebnis hinausgehen müssen, wie im Oktober geschehen. Im September war das allerdings nicht der Fall und damit war kein Aufholen möglich.

Das, was Sie mit dem beabsichtigen, was sie jetzt veranstalten, liegt klar auf der Hand, übrigens auch für die Finanzminister aller Bundesländer. Der Untersuchungsausschuss wird eine spannende Veranstaltung werden. Denn Sie haben in der Opposition eine Doppelstrategie verfolgt: Herr Merz hat immer gesagt, dass alles mies sei, während Frau Merkel und Herr Stoiber für das Verkünden der Wohltaten zuständig waren. Wenn das, was Sie in Ihrem 100-Tage-Programm versprochen haben, tatsächlich umgesetzt worden wäre, dann hätten im Vergleich zu unseren Entscheidungen 21 Milliarden Euro zusätzlich ausgegeben werden müssen. Das ist ein Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. Frau Merkel, hat Ihnen denn Herr Merz, als Sie drei Wochen vor der Bundestagswahl dieses Programm vorgestellt haben, niemals aus seiner Sicht die Lage der Staatsfinanzen dargestellt und Sie nicht darauf hingewiesen, dass ein solches Programm zur Folge habe, dass man die Drei-Prozent-Grenze erheblich verfehlen werde? Das ist doch eine spannende Frage.

Ich frage auch: Was hat denn der verehrte Kollege Faltlhauser seinem Ministerpräsidenten über die Entwicklung der Finanzlage gesagt oder hat er es ihm gar nicht gesagt? Oder hat Herr Stoiber das, was Herr Faltlhauser gesagt hat, nicht ernst genommen? Wenn ich mir die Entwicklungsgeschichte des Untersuchungsausschusses anschaue, kann ich nur sagen: Ich freue mich auf ihn. Frau Merkel, Sie hätten sich nicht ausgerechnet von Herrn Koch – ich weiß, wovon ich rede –, der seinen Wahlkampf in Hessen mit Schwarzgeld und einer unsäglichen Kampagne gewonnen hat, einen solchen Untersuchungsausschuss einreden lassen dürfen. Sehr verehrte Frau Merkel, es wird beabsichtigt, mit diesem Untersuchungsausschuss nicht nur eine bestimmte Hauptwirkung, sondern auch gewisse Nebenwirkungen zu erzielen. Die beabsichtigte Hauptwirkung soll natürlich sein, bis zum 2. Februar 2003 nicht sagen zu müssen, was Sie an unserer Stelle täten, obwohl Sie das schon jetzt in den Regierungen der unionsgeführten Bundesländer sagen müssten. Es ist klar, dass nichts, was man jetzt tut, populär sein kann. Deshalb kann man viele Menschen aufhetzen. Aber erst dann, wenn sichtbar wird, was Sie machen wollen, wird es richtig spannend. Sie wollen das, was Sie zu tun beabsichtigen, verschleiern und erst nach dem 2. Februar 2003 kundtun. Das ist die Wirklichkeit. Wir sagen dagegen, was wir zu tun beabsichtigen.

Der Untersuchungsausschuss soll aber noch zwei Nebenwirkungen haben, die einkalkuliert sind. Sie wollen – das ist die erste beabsichtigte Nebenwirkung – von den Problemen der FDP ablenken; das verstehe ich. Aber die zweite beabsichtigte Nebenwirkung, sehr verehrte Frau Merkel, ist ein bisschen problematischer. Um die Fragen, die ich Ihnen vorhin zu Ihrem Wahlprogramm gestellt habe, zu beantworten, muss man nichts weiter tun, als sich die mittelfristige Finanzplanung anzuschauen. Dann erkennt man, dass Ihr gesamtes Wahlprogramm und insbesondere Ihr 100-Tage-Programm in den Zeitraum 2003 bis 2006 überhaupt nicht hineinpassen. Hat Ihnen das Herr Merz auch nicht gesagt? Es werden doch auch diesbezüglich entsprechende Fragen im Untersuchungsausschuss gestellt werden. Vielleicht wird auch Herr Koch gefragt werden, wie er das so genannte Familiengeld finanzieren wollte, zu dem er sich positiv geäußert hat. Er wird dann vielleicht antworten, dass er aus Loyalität zu seiner Parteivorsitzenden den Vorschlag zum Familiengeld unterstützt habe. Das wäre wirklich die perfideste Art.

Als ich den Haushalt 2002 im Bundestag begründet habe – das habe ich auch vor der Bundespressekonferenz gesagt –, habe ich gesagt, dass er auf Kante genäht sei. Aufgrund des zweiten Jahres mit schwachem Wirtschaftswachstum seien keine Reserven vorhanden. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung weiter negativ verlaufe, dann werde das auf den Haushalt durchschlagen. Ich habe von Anfang an gesagt – übrigens manchmal nicht zur Freude meiner eigenen Parteikollegen –, dass dann nichts mehr zu machen sei. Verehrter Herr Merz, wir reden vielleicht auch noch einmal über die Verantwortung, die Sie als Fraktionsvorsitzender hatten, und darüber, welche Anträge, die Ausgabensteigerungen zur Folge gehabt hätten, noch im Laufe des Sommers des vergangenen Jahres eingebracht worden sind.

Wir haben eine Haushaltssperre verhängt und gesagt: Für die Finanzierung des Wiederaufbaus in den von der Flutkatastrophe betroffenen Gebieten werden keine neuen Schulden gemacht. Wir müssen vielmehr die beabsichtigten Steuersenkungen verschieben. Das haben wir drei Wochen vor der Bundestagswahl gesagt. Hier lasse ich mir von Ihnen keinen einschenken. Es wird zurückgeschossen; da können Sie sicher sein.

Angesichts von zwei Jahren schwachen Wirtschaftswachstums müssen wir den Haushalt 2003 auf eine neue Basis stellen. Jetzt weiß ich, warum wir das Programm zur Kinderbetreuung aufgelegt haben. – Für den Haushalt 2003 und für die ganze Wahlperiode brauchen wir eine neue Grundlage, die in die Basis zwei Jahre schwaches Wirtschaftswachstum in der Welt und bei uns einbezieht. Des Weiteren sollten wir von einem niedrigeren Wachstum ausgehen. Deswegen habe ich das Durchschnittswachstum der letzten zehn Jahre zugrunde gelegt, nämlich 1,5 Prozent. Dieses Wachstum kann natürlich bestritten werden. Aber wir liegen mit dieser Annahme mitten im Prognosespektrum zwischen dem Sachverständigenrat mit eins Prozent, dem Internationalen Währungsfonds mit 1,75 Prozent und der OECD, die vor wenigen Tagen unsere Prognose bestätigt hat.

Wir senken gegenüber dem Nachtragshaushalt 2002 die Nettokreditaufnahme um 15,7 Milliarden Euro auf 18,9 Milliarden Euro. Das ist eine riesige Kraftanstrengung, vergleichbar der, die wir 1999 bei der Einleitung des Konsolidierungskurses unternommen haben. Das bestätigt, dass wir voll auf Kurs bleiben. Die Ausgabenreduzierung gegenüber dem Nachtragshaushalt 2002 beträgt 1,8 Prozent beziehungsweise 3,3 Prozent, wenn man – das muss man wohl machen – den Hochwassersolidaritätsfonds herausrechnet. Das sind real fast fünf Prozent weniger Ausgaben als in diesem Jahr. Zeigen Sie mir ein Land in Europa, das so konsequent den Konsolidierungskurs geht. Damit übererfüllt der Bund seine Verpflichtungen, die er im Rahmen des nationalen Stabilitätspaktes übernommen hat.

Der Hauptteil – das gehört zugegebenermaßen zu den gegenwärtigen Kommunikationsproblemen – wird durch Ausgabenkürzungen erbracht. Über diesen Teil redet in der Öffentlichkeit fast niemand. Dass wir in dieser Situation mit der Umsetzung des Hartz-Konzeptes, zum Beispiel einer schnelleren Vermittlung, keinen Zuschuss zur Bundesanstalt für Arbeit leisten, bedeutet für alle Beteiligten eine enorme Kraftanstrengung. Dass wir die Arbeitslosenhilfe um 2,5 Milliarden Euro kürzen, ist uns nicht leicht gefallen, denn das bedeutet einen Eingriff in Besitzstände von Leuten, die nicht viel haben. Wir haben uns das sorgfältig angesehen und meinen, dass das vertretbar ist. Aber, wer über die Dienstwagenbesteuerung jammert, sollte erst einmal über die Situation der Arbeitslosenhilfeempfänger reden. Es ist nicht in Ordnung, was sich in der politischen Diskussion in diesem Lande abspielt.

Als Finanzminister sage ich übrigens ganz ausdrücklich: Diese Eingriffe werden nicht die einzigen sein, die wir im sozialen Bereich vornehmen müssen. Denn die Alterung unserer Gesellschaft wird uns noch vor viele große Aufgaben stellen. Aber, wer in solch einer Situation immer nur auf die schwächsten Teile der Gesellschaft schaut und nicht einen Moment lang darüber nachdenkt, welchen Beitrag auch er leisten müsste, der ist in der politischen Debatte aus meiner Sicht nicht auf der Seite derer, die sich um einen sozialen Ausgleich bei diesem notwendigen Modernisierungsprozess in unserer Gesellschaft bemühen.

Wir kürzen die Finanzhilfen weiter, und zwar nicht nur – das ist auch eine spannende Debatte bei Ihnen – im Bergbau. Es steht übrigens in der Koalitionsvereinbarung, dass die Finanzhilfen auch nach Auslaufen der jetzigen vertraglichen Regelung weiter heruntergefahren werden. Wir kürzen auch, weil der Wohnungsmarkt etwas anderes nicht mehr vernünftig erscheinen lässt, zum Beispiel im Bereich des sozialen Wohnungsbaus. Hier bekommen wir jedoch von Ihnen wieder Vorwürfe gemacht. Die Bilanz des Abbaus der Finanzhilfen, also der direkten Subventionen, zeigt Folgendes: 1998 standen in Ihrem Haushalt 11,4 Milliarden Euro. In unserem Haushalt stehen für dieses Jahr 8,4 Milliarden Euro und für das nächste Jahr 7,8 Milliarden Euro. Das bedeutet eine Reduzierung der Finanzhilfen, der direkten Subventionen, von 30 Prozent im Laufe von fünf Jahren. So etwas haben Sie vorher nie zuwege gebracht.

Aber wer über Subventionen redet, der soll nicht nur über die Ausgabenseite reden. Dort sind nämlich die Subventionen untergebracht, die insbesondere diejenigen erhalten, die überhaupt keine Steuern zahlen, weil ihr Einkommen so niedrig ist. Das habe ich eben am Beispiel der Arbeitslosenhilfe deutlich gemacht.

Wer über Subventionen redet, der muss in der Tat auch über Vergünstigungen im Steuerrecht reden. Das haben Sie übrigens in anderem Zusammenhang auch immer getan. Dort gibt es eine ganze Menge von Vergünstigungen für diejenigen, die steuerpflichtig sind, aber nicht für diejenigen, die ein so niedriges Einkommen haben, dass sie keine Steuern zahlen. Deshalb muss man sich diese Subventionen mit ansehen.

Ich beklage, dass die Debatte in Deutschland nur um diesen Teil geführt wird, der übrigens bei der Reduzierung der Neuverschuldung um 15,7 Milliarden Euro mit Abstand den kleinsten Teil ausmacht, nämlich beim Bundeshaushalt gerade etwas über drei Milliarden Euro. Insgesamt geht es um fünf Milliarden Euro, weil die Länder und Kommunen daran beteiligt sind.

Das geschieht übrigens trotz einer historisch niedrigen Steuerquote. Damit wir uns richtig verstehen: Auch ich will, dass die Staatsquote zurückgeführt wird. Ich will aber eines klar machen: Die Staatsquote kann nur zurückgeführt werden, indem man die Staatsverschuldung und damit die Zinslast reduziert. Anderenfalls macht man den Staat aktionsunfähig. Das wollen wir jedenfalls nicht.

Wir haben es zurzeit wieder einmal fast mit einem Verfall der Steuerbasis zu tun. Deswegen steht im Wahlprogramm der Sozialdemokratie als eine von mehreren Schwerpunktaufgaben der Steuerpolitik für diese Wahlperiode die Befestigung der Steuerbasis. Ich bin mir ganz sicher, dass Ihre Finanzminister das keinen Deut anders sehen.

Erstens: Wir haben einen hohen Umsatzsteuerbetrug. Ich habe mit den Ländern vor einem Jahr Maßnahmen dagegen verabredet, die wir dann hier beschlossen haben. Ich kann nicht erkennen, dass – mit Ausnahme des größten deutschen Bundeslandes – die Länder die Maßnahmen, die wir ihnen möglich gemacht haben, beherzt umsetzen. Auf diesem Gebiet muss etwas geschehen, damit der Umsatzsteuerbetrug in Deutschland wirklich bekämpft wird.

Zweitens.Das Instrument Kontrollmitteilungen kennt man in sehr vielen Ländern, und zwar gerade in den großen, angelsächsischen Ländern. Dieses Instrument – das ist der Trend – wird international üblich werden. Warum? – Es gibt doch angesichts des Binnenmarktes und der Globalisierung nur zwei Wege: Entweder einigt man sich bei allen für die globalisierte Welt oder den Binnenmarkt wichtigen Steuern auf ein bestimmtes Steuersystem – dafür gibt es die einfache Prognose, dass das noch Jahrzehnte dauern wird, wenn nicht noch länger; ich glaube gar nicht, dass es dazu kommt – oder man sorgt dafür, dass jedes Land für seine steuerpflichtigen Bürger seine Einnahmen erhält. Das geht dann nur über Kontrollmitteilungen. Das entspricht der Situation in der Europäischen Union, in der wir uns einstimmig auf Kontrollmitteilungen verständigt haben.

Ich will auch noch etwas zu der Frage Bankgeheimnis sagen: Mich interessiert überhaupt nicht – das sollte niemanden interessieren –, was auf dem Konto eines Privatmannes vor sich geht. Es gibt aber zwei Ausnahmen. Eine Ausnahme besteht darin, wenn es um kriminelle Aktionen wie beispielsweise Geldwäsche geht. Dazu haben wir eine Reihe von Gesetzen verabschiedet. Ich hoffe, dass wir in diesem Punkt keinen Streit haben.

Die zweite Ausnahme besteht darin, wenn es darum geht, dem Finanzamt steuerpflichtige Vorgänge mitzuteilen. Das ist nicht streitig in Amerika, das ist nicht streitig in Großbritannien und das ist nicht streitig in Frankreich. Warum sollte es in Deutschland streitig sein?

Außerdem muss jeder Lohnsteuerzahler sein Einkommen offen legen. Das heißt, bei ihm werden die Informationen zwangsweise offen gelegt. Das geschieht durch die Gehalts- und Lohnabteilung bei den Unternehmen. Von dort gehen diese Informationen dann an das Finanzamt. Wo liegt also das Problem? – Ich kann es nicht erkennen.

Jetzt komme ich zu einem wichtigen Thema im Zusammenhang mit der Spekulationssteuer: Das Bundesverfassungsgericht befasst sich damit, weil der Bundesfinanzhof gesagt hat, diese Steuer werde praktisch nicht vollzogen; 95 Prozent derer, die bei der Veräußerung von Akten innerhalb eines Jahres Gewinne erzielten, gäben diese nicht an. Deswegen – so die Argumentation des Bundesfinanzhofes – ist diese Steuer verfassungswidrig, weil sie praktisch nicht vollzogen wird.

Es gibt eine einfache Antwort: Dann erheben wir diese Steuer, wie es in allen großen Ländern dieser Erde üblich ist. Wie Sie wissen, haben wir – in unserem Steuerpaket wird das deutlich – noch eine andere Konsequenz gezogen. Darüber wird man noch diskutieren.

Ich komme zum Thema Körperschaftsteuer. Sie hatten im Wahlkampf Recht, auch wenn Ihr Argument falsch war: Ja, es kann nicht hingenommen werden, dass die Körperschaftsteuer verfällt. Soweit es um die Ausschüttung früherer Gewinne geht, ist das kein Problem; denn dieses Geld fällt unter die Kapitalertragsteuer. Leider können mir, dem Bundesfinanzminister, und den Finanzministern der Länder selbst die sachverständigen Steuerschätzer – sie arbeiten übrigens nicht nur für die Institute der Bundesbank, sondern auch für die Länder; sie alle sind neutral – erst von Steuerschätzung zu Steuerschätzung mitteilen, ob und wie viel Geld in die Kassen fließt. Erst sagen sie dann, man bekomme Geld und anschließend teilen sie mit, man bekomme doch keines. Angesichts dessen verliert man langsam den Glauben an den Sinn dieser Veranstaltung.

Wir haben bereits in dem Bericht an den Finanzausschuss des Bundestages in der vorigen Wahlperiode darauf hingewiesen, dass Regelungsbedarf besteht. Diesen Bedarf erfüllen wir jetzt. Das heißt mit einem einfachen Satz – ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand von Ihnen dem widersprechen will –: Ein Unternehmen, das Gewinne macht, soll Steuern zahlen. Es geht dabei überhaupt nicht um Steuern, deren Zahlung ein Unternehmen in den Bankrott treibt.

Große Unternehmen haben mittlerweile beispielsweise wunderbare Dokumentationen darüber – solche Dokumentationen werden grenzüberschreitend erstellt –, an welcher Stelle eines Fließbandes eine Schraube fehlerhaft befestigt worden ist. Wir müssen zum Beispiel über Verrechnungspreise so gut Bescheid wissen, dass wir verhindern können, dass in Deutschland entstandene Gewinne von der einen auf die andere Seite, also vom Inland ins Ausland, geschoben werden, weswegen der deutsche Fiskus das Nachsehen hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das wollen. Das kann niemand wollen. Sie haben im Wahlkampf entsprechende Forderungen erhoben. Wir sind auf Ihre Mitwirkung an dieser Stelle gespannt.

Ich komme zum Thema Steuervergünstigungen. Zuallererst möchte ich eine Grundsatzbemerkung machen: Ökonomisch gesehen besteht kein Unterschied zwischen dem Abbau einer ausgabenseitigen Finanzhilfe und der Verringerung einer Steuervergünstigung. In beiden Fällen nimmt man jemandem Geld weg; es handelt sich – das ist wahr – ökonomisch um denselben Sachverhalt. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es sowohl auf der Einnahmeseite als auch auf der Ausgabenseite Vergünstigungen, zum Beispiel in Form von Subventionen, gibt.

An dieser Stelle setzen wir an, und zwar so, wie Sie es immer gefordert haben: Steuervereinfachungen durch die Reduktion der Anzahl von Ausnahmetatbeständen. Was wir tun, wird sich übrigens weitestgehend erst im Jahre 2004 auswirken, wenn es nämlich zur nächsten Stufe der Steuersenkungen – Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und Senkung der Steuersätze – kommen wird.

In diesem Zusammenhang möchte ich nur auf wenige Bereiche hinweisen. Stichwort Umsatzsteuer: Wenn man der Forderung einiger Gruppen von Lobbyisten nachgibt und den unteren Mehrwertsteuersatz ausdehnt, dann führt das gewissermaßen zu einer Zerstörung der Umsatzsteuer. In Deutschland ist das schon der Fall. Ich erinnere mich an das, was Sie im vorigen Jahr und noch während dieses Sommers im Zusammenhang mit Handwerkerrechnungen versucht haben. Wir können den oberen Mehrwertsteuersatz nur dann halten, wenn nicht alles Mögliche unter den unteren Mehrwertsteuersatz fällt.

Der ursprüngliche Gedanke war sozial; denn Mehrwertsteuer zahlen auch diejenigen, deren Einkommen so gering ist, dass sie keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen. Weil man nicht wollte, dass die niedrigen Einkommen von der Mehrwertsteuer in gleichem Maße betroffen sind, hat man dafür gesorgt, dass der Erwerb von Gütern, deren Konsum der Befriedigung von Grundbedürfnissen dient, nur dem halben – inzwischen ist er ein bisschen geringer – Mehrwertsteuersatz unterliegt. Auf diesen Grundgedanken greifen wir zurück. Die sozialen Grundbedürfnisse – die Grundnahrungsmittel, kulturelle Grundbedürfnisse – sowie ab 2005 der öffentliche Personennah- und Fernverkehr sollen unter den niedrigen Mehrwertsteuersatz fallen. Das können Sie noch ändern. Ich bin sehr gespannt, wie Sie auf unsere Politik reagieren. Ich kann niemandem erklären, wieso zum Beispiel Schnittblumen unter den niedrigen Mehrwertsteuersatz fallen, Babywindeln aber nicht.

Man sieht, was passiert – auch in unseren Reihen gab es eine Diskussion darüber, Stichwort Zahntechniker –, wenn man einen Bereich des Gesundheitswesens gesondert behandeln will. Den ganzen Sommer über hatten Frau Kollegin Schmidt und ich eine Diskussion darüber, ob auch die Medikamente unter den niedrigeren Mehrwertsteuersatz fallen sollten. Aber dann drängt einer nach dem anderen hinein. Auch deswegen mussten die Zahntechniker heraus, damit für die Gesundheitsreform ein für alle Mal klar gemacht wird: Das Gesundheitssystem hat kein Einnahmeproblem, es hat ein Ausgabenproblem. Man braucht also nicht zusätzliche Einnahmequellen zu suchen, sondern muss im Gesundheitswesen rationeller arbeiten und für Wettbewerb sorgen. Das ist die Antwort.

Nun komme ich zu einer Steuersubvention, zur Eigenheimzulage. Ich weiß, das ist nicht einfach. Aber wie soll man – volkswirtschaftlich betrachtet – eigentlich jemandem erklären, dass in einem Land, in dem im Osten erheblicher Wohnungsleerstand besteht und in dem in den meisten Regionen der Wohnungsmarkt zumindest ausgeglichen ist – in einigen wenigen ist der Wohnungsmarkt auch noch angespannt, was dann regional beantwortet werden mag –, Jahr für Jahr zehn Milliarden Euro an Steuersubventionen in den Wohnungsmarkt gehen? Wie wollen Sie das jemandem erklären? In Ostdeutschland nehmen wir bereits Geld in die Hand, um Wohnungen abzureißen. Das hat die Qualität von Agrarsubventionen: erst Produktion fördern und dann Vernichtung. Reden Sie doch nicht über die Steinkohlesubvention, die systematisch abgebaut wird, wenn Sie nicht bereit sind, bei der Änderung der Eigenheimzulage mitzumachen. Sie haben volkswirtschaftlich kein einziges Argument.

Was wohl an dieser Stelle eine Rolle spielen kann – das ist das positive Argument –: Wir fördern die Eigentumsbildung. Wir fördern nicht den Neubau. Das bedeutet: eine Förderung bitte nur bei denen, die es nötig haben, und wo wir es uns leisten können. Das heißt: Familien mit Kindern brauchen die Förderung, Familien ohne Kinder aber nicht. Ebenso klar ist es, dass der Altbau genauso gestellt sein muss wie der Neubau. Wieso fördern wir den Neubau in Gebieten mit hohem Wohnungsleerstand? Das macht keinen Sinn. Das sind die Veränderungen.

Jetzt die andere Seite: Es bleibt bei allen Schwerpunkten, die wir in der vergangenen Wahlperiode in unserer Haushalts- und Finanzpolitik gesetzt haben. Wir machen diese Konsolidierungsanstrengungen doch auch und zuallererst, damit unsere Haushalte zukunftsfähiger werden. Wir machen sie, damit wir weniger Zinsen zahlen müssen, aber mehr investieren können. Die Investitionen im Haushalt steigen von diesem auf das nächste Jahr von rund 25 auf 26,8 Milliarden Euro. Wir stoßen darüber hinaus weitere Investitionen an.

  • Wir haben die historisch höchsten Verkehrsinvestitionen, verstetigen diese und werden sie im Planungszeitraum weiter heraufsetzen.
  • Wir haben gegenüber Ihrer Regierungszeit die Ausgaben für den Bildungsbereich um fast 30 Prozent gesteigert, von 2002 auf 2003 wiederum um 3,7 Prozent.
  • Wir haben die Ausgaben für die Familien gewaltig erhöht. Der Bundesbankvizepräsident Jürgen Stark liegt schief, wenn er uns Vorwürfe macht, weil wir das Kindergeld systematisch erhöht haben. Das ist eine Zukunftsinvestition. 
  • Wir gehen weiter bei der Ganztagsbetreuung und haben in diesen Haushalt eine Anlaufrate eingestellt; denn es wird Zeit, dass wir bei der Kinderbetreuung den europäischen Standard erreichen. Wir dürfen Frauen nicht vor die Wahl zwischen Kindern und Beruf stellen. Wir müssen es ihnen möglich machen, beides miteinander zu verbinden. Das ist es, was wir brauchen.
  • Wir setzen den Aufbau Ost auf hohem Niveau fort und führen dieses Jahr zusätzlich das Stadtumbauprogramm Ost ein.

Das ist unsere Haushaltspolitik: Sie ist nicht einfach, aber zielgerichtet. Wir wollen, auch wenn es unter den gegebenen Bedingungen mühselig ist, konsequent den Weg der Konsolidierung unseres Haushaltes gehen, um Deutschland zukunftsfähig zu machen.

Konsolidierung ist aber nicht nur eine Sache des Bundes. Konsolidierung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe und unterliegt einer gesamtstaatlichen Verantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden sowie den sozialen Sicherungssystemen. Dabei trägt der Bund die größte Last. Wer sich das noch einmal verdeutlichen will, braucht sich nur den letzten Bericht des Bundesrechnungshofes anzusehen. Es ist relativ offenkundig, wie sich der Anteil des Bundes an den Steuern entwickelt hat, nämlich nach unten, und wie sich der Anteil des Bundes an der Verschuldung entwickelt hat, nämlich gewaltig nach oben. Ich kritisiere das gar nicht. Das waren die Lasten der Wiedervereinigung; das ist in Ordnung. Man muss aber wissen, dass auch andere eine Verantwortung für die Konsolidierung des Staatshaushaltes und dafür, dass wir unseren Verpflichtungen im Rahmen des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts nachkommen, haben.

Ich bin froh darüber, dass wir es im März geschafft haben, im Finanzplanungsrat einen nationalen Stabilitätspakt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu schließen. Ich unterstelle auch den guten Willen der Länder. Ich will noch einmal ausdrücklich sagen: Ich freue mich darüber, dass es uns in der vergangenen Woche gelungen ist, gemeinsam festzustellen: 2006 wollen wir einen ausgeglichenen gesamtstaatlichen Haushalt und 2003 wollen wir das Defizit wieder unter drei Prozent senken.  Aber dazu muss auch jeder seinen Beitrag leisten. Das Konzept, das wir auf den Tisch gelegt haben, führt dazu. Es ist ein Konzept, das nicht nur den Bundeshaushalt einbezieht. Denn wer sich auf den mühseligen Weg macht, Steuervergünstigungen bei den Gemeinschaftssteuern abzubauen, hat natürlich den positiven Nebenaspekt, damit Ländern und Gemeinden ein Stück zu helfen. Ihre Klagen über die Situation der Kommunalfinanzen sind nichts wert, wenn Sie nicht bereit sind, an dieser Stelle mitzuwirken. So einfach ist das.

Wir werden sehen, welche eigenen Beiträge die Länder und Gemeinden leisten. Ich sage ausdrücklich die Bereitschaft des Bundes zu, bei allen Vorschlägen, auch zu Bundesleistungsgesetzen – das wird politisch ausgefochten werden –, mitzumachen, wenn sie vernünftig sind und es eine gemeinsame Position der Länder ist, um zu weiteren Ausgabenreduzierungen zu kommen. Das wird nämlich unsere gemeinsame Aufgabe sein.

Nur eines wird nicht funktionieren: Wir machen das zugunsten der Länder und die B-Länder, jedenfalls in ihrer großen Mehrheit, sagen: Wir wollen den Gewinn doppelt; erstens wollen wir Geld einsparen und zweitens die anderen noch dafür beschimpfen, dass sie das für uns machen. – Das wird nicht laufen, sondern es geht nur so, dass sie sich offen zu ihrer Verantwortung bekennen und klar sagen: Dieses und jenes wollen wir in Bundesgesetzen geändert haben. – Dann sind wir verhandlungsbereit. Es geht ausdrücklich nur so; denn jeder muss seinen Beitrag zur Gesamtverantwortung leisten.

Übrigens haben sich die Länder ausbedungen, 55 Prozent des ab 2004 erlaubten Defizits machen zu können, während dem Bund nur 45 Prozent verbleiben. Das ist für uns ein harter Weg, weil unsere Ausgangslage viel schlechter ist. Für den Bund ist das ein viel härterer Konsolidierungspfad als für die Länder. Trotzdem habe ich zugestimmt. Aber das heißt dann auch: Die Länder tragen 55 Prozent der Verantwortung dafür, dass wir die Maastricht-Kriterien einhalten. Diese Verantwortung haben insbesondere Sie, weil Sie die Mehrheit im Bundesrat stellen. Sie werden mir also nicht ausweichen können. Ich glaube auch, dass Ihr Manöver, das vor dem 2. Februar nicht zu sagen, nicht gelingen wird.

Wir bemühen uns um die Gemeindefinanzen und haben dazu die Reformkommission eingesetzt. Das ist ein schwieriges Thema, weil ich sehr genau sehe, dass noch immer zwei Züge direkt aufeinander zufahren, die zwar beide dasselbe Ziel haben, nämlich die Kommunalfinanzen zu verbessern und damit die Kommunen unabhängiger von Konjunkturschwankungen und investitionsfähiger zu machen – was dringend erforderlich ist –, die aber in verschiedene Richtungen fahren, weil die Kommunalpolitiker beider großen Parteien ganz überwiegend auf die Revitalisierung der Gewerbesteuer setzen und die Wirtschaftsverbände auf das Gegenteil, nämlich die Abschaffung. Da wird eine große Aufgabe auf uns zukommen, die nur – das ist meine Prognose – in großem Einvernehmen zwischen Kommunen und Wirtschaftsverbänden zu lösen ist. Wenn ich mir die Situation in Bundestag und Bundesrat ansehe, wird jeder vor diese Frage gestellt werden.

Ich werde meinen Teil dazu beitragen, dass wir zusammenfinden. Deswegen bin ich auch vorsichtig, wenn es darum geht, selbst eine Position zu beziehen – nicht weil ich keine hätte, sondern weil ich glaube, dass es meine Aufgabe ist, beide Positionen aufeinander zuzuführen.

Ich komme zum Hartz-Konzept. Der Übergang der arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger in die Jobcenter und die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe werden an dieser Stelle ein Stück – ich sage: nur ein Stück – Entlastung der Kommunen bringen; denn angesichts der Lage des Bundes darf es nicht zu einer Lastenverschiebung zwischen den Ebenen kommen. Auch hier wird eine große Aufgabe auf uns zukommen: Wie definieren wir dann das Arbeitslosengeld II?

In diesen Zusammenhang gehört auch die Reform des Föderalismus. Ich will mit aller Deutlichkeit sagen: Ich erhoffe mir davon auch ein paar Effizienzgewinne. Wenn wir vielleicht, wie es sich jedenfalls andeutet, bei einer Reihe von Mischaufgaben und Mischfinanzierungen zur Entmischung kommen, muss dadurch auch das staatliche Handeln effizienter werden. Das muss sich für die Bürger auszahlen. Es kann nicht einfach nur so sein, dass der Bund, wenn etwas auf die Länder übergeht, das ganze Geld, möglichst noch dynamisiert, weitergibt, sondern es muss einen Effizienzgewinn bei der Aufgabenerfüllung geben. Sonst macht das Ganze doch keinen Sinn.

Ich will in diesem Zusammenhang noch auf folgenden Punkt hinweisen: Wenn wir über die Reform des Föderalismus reden, dürfen wir nicht nur über die Übertragung von Aufgaben auf die Länder reden. Es geht auch darum, Deutschland europafähig zu machen. Das bedeutet: All die Aufgaben, die heute im föderalen Staat bei den Ländern liegen, aber die für die Binnenmarktgesetzgebung relevant sind, müssen auf den Bund übertragen werden, und zwar nicht, weil der Bund kompetenzhungrig ist, sondern weil diese Aufgaben nach kurzer Zeit auf die europäische Ebene übertragen werden.

Es ist ein Anachronismus, dass wir in Deutschland je eine Börsenaufsicht in allen neun Börsenländern haben. Es kann nur eine Börsenaufsicht in Deutschland geben. Künftig werden wir auch in Europa mit einer Diskussion über eine europäische Börsenaufsichtsstruktur konfrontiert werden. In diese Richtung geht die Entwicklung. Auch das muss bei der Reform des Föderalismus bedacht werden.

Ich sagte es bereits: Konsolidierung ist nicht nur eine Aufgabe des gesamten Staates, sondern auch der sozialen Sicherungssysteme. Wir haben bei der Rente einen großen Schritt nach vorne gemacht, den noch kein anderes großes kontinentaleuropäisches Land gemacht hat. Aber es liegen noch große Aufgaben vor uns. Ich bin froh darüber, dass die Bundesregierung, der Bundeskanzler und die Frau Ministerin angeregt haben, die Rürup-Kommission einzusetzen. Wir brauchen nämlich nicht nur eine Begrenzung, sondern auch eine Senkung der Lohnnebenkosten und die nachhaltige Sicherung unserer sozialen Systeme.

Der härteste Kampf wird gewiss im Gesundheitswesen ausgetragen, weil es sich ausschließlich um einen Anbietermarkt handelt. Ich sage deswegen klipp und klar – ich habe vorhin schon auf die Zahntechniker hingewiesen –: Es gibt keine müde Steuermark für das Gesundheitswesen in der Verfassung, in der es heute ist. Dort müssen die Effizienzreserven gehoben und die Qualität gesteigert werden. Darum geht es und um nichts anderes.

Auch die Pflege- und die Rentenversicherung werden ein Thema sein. Aber niemand muss deswegen Angst haben. Es geht in dieser Situation, die durch eine alternde Gesellschaft gekennzeichnet ist, darum, die Verhältnisse zwischen den Generationen neu auszutarieren und Generationengerechtigkeit auch in der Zukunft walten zu lassen. Es geht darum, die Jungen nicht überzubelasten und die Alten nicht in Altersarmut zu treiben. Das wird einer reichen Gesellschaft wie der deutschen auch gelingen.

Es wird Zeit, dass auch ein paar andere Wahrheiten gesagt werden. Nicht nur bei den Staatsschulden spielt das Thema deutsche Einheit, die wir alle gerne gewollt haben, eine Rolle. Es spielt auch für die Sozialsysteme eine Rolle.

Ich will Ihnen sagen, was die deutsche Einheit für die Sozialsysteme bedeutet. In den Sozialsystemen gibt es einen West-Ost-Transfer von 27,9 Milliarden Euro. Die Situation für die alte Bundesrepublik alleine sähe ganz anders aus. Ich sage das ganz ausdrücklich, um deutlich zu machen, dass wir mindestens noch eine halbe Generation eine Aufgabe mit uns tragen, die wir nicht einfach abschütteln können und – das sage ich für die Regierung und für die Koalition – auch nicht abschütteln wollen.

Herr Rexrodt, suchen Sie jetzt nicht nach falschen Argumenten: Die größere Oppositionspartei in diesem Hause hat unter anderem deswegen die Wahl im Osten verloren, weil hinsichtlich des Risikostrukturausgleichs der Versuch gemacht worden ist – lesen Sie einmal die entsprechenden Reden im Bayerischen, im Baden-Württembergischen und im Hessischen Landtag nach –, die Solidarität in Deutschland aufzukündigen, indem gesagt wurde: Wer eine niedrige Arbeitslosigkeit hat, hat niedrige Sozialabgaben, und wer eine hohe Arbeitslosigkeit hat, hat hohe Sozialabgaben. – Das war ein Programm zum Abriss Ost und nicht zum Aufbau Ost.

Unsere Position ist klar: Da wir an der innerdeutschen Solidarität festhalten, wollen wir diese Lasten nicht wegdefinieren. Sie zu meistern ist Bestandteil der Aufgaben, mit denen wir es zu tun haben.

Wir wollen ein Programm für Wachstum und Beschäftigung auf den Weg bringen. Zu den Lohnnebenkosten und zur Umsetzung der Beschlüsse der Hartz-Kommission habe ich eben schon etwas gesagt. Die Umgestaltung der Arbeitslosenhilfe zu einem Arbeitslosengeld II zum 1. Januar 2004 und die Vermittlung durch Jobcenter werden uns noch große Anstrengungen abverlangen. Aber eines wird kaum diskutiert: Es steckt eine sehr positive Perspektive darin. Deswegen ist ja der Kollege Clement so engagiert. Dies ist aber auch eine Perspektive, die die Menschen fordert. Auch diesen Gesichtspunkt sollte man auf keinen Fall verniedlichen.

Für diese Wahlperiode bleibt es dabei: Wir senken die Steuern weiter. Wir sollten darüber in den beiden entsprechenden Jahren, in 2004 und in 2005, sprechen. Dies steht ja im Gesetz. Doch, Herr Rexrodt, ich sage das. In 2004 und in 2005 werden Steuersenkungen erfolgen. Mit Ihrem Lachen haben Sie Pech. Schauen Sie sich einmal Ihre Wahlversprechen an! Die Union versprach vor der Bundestagswahl zusätzliche Steuersenkungen, die zu Einnahmeausfällen in Höhe von 30 Milliarden Euro geführt hätten. Lachen Sie also über sich selber!

Für Existenzgründer, für Kleinstunternehmer, für die Ich-AG wird es – Kollege Clement hat das angekündigt – eine pauschale Besteuerung geben. Das ist nicht ganz einfach, weil wir da eine regelrechte Systemumstellung vornehmen. Aber das werden wir zusammen hinbekommen. Es wird beim Thema Entbürokratisierung einen massiven Kampf geben, beginnend bei den Existenzgründern und den Klein- und Mittelbetrieben.

Zum Mittelstand. Auch hier ist der Winter – wer will darum herumreden? – nicht einfach. Wer allerdings über Insolvenzen spricht, der sollte auch über Neugründungen sprechen. Auch in diesem Jahr werden wir deutlich mehr neu gegründete als aufgegebene Betriebe haben, wobei der größte Teil nicht wegen einer Insolvenz, sondern altershalber aufgegeben wird.

Wir haben eine Menge getan, um die Eigenkapitalbildung des Mittelstandes zu erleichtern. Aufgrund unserer Steuerreform ist inzwischen die obere Grenzsteuerbelastung – 1998 lag sie bei 58 Prozent – auf 51 Prozent gesenkt worden. So etwas haben Sie in Ihrer Regierungszeit nie zuwege gebracht. Gerade durch die Intervention des Bundeskanzlers ist für alle in der Welt klar geworden, dass wir, wenn es um die Eigenkapitalrichtlinien der Banken geht, nicht zulassen, dass die Finanzierung des deutschen Mittelstandes verschlechtert wird. Wir haben das erreicht: Basel II bringt keine Verschlechterungen, sondern eher Verbesserungen für die Finanzierung des Mittelstandes. Allerdings wird auch da zwischen guten und schlechten Risiken unterschieden, was die Banken übrigens sowieso getan hätten.

Im Rahmen des Hartz-Konzeptes gibt es das Programm "Kapital für Arbeit". Ich habe mich gestern erkundigt: Dieses Programm, das im November angelaufen ist, ist bisher äußerst erfolgreich. Es gibt bereits mehr als 10.000 Anfragen und erste Bewilligungen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau sagt: Das Programm startet außerordentlich erfolgreich. – Auch dies ist ein Beitrag dazu, die Eigenkapitalausstattung des Mittelstandes zu verbessern. Die Zusammenführung der Förderaktivitäten wird der nächste Schritt sein.

Dies alles ist ein anstrengendes Programm für diese Wahlperiode. Wenn wir das alles hinbekommen, konsolidieren wir den öffentlichen Haushalt wirklich. Es fordert uns alle. Bedenkenträgerei und insbesondere Besitzstandswahrung – in diesem Zusammenhang habe ich den Eindruck: je höher der Besitzstand, umso härter der Kampf um die Wahrung –, das wird nicht gehen.

Was wir alle nicht brauchen, ist, Deutschland mies zu machen. Wer sich mit deutschen Unternehmern im Ausland unterhält – ich habe das kürzlich auf dem G20-Treffen im fernen Indien erlebt –, dem begegnet nur noch Kopfschütteln darüber, wie in Deutschland die Diskussion über Deutschland geführt wird. Was wir nicht brauchen – ich sage das mit allem Ernst und allem Nachdruck –, ist die Verleumdung des politischen Gegners. Fundamentalkritik ja, aber keine Verleumdung.

Der Aufruf von Herrn Dr. Gerhardt – er ist nicht anwesend –, die Finanzämter lahm zu legen, ist wohl eine sehr späte Reaktion auf ein Missverständnis der 68er; zu dieser Generation gehört ja auch er. Ich glaube, niemand von Ihnen wäre darüber glücklich, nicht einmal der Bund der Steuerzahler. Man muss sich überlegen, was man in dieser Debatte sagt. Man gewinnt den Eindruck, dass ein Teil der Menschen, die an dieser Debatte als Lobbyisten teilnehmen – das gilt auch für manche in der Politik –, nur eine Ausbildung gemacht haben, nämlich als Marktschreier. Das ist nicht gut für unsere gemeinsame Zukunft.

Was wir nicht brauchen können, wenn wir das Land voranbringen wollen – das würde übrigens auch den Föderalismus diskreditieren –, ist Dauerwahlkampf. Der Bundeskanzler hat einen Vorschlag vieler anderer aufgegriffen und in einem "Zeit"-Interview gesagt: Lasst uns die Landtagswahlen zu zwei Wahlterminen zusammenlegen, eine Hälfte zusammen mit der Bundestagswahl, die andere in der Mitte der Wahlperiode. So wird es beispielsweise in den Vereinigten Staaten und in Schweden gemacht.

Der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident hat heute in einer Zeitung gesagt: Lasst sie uns zu einem Termin in der Mitte zusammenlegen. Auch über diesen Vorschlag kann man diskutieren, aber: Lassen Sie es uns auch machen. Dauerwahlkampf ist schädlich für die Reformfähigkeit der Republik.

Deutschland ist kein Jammertal. Deutschland hat große Aufgaben vor sich, aber Deutschland ist ein starkes Land. Glaubt jemand wirklich, dass unter den großen Ländern Kontinentaleuropas ein Land die Wiedervereinigung so geschafft hätte wie wir? Trotz der hohen Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland haben wir weniger Arbeitslose als Frankreich oder Italien. Wir haben auch eine höhere Erwerbsquote als der Durchschnitt der großen Länder in der Europäischen Union.

Ich will jetzt auch die Argumente der anderen Seite aufgreifen: Wir sind der Stabilitätsanker in der Union und Deutschland ist Exportweltmeister mit ständig steigendem Anteil. Wir haben das erste Mal seit der Wiedervereinigung einen Leistungsbilanzüberschuss.

Nein, wir haben keinen Grund, die Debatte so zu führen, wie Sie es aus parteitaktischen Gründen und manche Lobbyisten nur aus Lobbygründen tun. Alle Kritik hört da auf, wo sie dem gemeinsamen Land schadet und wider die Wahrheit ist.

Hilmar Kopper hat Recht: Deutschland ist eine Premiummarke. Mit Sicherheit werden 90 Prozent der internationalen Wirtschaftsstandorte diese Qualität so schnell nicht erreichen können.

Angesichts großer Herausforderungen und angesichts unserer eigenen Stärke müssen wir die Zukunftsaufgaben mit Mut anpacken. Wir brauchen Macher und nicht Miesmacher.