Uma Thurman im Interview übers Älterwerden und Fremdgehen - WELT
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ICONIST Interview

„In mir ist ziemlich viel Gift“

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Uma Thurman, 1970 in Boston geboren, begann als Modell. Als 18-Jährige überzeugte sie im Film „Gefährliche Liebschaften“. Internationalen Erfolg erlangte sie durch ihre Rollen in „Pulp Fiction“ und „Kill Bill“ ihres Förderers Quentin Tarantino Uma Thurman, 1970 in Boston geboren, begann als Modell. Als 18-Jährige überzeugte sie im Film „Gefährliche Liebschaften“. Internationalen Erfolg erlangte sie durch ihre Rollen in „Pulp Fiction“ und „Kill Bill“ ihres Förderers Quentin Tarantino
Uma Thurman, 1970 in Boston geboren, begann als Modell. Als 18-Jährige überzeugte sie im Film „Gefährliche Liebschaften“. Internationalen Erfolg erlangte sie durch ihre Rollen in „...Pulp Fiction“ und „Kill Bill“ ihres Förderers Quentin Tarantino
Quelle: Mario Testino
Uma Thurman kann so kaltblütig köpfen und lachen, dass sie die Welt fasziniert. Ein Gespräch mit der Schauspielerin über den Schwindel des Alters, Schönheits-OPs und die Grausamkeit des Fremdgehens.

Uma Thurman hat diese Stimme, freundlich, betont, die einen schnell spüren lässt, dass man dem Menschen behutsam begegnen möchte. Dass das Gespräch am Handy stattfindet, macht es leichter. In Funklöchern klingen Fragen freundlicher.

ICON: Hallo, Mrs Thurman. Wie geht es Ihnen?

Uma Thurman Danke, es geht mir gut. Ich sitze im Auto auf dem Weg zum Flughafen. Aber ich weiß jetzt schon, wenn ich über Nacht fliege, fühle ich mich am nächsten Tag immer wie ein Zeppelin. Total aufgedunsen, das Gesicht geschwollen.

ICON: Dagegen gibt es doch sicher ein Mittel.

Thurman: Kennen Sie eines? Verraten Sie es mir, bitte! Ich hasse dieses Gefühl. Ich weiß, es gibt so Entwässerungspillen, aber ich habe sie nie ausprobiert.

ICON: Wie wär’s mit dem gelben Anzug, den Sie in „Kill Bill“ getragen haben? Leder ist doch gnädig.

Thurman: Eingelagert. Ich trage ihn nicht mehr.

ICON: Wie fühlt man sich nach einem Drehtag, an dem man als säbelschwingende Amazone gefühlt 127 Menschen getötet hat?

Thurman: Es hatte eher etwas von Gymnastik und Tanz als von Morden und Schlachten.

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ICON: Sie haben das Image einer unerschrockenen Frau. Geht es genau darum im Leben, alles zu riskieren?

Thurman: Ja, aber es geht nicht ums Wollen dabei, es geht ums Müssen. Machen wir uns nichts vor: Das Leben ist gefährlich. Wir alle riskieren permanent etwas, außer wir träumen. Sicherheit ist eine Illusion.

ICON: Klingt schon nach Kampf irgendwie.

Thurman: Die Welt ist hart da draußen, und darauf bist du besser vorbereitet, sonst kann es dich unangenehm überraschen, irgendwann, irgendwie. Das Leben ist einfach nicht nur schön. Es kann einem auch Angst machen. Aber dadurch ist es ja so atemberaubend, nicht wahr?

ICON: Waren Sie das immer schon – so furchtlos? Oder sind Sie es erst geworden?

Thurman: Meine Mutter würde jetzt sagen, dass ich es immer schon war. Ich weiß nicht.

ICON: Ihre Mutter, die Psychotherapeutin. War das leichter als Tochter?

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Thurman: Keine Ahnung. Ich sehe das jedenfalls anders. Ich fühle mich nie so – selbstbewusst. Ich hoffe immer nur, dass ich im Hier und Jetzt gut bin und mein Bestes gebe. Auf jeden Fall versuche ich immer positiv zu denken und dann sage ich mir: Schau auf das Gute, zieh das für dich Lehrreiche aus den Dingen. Das ist gewissermaßen mein tägliches Selbst-Coaching. Wie schnell fühlt sich alles überwältigend an oder wirkt ein Problem unüberwindbar.

Da hilft nur mentale Selbstdisziplin. Manchmal dauert es Jahre, aber dann, plötzlich, fühlt man wieder Hoffnung und Kraft. Ich arbeite ständig daran, kreativ zu bleiben und immer das Licht zu sehen. Ich glaube, man versteht das Leben erst, wenn man begriffen hat, das man ganz allein für sich verantwortlich ist. Wenn einem das keine Angst mehr macht, ist man schon ein ganzes Stück gewachsen.

ICON: Sie sind mit dem Buddhismus aufgewachsen. Ist das Ihre Erkenntnis daraus?

Thurman: Ach was, nein. Dafür ist das Thema auch viel zu groß. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich kann jetzt nicht hier von der Rückbank eines Autos aus in ein paar Sätzen eine ganze Philosophie verknappen, die ich mit meinen beschränkten intellektuellen Fähigkeiten nicht einmal selbst genau verstehe.

ICON: Als jemand, der ernsthaft damit aufgewachsen ist: Wie stehen Sie zu Spiritualität als Modeerscheinung?

Thurman: Ich glaube, jede Form von friedlicher Spiritualität kann eine Rettung für Menschen sein. Ohne Glauben gibt es wenig, was uns vor der Barbarei auf der Erde schützt.

ICON: Stimmt. Aber wenn jedes Model ein Yogabuch schreibt und wir jeden Spinatsmoothie auspendeln, wird es banal, oder?

Thurman: Wenn es zu mehr Gelassenheit zur Welt beiträgt? Es ist manchmal das Einzige, das man selbst in der Hand hat: an seiner inneren Heilung zu arbeiten. Einen wertvolleren Beitrag kann man nicht leisten. Außer, man kann Krebs heilen.

ICON: In Lars von Triers Film „Nymphomaniac“ spielten Sie zuletzt eine betrogene Ehefrau, die ihren Kindern das Bett zeigt, in dem ihr Vater ihre Mutter hinterging. Sie spielen das sehr überzeugend. Können Sie die Frau verstehen?

Thurman: Ja, das konnte ich sehr gut. Sie befindet sich in einem traumatisierten Zustand. Natürlich ist ihr Verhalten extrem. Wir sprechen von einer Frau, die dabei ist, ihren Verstand zu verlieren. Sie handelt nicht wie eine gute Mutter. Was sie den Kindern antut, ist brutal.

Aber Eltern sind manchmal ungewollt grausam, wenn sie selbst unter großem Leidensdruck stehen. Und das zeigt Lars von Trier: die Ichbezogenheit von Eltern, die in ihrem eigenen Schmerz gefangen sind, der sie blind macht für die Bedürfnisse ihrer Kinder.

ICON: Sie haben zwei Ehen hinter sich, sind Mutter von drei Kindern. Braucht man unbedingt Männer, um Kinder großzuziehen?

Thurman: Natürlich sind Väter wichtig. Und seien wir ehrlich: Der Traum ist natürlich eine intakte Familie. Die meisten wünschen sich das, wenn sie jung sind. Niemand träumt davon, Kinder allein aufzuziehen. Aber wenn es anders kommt, muss man das Beste aus der Situation machen. Nur Liebe kann gewinnen, nur Liebe kann ausgleichen. Liebe kann jede Situation besser machen.

ICON: Sie sind jetzt 44 und wurden gerade in Berlin als „Beste Schauspielerin“ mit dem „Bambi“ ausgezeichnet. Wie alt darf man in Ihrem Geschäft werden, bis man sein Alter verschweigen muss?

Thurman: (Lacht jetzt wie eine Autohupe): Ha! Das verschweigt man besser immer! Am besten, du wirst gar nicht erst älter! Alter ist nur eine der Herausforderungen; die Schauspielerei ist ein Beruf, in dem Karrieren plötzlich beginnen und genauso schnell wieder enden können, jederzeit und ohne einen besonderen Grund – Alter, einmal schlecht drauf sein – man kann nie sicher sein. Grundsätzlich fühle ich mich sehr privilegiert. Mein Traum ist, irgendwann einfach an Altersschwäche zu sterben.

ICON: Schauspielerin Renée Zellweger ließ sich unlängst chirurgisch verschönern und wurde Opfer eines Shitstorms. Die „New York Times“ diskutierte darauf über das Recht auf das eigene Gesicht.

Thurman: Ich habe das weder gesehen noch gelesen. Es klingt nicht nett, so etwas über einen sehr begabten Menschen zu sagen.

ICON: Allgemein gefragt: Unters Messer für die ewige Jugend – ein Fortschritt oder Fehlkalkulation?

Thurman: Ich glaube ja nicht, dass Menschen dadurch jünger aussehen. Man wird Alter niemals wegoperieren können. Die Leute sehen nur anders aus, wie eine veränderte reife Person. So oder so, es ist nicht einfach, älter zu werden. Es gibt Tage, da finde ich es auch nicht lustig.

ICON: Sie wirken so, als ob Sie sich niemals Zwängen unterwerfen. Sie quälen sich auch nicht mit Kleidern.

Thurman: Stimmt. Modisch quäle ich mich selten.

ICON: Mode ist nicht wichtig für Sie?

Thurman: Nicht wichtig, aber kostbar, etwas Besonderes. Wer das Privileg hat, Mode zu genießen, hat keine anderen Probleme oder flieht vor ihnen.

ICON: Auf der Londoner Kunstmesse, der Frieze, sah man Sie ungeschminkt, ganz natürlich. Paparazzi kümmern Sie nicht?

Thurman: Ich bin einfach nicht bereit dazu, mein Leben danach auszurichten. Jeden Tag Make-up, Haare machen – dafür bin ich zu faul. Ich dusche, das muss reichen – haha! Und ich schwöre auf Samba-Yoga!

ICON: Wie geht das?

Thurman: Arme in die Luft reißen und lachen! Lenkt vom Bäuchlein ab. Den Tipp gab mir mal Mario Testino.

ICON: Sie haben auch in „Batman“ mitgespielt.

Thurman: Im Nippel-Batman, ja!

ICON: Er hieß so, weil George Clooney dieses Kostüm trug, in dem man seine Brustwarzen sehen konnte. Sie spielten Poison Ivy. Wie viel Gift ist in Ihnen?

Thurman: Oh! Wahrscheinlich sehr viel! Vom amerikanischen Fast Food, dieser ganzen Lebensmittelindustrie! Ich versuche, mich gesund zu ernähren. Aber dann überkommt’s mich und ich stürze mich auf chinesisches Essen!

ICON: Was macht mehr Spaß: das gute oder ein böses Mädchen zu sein?

Thurman: Ich mag Abwechslung. Unbedingt! Derzeit spiele ich in einer Fernsehserie, die aus der Feder des fantastischen amerikanischen Theaterautors Jon Robin Baitz stammt. Achtteilig, sehr filmisch, sehr realistisch. Die Charaktere stehen voll im modernen Leben. Solche Arbeit liebe ich. Sie erfordert mehr psychologische Einfühlung als die Rollen in Lars von Triers Film oder Batman.

ICON: Der Film galt als schlechtester „Batman“.

Thurman: Außer meinem Part!

ICON: Wie viel Spaß macht es, in einem schlechten Film zu spielen?

Thurman: Schlecht ist nicht gleich schlecht. Aber manchmal hat man sich etwas anderes vorgestellt und realisiert dann erst mittendrin, dass man besser nicht hätte mitmachen sollen. Das ist dann kein Spaß. Trotzdem, einen Batman-Film würde ich wieder machen.

Und meine Kinder haben ihn geliebt. Wenn wir uns den heutigen Batman angucken – nicht, dass wir uns wirklich für Batman interessieren – also, ich fürchte mich! Ein Kind unter 13 Jahren würde ich den nicht anschauen lassen.

ICON: Wegen des Massakers des „Jokers“ in Colorado?

Thurman: Nein, und das hatte auch nichts mit Batman zu tun. Ich glaube nicht, dass es eine Verbindung zwischen Kino und dem Amoklauf psychisch kranker, gestörter oder sadistischer Menschen gibt. Das wird oft behauptet, ich weiß. Für mich ist das lächerlich.

Folter und andere schreckliche Dinge, die Menschen anderen antun, gibt es seit Tausenden von Jahren, lange vor der Erfindung der Kamera. Die Kreuzigung von Jesus Christus bedurfte keiner Kamera, und als die Bibel geschrieben wurde, gab es keine Filme. Kino erzeugt keine Gewalt.

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